Nach wie vor kennen viele unter dem Namen Angostura jenen weltweit gebrauchten Cocktail-Bitter, den der deutschstämmige Johann Siegert 1824 erstmalig in Venezuela produzierte. Doch die Stadt, nach der der „Aromatic Bitter“ benannt wurde, heißt heute Ciudad Bolivar. Und schon Siegerts Sohn Carlos verlagerte die Produktion nach Trinidad und Tobago. „Das einzige Weltprodukt unseres kleinen Landes“, wie es CEO Robert Wong bei der Rum-Premiere in Wien nannte, ist nach wie vor der wichtigste Pfeiler des „House of Angostura“.
Dabei werden auch sechs Rums erzeugt, vom Blanco begonnen über den Blend „1919“ bis zum „1824“. Dieser 12-jährige Rum erinnert im Duft an Orangen-Spalten, Zimtrinde und getoastetes Brot. Allerdings verändert sich sowohl die Nase, als auch der Geschmack des „1824“ nach zehn-minütigem „Belüften“ deutlich: Das fast Punsch-artige süße Profil wandelt sich in Richtung einer Weinbrand-Charakteristik. Am Gaumen kommen dann neben den Gewürznoten und der Schärfe ab dem mittleren Gaumen auch Trauben-Aromen und ein Hauch von grüner Frische durch.
Der zugänglichere Angostura (und ein echtes Einstiegsprodukt) ist der „1919“ mit seinen maximal 10-jährigen Rums. Orange schimmernd glänzt er im Glas, Vanille satt und eine satte Dosis „hard spice“, also Zimt, Nelke und Piment, machen den angenehmen Duft aus. Süße im Beginn, vor allem Orangen aber wieder auch die Lebkuchen-Aromen, sorgt für einen runden Ersteindruck. Es bleibt bei dieser zugänglichen Art, erst ganz hinter meldet sich eine leichte Schärfe, die aber immer nur ein Wurmfortsatz des weich-runden Profils des „1919“ ist.
Karibik meets Charente: Das trockene Finish des „No.1“
Die Krone setzte der Rum-Range aber die „Cask Collection“ auf, deren zweite Abfüllung – 2013 erfolgte die Vorstellung des 12-jährigen Blends aus stark getoasteten Bourbonfässern – dieser Tage Weltpremiere in Schönbrunn feierte. Die Vorgangsweise beim „Angostura No. 1“ kennt man aus dem Finishing-Prozess vieler Whisky-Destillerien: Eine Auswahl der besten Qualitäten wird nach Jahren im wieder verwendeten Bourbon-Fass in andere Fässer umgefüllt. Doch diesmal ist es Rum, der nach zehn Jahren in ehemalige Cognac-Fässer kommt. Die französische Eiche hatte dann sechs weitere Jahre Zeit, ihre Aromen an den Angostura aus Trinidad abzugeben.
Intensive Kokosnoten stehen am Beginn, sie verblassen ebenso wie ein Anflug von Klar-Lack. Die weiteren Duftnoten haben nun Platz zur Entfaltung: Rosinen, gedörrte Aprikosen und – je mehr Luft der „No. 1“ bekommt, desto mehr – süße Schokolade steigt einem in die Nase. Der erste Schluck kommt satt und kräftig, mit einer deutlichen Fruchtigkeit, die an einen „Peach Liqueur“ erinnert, auf den Gaumen. Wieder ist auch viel Milchschokolade im Spiel, die Süße wird aber von einer kräftigen Note in Schach gehalten. Mehr und mehr driftet das Aroma in Richtung Bitterschoko, zumal sich im Abgang eine deutliche Gerbstoffnote („das trocken-tanninige Erbteil des Cognac-Fasses“ laut Master Distiller John Georges) daruntermischt.
Tatsächlich macht sich mit etwas Temperatur auch der Cognac-Einfluss bemerkbar, weinige Aromen sind zu erschnuppern, auch am Gaumen wird eine Orangen-Note markanter. Am beeindruckendsten ist aber das Finish inklusive des Rückaromas, das sehr trockene Noten aufweist, die irgendwo zwischen Grand Champagne und Speyside zu verorten sind, für einen Rum aber ungewohnt trocken wirken.
Bezugsquelle:
House of Angostura, Rum „1919“ kostet EUR 27,37, der „1824“ EUR 51,31 und die neue „Cask Collection No. 1“, ist um EUR 113,62 (0,7 Liter-Flasche) bei Bauer Spirits erhältlich, www.bauerspirits.com