Der Gewölbekeller in Rust vollzieht das Wechselspiel der Natur mit. „Ich sehe Winzer, die eine Halle auf die grüne Wiese stellen“, sagt Herbert Triebaumer beim Rundgang unter der Erde, „aber wir machen’s net“! Der Wein, so der Subtext, bildet eben auch das Auf und Ab des Lebens ab. Diese Einleitung wird einem immer wieder einfallen, während man schon am Esstisch der Winzerfamilie sitzt. Verkostet werden die Jahrgänge 2001 bis 2013 eines legendären Rotweins, der für das Prestige eines reinsortigen Blaufränkisch viel geleistet hat. „Ried Mariental“ in der Vertikale bedeutet aber auch über Individualität zu reden, nicht über ein Idealbild.
Die unterschiedlichen Temperaturen und Niederschläge werden von Herbert und Gerhard Triebaumer erläutert, teils mit plastischen Erinnerungen („Nach der Lese wollt‘ ma no im See schwimmen gehen – aber es war zu kalt“). Ein, zwei Mal steuert auch der Mann hinter der Legende vom „Mariental 1986“ seine Einschätzungen bei. Ernst „E.T.“ Triebaumer hat etwa 2001 noch in schlechter Erinnerung: „Es gab vielleicht zwei, drei trockene Lesetage“. Und doch ist gleich der erste Rotwein – gekostet wird in Rust von Alt auf Jung – eine Überraschung. Die Säure und Lebendigkeit des feuchten Jahres 2001 gibt eine Maxime vor: Zehn Jahre Reife sind mindestens nötig für einen „Mariental“.
Wenn es etwa heißt „der Wein hatte eine schwierige Kindheit“, dann meint Gerhard Triebaumer (kl. Bild) einen vor 22 Jahren geernteten Wein. „Marienthal 2003“ ist eine Art Gegenstück zum 2001er – Abfüllungen aus dem extrem heißen Jahr sind bei vielen Kollegen längst breit und unattraktiv. Spannungslos und sonnenverbrannt. Beim 2003er der Triebaumers ist trotz einer Welle an Schwarzer Johannisbeere, die an Cabernet-lastigen Bordeaux erinnert, sogar ein Rest Säure noch immer da!
Doch wir wollen nicht zu viel schwärmen von längst vergriffenen Abfüllungen eines Kultweins aus dem Burgenland. Sondern lediglich die herausragenden Jahrgänge der Probe komplettieren: 2007, 2010 und 2012 haben ihre Besonderheiten. Mal sind sie trinkfreudig und schlank wie ein Burgunder, dann plüschig-anschmiegsam und „Everybody’s Darling“. Doch zum Glück gibt es auch ein Programm, das 2001 gestartet wurde in Rust: „10 Jahre danach“ kommen am Weingut gereifte Flaschen in den Handel. Weshalb die Triebaumer-Brüder auch den Jahrgang 2015 als Vergleich einschenkt. Und den kann man sich noch besorgen.
Genauer gesagt, man sollte es. Denn er ist gerade in der Metamorphose begriffen und bestätigte, dass zehn Jahr für das erste Genussplateau eines „Mariental“ das Minimum sind. Schon beim ersten Riechen wird klar, dass hier viel zu entdecken ist. Aber auch Zeit gefragt wäre. Denn anfangs sind es nur herbe Noten, die da an die Nase kommen: Artischockenblätter, Kastanien-Laub und auch etwas Thymian erkennt man. Die Frucht-Aromen lassen sich länger bitten im Duft. Dafür darf dann aber im Mund der Schwall junger Kirschen umso mehr auftrumpfen. Den Mittelteil prägt eine Schokolade-Torten-Masse, die aber auch mit wärmenden Eindrücken versehen ist. Als hätte man Weichsel-Marmelade als dünne Schicht aufgetragen. Erst im Finale gesellt sich Säure zu diesem engmaschigen Typus.
Dieser Rote ist (noch) zum Beißen dicht und liefert im Rückaroma Malabar-Pfeffer und eine angenehm trockene Art. Der Gerbstoff ist bereits fein gemahlen worden. Aber die Holzfass-Noten und die Frucht müssen noch zu einer Koexistenz finden. Das wird definitiv passieren. In fünf Jahren hätte der „Mariental 2015“ dann ja auch schon „15 Jahre später“ zu feiern. Und das wird dann ein Fest!
Wer etwas (!) schneller zugänglich sein dürfte, könnte der aktuell gefüllte Jahrgang sein. 2022 liefert ein deutliches Versprechen. Preiselbeere und Graphit im Geruch ergeben einen dunkelfruchtigen, aber auch klar jugendlichen, Duftkern. Kaffeemehl und auch Rote Paprika flankieren die schwarzen Beeren, dazu sind auch dezente Trompetenpilz-Düfte da. Es ist also viel da. Das zeigt auch der Kostschluck: Hier vermengen sich Heidelbeere und Thymian zu einer saftig-würzigen Mischung.
Im Vergleich wirkt der „Mariental“ 2022 saftig und zugänglich. Vor allem im Mittelteil ist das ein Vergnügen mit Beerengeschmack. Erst nach hinten hinaus darf man die Jugend deutlicher spüren – die blättrige Kräuterwürze, die man da in Form von z. B. Salbei wahrnimmt, wird sich ein wenig abschleifen. Doch erkennbar sind bereits die großen Anlagen dieses Jahrgangs. Von „schwieriger Kindheit“ ist da schon jetzt keine Spur.
Bezugsquellen:
Weingut Triebaumer, Blaufränkisch „Ried Mariental“ 2022 kostet EUR 60 (0,7 Liter-Flasche) ab Hof bzw. im Webshop der Triebaumers, www.triebaumer.com
Weingut Triebaumer, Blaufränkisch „Ried Mariental“ 2015 ist um EUR 75,- bei Wein-Leben zu haben, www.wein-leben-shop.at