Während sich die Spitzen der Weltpolitik immer weiter streiten und das dann Strategie-Diskussion nennen, sind die Winzer aus einem anderen Holz. „Riesling United“ zeigt das Gemeinsame schon im Namen der losen Vereinigung an. Beim Wein hört die Gemeinsamkeit aber auf, ausser dass alle die Sorte – „Königin der Reben“ nannte sie Franz Hirtzberger jun. – lieben. Da sind sich die Herren aus dem Saarland, der Mosel und der Pfalz einig mit ihren Wachauer und Wiener Kollegen. Alle zwei Jahre will man die spezifischen Unterschiede der Sorte vergleichen.
Vergleichen, wie trocken das klingt. Rainer Husars Brigade kam im „Pfarrwirt“ in Wahrheit kaum mit dem Einschenken nach, die 100 Gäste bekamen je 30 Weine serviert im Laufe des ersten Gipfeltreffens im Zeichen des RL. 3.000-faches Einschenken, ein vielfaches Verkosten – zwischen den verkorksten 2014ern und den Beerenauslesen zum Dessert – war einen Abend lang angesagt in Döbling.
Pfälzer Pikanz: Ein Glücksfall namens Pechstein
Vom weltweit größten Rielsing-Anbaugebiet, der Pfalz, hatte Richard Grosche einen ersten Favoriten parat (die anfangs gereichten 2014er punkteten mit Ausnahme des „Alsegg“ aus Dornbach von Mayer/Pfarrplatz und dem „Saar“ von Van Volxem nicht). Der Chef des Guts „Reichsrat von Buhl“ servierte mit dem 2013er „Pechstein“ als Nr. 17 aber ein Großes Gewächs, dass mit der Zunge schnalzen ließ. Klarapfel und Karambol stehen am kühlen Beginn, ehe sich die Frucht strahlender herausstellt: Nektarine und reife Birne stehen für diese Phase. Doch über allem schweben fast flirrend zwei würzige Noten, Zimtrinde zum einen und ein vom Basalt herrührender zarter Rauchton.
Doch was nützt diese Liste? Denn am Gaumen läßt uns das Große Gewächs aus der Pfalz damit hängen. Hier dominiert anfangs eine herbe Art, Kumquats und edelsüßer Paprika werden herausgeschmeckt, doch dann kann man nicht umhin, einen ungewöhnlichen Akkord zu benennen. Bei aller mineralischen Frische ist es doch tatsächlich Weichsel, was sich aufdrängt. Hier stimmt wieder das Kunstwort von der „Fruchtpikanz“, so schillert der „Pechstein“ zwischen Frucht, Säure und einer ganz zarten Schärfe.
Roman Niewodniczanski (Weingut Van Volxem) berichtete nicht nur vom gestoppten Niedergang des Anbaugebiets Saar („Als ich startete, lagen die Hälfte der Weinberge brach“), er brachte auch den schmeckbaren Beweis seiner Klasse mit. Der 2012er Scharzhofberger Pergentsknopp ließ sich anfangs ähnlich janus-köpfig an wie der Pfälzer Riesling zuvor. Ruppig, mit einem an Spargel erinnernden Duft, stellte man ihn vorsorglich zur Seite. So kam der Wein langsam zum Atmen, Geduld belohnte er mit einer Mischung aus Kurkuma, Schwarzbrot und Rauch. Ungewöhnlich, aber in jedem Fall spannend, dieser Geruch. Der fast Kompott-Saft-süße Beginn ließ keinen Zweifel, die Gleichung Pfirsich=Riesling wurde gleich zu Beginn aufgemacht. Sogar Zimt ließ der 2012 von der Saar schmecken, ehe sich durch die üppige Frucht eine herbe Note schälte. Sellerie und Schwarztee, dazu eine an verbrannten Toast erinnernde Aromatik, lauerten auch weiterhin im Hintergrund. Dass wir hier einen großen Wein am Anfang seiner Entwicklung kennenlernen durften, zeigte auch die frische Grapefruit im Rückaroma. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen, wer diesen Van Volxem im Keller hat, wird noch seine Freude haben.
Österreichs Beitrag: Tropenfrucht und Rauch
Und die Österreicher? Da zeigte sich die etwas zugänglichere Art – wenngleich auf gleich hohem Anspruchsniveau – bei der „Gobelsburger Tradition“, die Michael Moosbrugger aus dem Schloss Gobelsburg mitgebracht hatte. Der ebenfalls aus 2012 stammende Riesling war präsent, Ananas, Zitronenmelisse und ein zarter Kreideton prägten neben Zitronengras und Marshmallow eine expressive Nase. Auch am Gaumen liebte es der Kamptaler eindeutig: Tropenfruchtig und saftig mischten sich Maracuja und Kumquat in einem fast kitischig-intensiven Geschmacksbild. Ähnlich wie beim Van Volxem war dies aber nur die pastos-dick aufgetragene Grundierung für die feineren Striche. Hier zeigte sich eine am Punkt gereifte, von schöner Säurestruktur und zarter Würze getragene Aromatik, die aktuell bereits zur Perfektion verwoben ist.
Hausherr Hans Schmid wird mit Freuden gesehen haben, wie sich der „Nussberg“ 2013 schlug. Der zart rauchige, nach Tabak und Feuerstein duftende Riesling vom Mayer am Pfarrplatz wirkte mit der dunklen Frucht-Melange (Brombeere, Holunder, ja fast schon Cassis) überaus einladend. Filigran und deutlich mineralisch wie der erste Schluck ausfiel, blieb trotz des intensiven Dufts auch der Gesamtausdruck: Hier ein paar Spuren von Weingartenpfirsich, dort ein Büscherl Minze, dazwischen etwas tropischere Fruchtanklänge, ließ er eine Noblesse aufblitzen, die immer aus einem Guss war. Dazu legte der Nussberg im Finale noch eines drauf: Fast ätherisch klingt dieser Riesling aus, ehe er noch einmal mit einem satten Holunderblüten-Ton aufwartet. Das war eine völlig andere Variante als die deutschen 2013er, aber auch schlanker als der muskelbepackte Hirtzberger-Smaragd Hochrain aus der Wachau, mit dem er sich die Sechser-Runde teilte.
Aber genau für solche Riesling-Vergleiche haben wir ja ab sofort den United-Gipfel – auch wenn es jetzt wieder zwei Jahre warten heißt. Ähnlich wie bei den Weinen – der lebendige 2004er (!) „Hochheimer Hölle“ Gunter Künstlers (Weingut Künstler, Rheingau) war der beste Beweis – heißt es halt Geduld zu haben.
Bezugsquellen:
Reichsrat von Buhl, Riesling „Pechstein“ 2013, ist um EUR 39,90 bei Wein&Co. erhältlich, www.weinco.at
Van Volxem, Riesling „Scharzhofberger Pergentsknopp“ 2012, ist nur noch in Restflaschen erhältlich, das Jéroboam-Format (3 Liter) kostet etwa EUR 209 bei Wein Art, www.weinart.de
Schloss Gobelsburg, Riesling „Gobelsburger Tradition“ 2012 ist um EUR 26,50 bei der Vinothek St. Stephan erhältlich, www.ststephan.at
Mayer am Pfarrplatz, Riesling „Nussberg“ 2013, gibt es um EUR 19,90 ab Hof, www.pfarrplatz.com