Vielleicht ist Fritz Rieder der letzte Wein-Entertainer Österreichs. Fad wird es bei Jahrgangspräsentationen von Weinrieder nie. Und in Zeiten wie diesen tut die Welt-umarmende Art auch gut, zumal es bei den Weinen des Weinviertlers und seiner Söhne um Genuss geht. Der Wein ist kein Mittel zur Weltrettung, sondern das Pausengetränk, während wir daran arbeiten. Vor allem aber lösen die Weinrieder-Weißweine die Vollmundigkeit ihrer Darstellung in den Winzer-Worten auch ein. Nicht von ungefähr sind die Abfüllungen aus Kleinhadersdorf im Export eine Bank: Selbst in Brasilien findet man sie, in einigen der besten Restaurants der Welt sind sie ohnehin.
Es war also Ehrensache, mit Lukas und Bernhard Rieder die aktuellen Abfüllungen (und wie immer auch ein paar Archiv-Schätze) zu verkosten. Die Beletage im Schwarzen Kameel war dafür ein idealer Rahmen und man wanderte quasi auch von Riede zu Riede – mit den Rieders. Wobei wir schnell einen Favoriten hatten, der neben den Rieden Kugler und Hohenleiten die Weine im Glas lieferte. Es war die Riede Schneiderberg, von der bereits der erste Veltliner überzeugte. Er erinnerte an einen Riesling mit dem Mix aus Salzigkeit und Zitrusnoten, die in der Nase als Limettenzeste, am Gaumen als Salzzitrone durchkam. Der 2021er ist ein Wein voller Leben, die kühle Art – im Duft als Grüne Banane ebenfalls präsent – erfreut, auch der feine Gerbstoff gibt ihm Struktur und liefert einen alles andere als belanglosen GV (die es im Weinviertel durchaus auch gibt!) ab. Und das zu einem attraktiven Preis!
Wo die Reise hingeht, zeigt der 2014er „Schneiderberg“, der verhaltener im Duft ist und mit rauchigen und reduktiven Noten wie Sesam-Brot und Nuss aufwartet. Dann aber reiht sich dieser Veltliner zwischen einem burgundischen Chardonnay und einem Riesling ein. Steinfrucht pur dreht dem ewig gleichen Apfel-Zitrus-Spiel des Veltliners provokant den Rücken zu. Wo bei anderen das „Pfefferl“ sitzt, wird hier der Salzstreuer in Stellung gebracht. Dieser 2014 hat einen wunderbaren Zug. Und er liefert den Weinrieders auch die Möglichkeit, den in der Presse früh abgeschriebenen Jahrgang 2014 zu rehabilitieren.
Lehrstück an „kühler Reife“: Riesling Schneiderberg
Die u. a. beim deutschen Kultwinzer Klaus-Peter Keller geprägte Riesling-Handschrift von Lukas Rieder (am Bild links) zeigt dann aber sogar noch mehr Finesse. Dass die im Weinviertel nicht unbedingt gehegte Sorte auf den Schneiderberg bestens passt, ist beim ersten Riechen der 2016er Lagenreserve klar. Das Stichwort dazu liefert einmal mehr Fritz Rieder, der zwischen seinen Scherzen immer viel Kluges zum Weinbau parat hat. In diesem Fall ist es das Oxymoron „kühle Reife“. Bedingt durch die lange Abendsonne der Südwestlage ergibt sich eine hohe Fruchtigkeit, aber eben auch Kühle, für die die Waldnähe des Schneiderbergs verantwortlich ist. Dass die Reben auch schon 40 Jahre alt sind, trägt das Ihre zu den Weinen bei.
Der Duft dieses Rieslings stellt pure Grapefruit dar, erst allmählich kommt auch die Sorten-Signatur des Weingartenpfirsichs hinzu. Auch sie zeigt aber beim 2016er stets eine leicht säurige Kante und damit eine gute Frische aus dem vermeintlich zu heißen Jahr. Die Reife ist in jedem Fall da, das zeigt der Kostschluck mit einer unerwarteten Süße, die in Richtung Ananas und Mango dreht, aber auch starke Gegenspieler hat. Der Salzzitronen-Ton etwa, aber auch die (schon fast an gelbe Chili anklingende) rauchige Würze. Das Finale bringt dann den Pfirsich richtig zum Strahlen. Wie ein Sorbet, garniert mit etwas Estragon-Spitzen gleitet der „Schneiderberg“ 2016 über den Gaumen. Denn Finesse muss beim Weinrieder immer sein!
Gleichsam an der Spitze unserer „Schneiderberg-Begeisterung“ stand die 2018er „Grande Reserve“, der als Riesling die Eleganz der Sorte in Reinkultur zeigt. Im Duftbild der Lagenreserve anfangs ähnlich im Steinobst-Zitrusfrucht-Mix, kommt hier aber noch mehr als ein Schäuferl mehr an Aromatik hinzu. Rauchig wie geriebener Kaffee flirrt es da überm Glas, auch Löwenzahn ist zu riechen und eine durchaus pikante Note, bei der man an Gelbe Tomaten oder eine „Peperonata“ denken kann.
Der Antritt dreht diesen Eindruck erst einmal, denn die Extraktsüße verbindet Apfel und Orange mit einem klaren Ananas-Geschmack. Als Gegenspieler hat Lukas Rieder wieder den Gerbstoff in Stellung gebracht – er ist sehr präsent, vor allem im Finish, aber auch hoch elegant mit den anderen Eindrücken verwoben. Die schon in der Nase markante pikante Note, zeigt sich auch im leicht salzigen Finish. Sie sorgt als letzte Zugabe dieses 2018ers dafür, dass er bereits jetzt ein richtig großartiger Wein ist. „Geil“ wollten wir eigentlich schreiben. Und tun es jetzt auch: Schon jetzt eine geiler „Schneiderberg“!
Bezugsquelle:
Weinrieder, Grüner Veltliner „Ried Schneiderberg“ 2021 kostet EUR 8,90, der Riesling „Schneiderberg“ (Lagenreserve) 2016 kostet EUR, die „Grande Reserve“ 2018 vom Schneiderberg ist um EUR 59 erhältlich, alle im Webshop des Hauses, www.weinrieder.at