Die Rumbranche ist in Bewegung. Und nicht nur in Sachen Absatz (dazu weiter unten mehr). Vieles, was als spätkolonialistische Attitude durchging, steht nun auf dem Prüfstand. Rum-Marken, die „Sklave“ heissen, hat der aus Jamaika stammende Ian Burrell schon vor einiger Zeit online als unzeitgemäß gebrandmarkt. Und auch die französische Marke „Plantation“ will sich vom Schandort der „Plantage“ im Markennamen trennen. Denn wer nur ein bisschen vom Dreieckshandel mit Rum, Baumwolle und Sklaven zwischen Afrika, den jungen USA und der Karibik im 17. und 18. Jahrhundert gelesen hat, weiß: Es gibt keine glückliche Plantage. Gerade Zuckerrohr ist für einige Historiker, darunter die stets lesenswerte Lizzie Collingham („The hungry Empire) eine erste Form der industriellen Produktion.
Denn bei genauer Planung konnte praktisch das ganze Jahr über Zucker gekocht werden, Schlaf gab es für die Zwangsarbeiter aus Englands aufsässigen Provinzen ebenso wenig wie für Sklaven aus Afrika. Dass diese sich vor allem auf die Rumproduktion verstanden, findet sich in zeitgenössischen Berichten immer wieder erwähnt. Und hier kommt Olaudah Equiano ins Spiel. Denn auch nach ihm ist ein Rum benannt. Allerdings war er einer der ersten Sklaven, der im 18. Jahrhundert sein Schicksal wendete, darüber 1789 einen aufsehenerregenden Bericht („The Interesting Narrative of the Life of Olaudah Equiano or Gustavus Vassa, the African“) schrieb und zu einem der Vorkämpfer der Abschaffung der Sklaverei wurde. Als 10-Jähriger wurde er von Igbo in Nigeria nach Barbados verschleppt. Angeblich war das Sammeln und Verkaufen von Rum die Basis, mit der er sich bei seinem Besitzer freikaufen konnte.
Dieses positive Vorbild hat sich der „Equiano“-Rum auserkoren. Und er bringt auch die beiden Welten – Afrika und die Karibik – des Namensgebers zusammen. Aus der Gray’s Distillery auf Mauritius kommt zehn Jahre alter Rum, der dann in Barbados mit dem mehrfach prämierten Rum der Foursquare Destillerie vereint wird. Er ist etwas jünger und reift gemeinsam mit dem afrikanischen Rum in ehemaligen Bourbon-Fässern. Übrigens wird unter dem Label Equiano auch eine Stiftung mit 5% des Verkaufserlöses alimentiert, die sich für Civil Rights-Projekte einsetzt.
Es ist die richtige Zeit dafür, denn gemäß aktueller Marktdaten aus Frankreich, aber auch Großbritannien wächst Rum schneller als Gin. Zwei Dinge stehen dem Höhenflug der Kategorie mental im Wege: Unklare Erzeugungsweisen, die sich neben missverständlichen Altersangaben, die noch dazu stark unterschiedlich nach Erzeugerland sind, auch in eigenartigem Marketing äußern können. Mit Ausnahme des strengen und europäischen Gesetzes für Rhum agricole aus Martinique sind fast alle Länder der Karibik großzügiger mit ihrem Reglement. Für einen dreistelligen Flaschenpreis will man dann aber doch wirklich alten Stoff und nicht Gramm-weise Zucker im Brand.
Afro-karibischer Rum ohne Spaßetteln
Entsprechend verzichtet der renommierte Brenner Richard Searle auf Barbados (Foursquare Distillery) auch auf jeglichen Zusatzstoff. Das Ergebnis freut nicht nur die grundsätzliche Frohnatur Ian Burrell. Butterscotch wie bei einem guten Bourbon steigt gleich als erste Duftnote aus dem Glas. Man darf aber auch an „Toblerone“ denken. Die helle, eiskaffee-braune Farbe signalisiert den ehrlichen Anspruch des „Equiano“ – hier wurde definitiv nicht nachgefärbt. Und warum auch? Denn die Aromen sind alle da, warum sich also mittels Karamell „reichhaltiger“ machen. Wunderbar klar ist die Milchschoko-Note im Duft, auch wenn sie selbst nicht süß wirkt – das reichen dann die Gerüche nach Dörrfeigen und Rosinen nach.
Angenehm leicht kommen die 43 Volumsprozente daher und beim zweiten Schluck dämmert einem allmählich, was Ian Burrell mit seinem Postulat meinte, dieser Rum soll „not for the few, but for the many“ sein. Ein zugänglicher Brand, auf den sich viele einigen können. Im Weinbereich würde man von „easy drinking“ sprechen. Klar wird auch die Antithese zu süßen Rums, vor allem solchen, wo nach dem Brennen noch nachgezuckert wurde. Bisweilen schmeckt man eine Art Phantomschmerz – anderswo hätte man da gerne die Kokos- und Schokonote mit ein bisserl Zucker enger zusammengeschweißt. Aber da ist Richard Seale, den sie schon mal „Rum-Taliban“ geschimpft hatten, vor! „Die ältesten und angesehensten Rum-Erzeuger der Karibik verwenden diese Praktik nicht“, grantelte es letztens aus seinem Mail aus Barbados.
Und so wird es nie zu süß, dafür aber elegant würzig im Abgang; etwas Piment, ganz zarte Gewürznelken und auch Kubebenpfeffer sind zu merken. Das Eichenholz im Finish wird auch deutlich spürbar, aber es ist entfernt davon, bitter zu wirken. Vielmehr setzt einen Schlusspunkt, der den Equiano abrundet und zu einem Destillat macht, der als „sipping rum“ auch ohne Anlass Freude macht. Zigarren, das sei den Freunden dieses karibischen Pairings gesagt, sollten eher mild sein. Süßere Aromen und ein Maduro-Deckblatt – etwa so!
Bezugsquelle:
The Equiano Rum Company, Equiano Afro-Caribbean Rum kostet EUR 44,90 beim deutschen Spezialversand Rum-Paradise erhältlich, www.rum-paradise.de