Wir haben es aufgegeben, stets die neusten Gins zu verkosten. Man kommt nämlich soweiso nicht mehr nach in der Flut der schnell, leicht und billig zu erzeugenden Wacholder-Spirituosen, die im Extremfall nicht einmal eine Brennblase voraussetzen. Für einen „Compound Gin“ reicht etwa ein steriles Gefäß, 96%-iger Neutralalkohol aus agrarischen Ausgangsstoffen – da zumindest ist das Gesetz genau – und die aromagebenden Stoffe, allen voran der Wacholder. Was sonst an Wurzeln, Samen, Blüten oder Kräutern aus eigenem oder fremdem Anbau dazu kommt, obliegt dem Hersteller. So ist das halt bei überhitzten Märkten. Wobei der Boom nicht heißt, dass auch die Kategorie wahnsinnig wächst. Deutschland etwa trinkt noch immer deutlich mehr Korn (von dem man gar nichts hört) als den gehype-ten Gin.
Doch wir sind in Österreich und selbst da gibt es die Klassiker, die schon zu einem Zeitpunkt gestartet sind, als nicht jeder EDV-ler mit Ersparnissen diese für einen eigenen Gin aufgewendet hat. 2010 hat Edelbrenner Siegfried Herzog in Saalfelden begonnen, nicht weil ihm mit seinen rund 60 anderen Bränden und Likören fad war, sondern weil er es wissen wollte. Der Gin bekam einen witzigen und markanten Raben als Wappentier, den Michael Ferner gezeichnet hat. Der Salzburger Name „Hågmoar“ spielt auf den König der Ranggler an, also einen lokalen Ringer, dem es gelingt, alle Gegner auf den Rücken zu zwingen. „Yokozuna“ täten die Japaner beim Sumo sagen, der Pinzgauer nennt den Stärksten der Starken halt so – und in unserem Fall geht es eben um starke Aromatik. Denn bei der Alkoholstärke des Hågmoar beließ man es bei lediglich 40%.
Bei den Botanicals schöpft „Sigi“ Herzog aus dem Vollen, mit 15 aromagebenden Stoffen hat er seinen Gin versehen. Neben den Würze-Klassikern Orange und Engelwurz (Angelica) finden sich auch Kardamom und Veilchen im Rezept. Beim Verkosten kommt dabei vor allem die Orange klar durch, ihr Duft – mehr Blüte als Schale – dominiert anfangs sogar über den Wacholder. Unter den kräutrigen Aromen, die mit einer leichten Menthol-Kühle unterlegt sind, sticht der Thymian-Geruch hervor. Je mehr Luft das Destillat erhält, desto kräftiger wird dieser Zug.
Im Mund zeigt sich der Wacholder präsenter, aber auch da braucht alles seine Zeit. Denn der Hågmoar ist zunächst einmal fast cremig in seinem Mundgefühl. Dem milden Auftakt folgt eine Ladung Zitrusfrüchte, in diesem Fall vor allem Limetten-Zeste, ehe der Wacholder merklicher wird; er geht aber im Finish in die kräftigere Würzung über. Da schleicht sich dann der weiße Pfeffer ein, der den Abgang des Gins fast schärfer wirken lässt, als es die 40% Alkohol vermuten lassen. Aber Gin ist in der Regel keine Spirituose zum Pur-Genuss. Also gibt er auch noch mehr her, wenn man den Salzburger Brand mit dem Raben kombiniert.
Denn wie jeder gute Gin verändert sich auch der Hågmoar je nach Servier-Art. Auf Eis serviert, fahren auf einmal die floralen Aromen aus, Rosenduft und etwas herbere Noten (die getrockneten Veilchen etwa?) kommen da zum Vorschein. Im Gin & Tonic wiederum bleibt er trotz der 40 Volumsprozente ein kräftiger Partner, zumindest mit trockenen Tonic Waters kommt dann auch der Wacholder klar durch. Kein Wunder, dass man die Saalfeldener Spirituose nunmehr auch in allen deutschen Hotels der Motel One-Gruppe findet. Im Inland ist der Rabe, der auch auf einer 1,5-Liter-Flasche (Party, Party!) prangt, ohnehin gesetzt auf den Gin-Karten.
Bezugsquelle:
Siegfried Herzog Destillate, Hågmoar-Gin, ist um EUR 35 (0,7 Liter-Flasche) ab Hof erhältlich, www.herzogdestillate.at