Adeligen und Mönchen war das Brauen im großen Stil lange vorbehalten. So überrascht es auch nicht, das Schloss Eggenberg im oberösterreichischen Vorchdorf eine lange Brau-Tradition aufweist. Revolutionär war man beim Bier aber gleich mehrfach. Denn kurz, nachdem als Inventar des Wasserschlosses der Fernberger Grafen „ain branntweinkessel und eine Malzden“ notiert wurden, übernahmen Bürgerliche das Brauen: 1681 startete die Privatbrauerei im Salzkammergut. Zwei verheerende Brände später erinnert aber nur wenig an das alte Wasserschloss, dafür baut 1884 Claus Forstinger die Brauerei samt Eisenbahnanschluss aus.
Hubert Stöhr, in achter Generation Brauherr (durch Heirat wurden aus den Forstingers die Stöhrs), hat heuer noch Revolutionäres vor: Die neue Flaschenfüllung, ein fünf Mio. Euro.-Invest, ist noch eine Baustelle bei unserem Besuch. Ab 2018 sollen hier drei ungewöhnliche Biere vom Band laufen. Da wäre zum einen eines der wenigen Pils‘, die Verkaufsschlager einer heimischen Brauerei im Lande des „Märzen“ darstellen. Der „Hopfen-König“ mag das meist verkaufte Bier sein, doch unter Bierfreunden international ist das „Samichlaus“ Eggenbergs bekannteste Abfüllung. Es hat eine einzigartige Vor-Geschichte, denn das Rezept „wanderte“ 1999 erst nach Österreich.
Kreiert hatte das Rezept, das dem Hl. Nikolaus gewidmet wurde, die Schweizer Hürlimann-Gruppe. Und deshalb trägt das für den Patron der Küfer gebraute Samichlaus auch bis heute die eidgenössische Bezeichnung des Heiligen. Und es wird noch skurriler. Denn das alljährlich am 6. Dezember eingebraute Starkbier (14%) „wird bis heute in Lizenz gebraut“. Und Lizenzgeber für die Spezialität, von der es 2000 Hektoliter gibt, ist ausgerechnet der dänische Gigant Carlsberg.
Das Wander-Rezept und seine vier Varianten
Das mit doppelter Gärung erzeugte Starkbier, technisch ein Dreifach-Bock, war eine Zeitlang das stärkste Bier Europas und sorgte vor allem in den USA für Furore: Wenig Scheu hatte das Marketing, das es als „Santa Claus-Beer“ etikettierte, wie ein überlebendes Exemplar im Eggenberger Keller (kl. Bild oben) zeigt. Und es war der US-Importeur, der die Rechte nach Oberösterreich vermittelte, als man den „Nikolo-Sud“ in der Schweiz nicht mehr braute. „Lange gab es für den österreichischen Markt gar kein Samichlaus“, erinnert sich Stöhr an die 17 Jahre währende Geschichte des Biers, das in den vier Varianten „Classic“, „Hell“ und „Schwarzes“ (diese beiden Farb-Varianten wechseln sich jährlich ab) und „Barrique“ erzeugt wird.
Nach einem Schluck vom saisonalen Sommer-Pils, einer leichteren „Hopfen-König“-Variante mit Aromahopfen, kosten wir zuerst das dritte der erwähnten unkonventionellen Biere von Schloss Eggenberg. Denn der „Urbock“ hat den seit den 1970er Jahren Ruf als Starkbier-Brauerei mitbegründet. Auch wenn bei den 16 aktuellen Schloss-Abfüllungen mehrheitlich geringere Alkoholgehalte die Regel sind, geht es auch bei den kräftigen Bieren von Braumeister Thomas Lugmayr um den „dünnen Grad zwischen Drinkability und eigenständigem Charakter“, wie Hubert Stöhr den Haus-Stil definiert.
Das seit über 40 Jahren unveränderte Rezept ergibt ein 9,6% starkes Bier, das nach süßer Orange, Malzkaffee und den britischen „Shortbread“-Keksen duftet. Am Gaumen wird der angeblich gerne als „Betthuperl“ getrunkene Urbock komplexer. Honig, etwas getrocknete Marille und dazu wieder der buttrige Touch des „Shortbreads“ machen den Auftakt. Der Hopfen ist anders als bei rein malz-süßen Bockbieren auch durchzuschmecken. Er mischt sich im Nachtrunk unter die gelbfruchtigen Aromen.
Die 14%-Geheimwaffe für das Food Pairing
Am besten lässt sich sein Duft mit einem Griff ins Süßwaren-Regal erklären. Je nach Geburtsjahrgang, wird „Jaffa Cakes“ oder „Messino“ dann erklären, wie die Mischung aus Schokolade, Milchkaffee und deutlichen Orangen-Noten wirkt. Die Süße ist beim frischen Classic im Vordergrund. Dies sei vermerkt, denn genau darin unterscheiden sich dann die weiteren Proben, die Hubert Stöhr einschenkt. Doch keine Samichlaus-Spoiler-Alerts!
Wir kosten weiter in den fast sakralen Räumen des Kellers mit Nikolaus-Statue und Neon-Bierkapsel im Großmaßstab: Das Classic bringt cremige Vanille-Noten auf den Gaumen, erst allmählich schälen sich aus dieser Schokocreme von einem Bier die präziseren Töne: Dann kommt etwa diese Kombination aus Powidl, Orange und Zimtrinde durch, die das Bier ins lange Finish trägt. Dass diese Aromen und auch das cremige Mundgefühl das Samichlaus zu einem beliebten Kandidaten machen, wenn es um die Begleitung von Speisen geht (Bier-Menüs oder food pairing), ist klar. Vor allem reifer Hartkäse, sagen wir: ein Gruyère, in dem der Milchzucker bereits zu kristallisieren beginnt, aber auch fettere Fische sind ein „Anser-Match“.
Fast noch mehr Möglichkeiten gibt aber das Fass-gelagerte Nikolaus-Bier. Das modern gewordene, eigentlich aber alte Verfahren der Holzfass-Reifung von Bieren sieht man in Eggenberg pragmatisch. „Da ist viel Trial and Error im Spiel momentan“, meint Stöhr (kl. Bild rechts), der seine Barriques aber auch nicht als Quelle für Aromen wie Vanille und Kokos sieht. Das Bier soll „runder“ werden durch die Mikrooxidation. Weinfässer, wie man sie einst von Chardonnay-Winzern bezog, schlugen etwa zu stark aromatisch durch, aktuell greift man zu Barriques, die von Spirituosen „abgeschliffen“ wurden. Und die relativ kurze Holz-Ruhezeit (zwischen zwei und vier Wochen) zahlt sich aus.
Nicht süß, was das Fass mit dem Nikolo anstellt
Das „Samichlaus Barrique“, dessen Basis das Classic darstellt, riecht bereits deutlich rauchiger. Müsste man den Orangen-Schoko-Keksen seines Ursprungsbiers eine Naschzeug-Analogie gegenüber stellen – es wäre die Weinbrand-Bohne. Gibt man dem Starkbier etwas Luft, was man durchaus sollte, kommt dazu aber auch eine prononcierte Salzigkeit. Mit dem ausgeprägten Malzcharakter erinnert das dann an Laugenbrezeln oder „Soletti“. Doch genug der essbaren Vergleiche: Das Samichlaus Barrique wirkt bei aller Süße des Malzkörpers deutlich salziger als seine „Mutter“, auch die Säure wirkt nun präsenter. Aromatisch hat sich gegenüber dem Classic auch die Nussigkeit verstärkt. Im Finale wirkt es wie gesalzene Erdnüsse, dazu kommt ein leicht pfeffriger Nachtrunk, der dem Barrique-gelagerten Eggenberger die anfängliche Schwere spielend nimmt.
Das Spiel mit der Süße und der Würzigkeit seines bekanntesten Biers treibt Stöhr aber auch beim „Schwarzen Samichlaus“. Wie alle vier Varianten mit 14% gefüllt (auch beim Barrique verändert die kurze Lagerzeit den Alkohol nicht wirklich), ist das teer-schwarze Bier aus dem Salzkammergut olfaktorisch kaum von einem Hollerkoch zu unterscheiden. Bittere Noten mischen sich in die fruchtigen Töne, man könnte diese Melange auch mit Lakritze vergleichen. Hier dominiert wieder die Süße, ein Faktor, der sich mit der Lagerung deutlich ändert. Doch davon gleich mehr, noch nippen wir am äußerst cremigen „Samichlaus Schwarz“. Die Bitterschokolade kleidet den Gaumen aus, dazu kommt eine Pekan-Nuss-Note, die gegen Ende immer pikante und weniger cremig wirkt. Das Finish hat dann fast den Charakter von schwarzer Oliven-Paste (tapenade). Dieses Bier wird sich dramatisch verändern, wenn man es lagert. Und genau dazu rät man in Schloß Eggenberg.
Der eigene Keller ist mit Jahrgangsabfüllungen des Samichlaus gefüllt – und eine solche zieht Hubert Stöhr nun aus dem Karton. Fein säuberlich beschriftet und geordnet, sieht man gleich, dass es ein „Helles“ aus dem Jahrgang 2012 ist. Fünf Jahre altes Flaschenbier also. Und es ist bei aller Begeisterung für diese Schweizer Rezeptur aus dem Salzkammergut, die diese Zeilen wohl erkennen lassen, noch einmal eine andere Liga: Oxidative Duftnoten wie bei einem Fino Sherry (Salzmandel und Kapern) machen schon einmal neugierig. Der Antrunk zeigt, dass die cremigen Noten der Jugend jetzt einem schlankeren, aber (bei 14 Volumsprozent!) gefährlich trinkanimierenden Mundgefühl gewichen sind. Fast schlank wirkt das fünf Jahre gelagerte Helle im Vergleich. Was an malzigen Körper verloren ging, schraubte sich als Aroma in den verbliebenen Samichlaus.
Der Nachtrunk erinnert in seiner pikant-prickelnd-fruchtigen Art an „Fanta“ mit Salz darinnen. Wem das zu dämlich klingt, für den formulieren wir es so: Dieses Bier stellt ein einziges Plädoyer für das Anlegen eines Flaschenbier-Lagers dar. Die Brauerei hätte jedenfalls nichts dagegen: Seit einigen Jahren gibt es 0,75 Liter-Flaschen. Hubert Stöhr hängt uns Bier-Reifern in spe aber auch noch eine andere Karotte vor die Nase. Man denke daran, mit einem „late release“ beginnen. Ähnlich wie bei Weinbauern sollen dann im Produzentenkeller gereifte alte Jahrgänge auf den Markt kommen, wenn sie ideale Trinkreife haben. Es werden aber Kleinstmengen sein, dämpft der Schloß-Herr die Erwartung. Wir melden uns trotzdem gleich einmal dafür an. Vielleicht bringt uns ja der Nikolaus heuer was davon.
Bezugsquellen:
Brauerei Schloss Eggenberg, Urbock ist um EUR 1,72, das Samichlaus Classic um EUR 2,25 (jeweils 0,33 Liter-Flasche) in den Merkur-Filialen bzw. online erhältlich, www.merkurmarkt.at
Die anderen Samichlaus-Varianten, etwa das „Barrique“ (sowie die gereiften Jahrgänge!) sind am besten direkt bei der Brauerei zu erstehen, www.schloss-eggenberg.at
Eine 0,75 Liter-Edition des Samichlaus-Barrique aus 2013 führt MyProduct.at um EUR 18,90, www.myproduct.at