Im Grunde muss eine Rebsorte nur die Quarantäne des Reblaus-freien Kontinents überstehen. Die kostet Geld (2000 Euro pro Stock), ist langwierig und streng, aber danach darf jeder Winzer mit den vermehrten Setzlingen arbeiten. Und so stößt man in Australien auf Sangiovese, Picpoul, Grünen Veltliner oder Garnacha. Mitunter hat man im Gespräch mit Winzern den Eindruck, jede Urlaubserinnerung wird auch gleich ausgepflanzt. Doch es gibt auch „Gesetzte“, speziell in den kühleren Regionen, und der Riesling gehört sicher dazu. In Eden Valley mit seinen Nachfahren deutscher Auswanderer etwa, aber auch im Clare Valley, ebenfalls in Südaustralien gelegen, pflegt man die Sorte. Eine ganze Reihe davon brachte die größte Australien-Verkostung, wie immer zum Nationalfeiertag der „Ozzies“ in Londons Victoria House veranstaltet, mit.
Unter den rund 1000 Weinen fand sich auch einer mit dem auffälligen Fisch-Etikett, das markante Label mit dem Hecht steht für Pikes, das Weingut aus dem Clare Valley. Der 2017er „Traditionale“ brachte dabei eine ungewöhnliche Würze mit.
Salzig und mit einer unverkennbaren Mineralik bereits im Duft, erinnern die fruchtigen Noten eher an einen Chardonnay: Blutorange, kühle Mango und ein Touch Butterkeks gehen in diese Richtung. Das Rauchige meldet sich auch im Kostschluck des Clare Valley-Weißweins sofort, röstiger Toast (mit Butter drauf), könnte man sagen. Der Mix aus Nektarine, Kaktusfeige und Sternfrucht am mittleren Gaumen wird von einem salzigen Nachhall nach Kapern gekrönt. Ein echter Appetitmacher – es muss ja nicht der Hecht vom Etikett sein.
Und weiter geht es mit ungewöhnlich: Matt „Gantos“ Gant und John „JR“ Retsas haben mit ihrem 2005 gegründeten Weingut First Drop einen Bauchladen an Sorten, die man ebenfalls in Europa vororten würden. Touriga Nacional, Garnacha oder Nebbiolo verarbeitet das witzige Duo, dessen Firmen-Prospekt ein Comic-Heft darstellt, unter Namen wie „Mother‘s Ruin“ oder „Fat of the Land“. Wir griffen zum „Minchia“, der zwar keinen so einprägsamen Namen trägt, aber dafür der erste australische Montepulciano war, der uns je unterkam. Der eigenwillige Duft vereint den „Eisen-Geruch“ von Blut mit einer an Cabernet Franc erinnernden Roten Paprika. Die 14% Alkohol merkt man kaum, ein würziger Zug von Beginn weg – wieder etwas Chili-Feuer, aber auch Estragon – und vor allem eine jugendliche Säure beim Jahrgang 2013 wirken als Puffer.
Auch die Tannine sind noch ausgeprägt, es ist ein Wein der mehr von der Struktur als der Frucht geprägt wird. Und vor allem im gekühlten Zustand einen der zeitgemäßen Rotweine darstellt, die die Süffigkeit und den Erfrischungscharakter eines Weißen aufweisen. Hätte man vielleicht nicht erwartet in Australien. Aber dafür gibt es unter anderem die Leistungsschau im Victoria House.
Bezugsquellen:
Pikes, Riesling „Traditionale“ 2016 kostet EUR 18,72 bei U-Vinum, www.uvinum.at
First Drop, Sangiovese „Minchia“ 2011 führt „Lucky Wines“ um EUR 21,80 pro Flasche, www.luckywines.de