Er selbst sei doch nur mehr Pensionist, das Wirtshaus schupfe Sohn Johannes Altmann, den Weinbau Schwiegersohn Herwig Jamek. Und doch ist es eine spezielle Ehre, wenn Hans Altmann sich zum Verkosten mit dem Gast niedersetzt. Es dauerte, bis der legendäre Josef Jamek (mit dem Wohnort Joching zum emblematischen „JJJ“ verkürzt) den Betrieb übergab. 77 Jahre war der Schwiegervater zu diesem Zeitpunkt, doch für Altmann schloss sich 1996 eben verspätet ein Kreis: Sein gleichnamiger Vater hatte lange die Kremser Weinbauschule geleitet und auch an der Hochschule für Welthandel schrieb Hans Altmann seine Abschlussarbeit nicht über Vollkostenrechnung oder die Verstaatlichte Industrie, sondern über „Strukturprobleme im österreichischen Weinbau“. Wohlgemerkt war das auch schon Anno 1975.
Doch wir begehen im Gespräch ein anderes Jubiläum – den 60. Jahrgang des ersten reinsortigen und lagenreinen Weines. 1959 wurde er mit der „Ried Klaus“, einer Riesling-Lage, die Josef Jamek angekauft hatte, geerntet. Die Rebsorte war Zufall, so Altmann. Noch Jahre später hätten die Winzer Trauben in verschiedenen Rieden gesammelt, „um überhaupt zu schauen, wie so ein Riesling schmeckt“. Denn, was heute den Ruf des Gebiets fast mehr prägt als der Grüne Veltliner, war damals eine Rarität. Und dass Jamek auf einen Gemischten Satz oder wenigstens einen Verschnittpartner verzichtete, war kühn. Ebenso wie die Entscheidung für den „Naturwein“. „Der Schwiegervater trank gerne leichte Weine, selbst beim Roten“, ergo war ihm irgendwann das Aufzuckern der Weine ein Gräuel. Die 1970er waren dafür notorisch. Klassische „Sauerampfer“ seien vor allem die geraden Jahrgänge 1972, 74 und 76 gewesen. Die Reaktion darauf hieß meist „fünf Kilo Zucker“ – denn gelesen wurde mitunter mit nur 13 Grad Mostgewicht (heute gibt es unter 15 Grad keine Qualitätswein-Bescheinigung!!!).
Zum 60. Mal: Klaus und die mineralische Strenge
Der erste Wein mit dem „60 Jahre“-Signet ist das Federspiel 2019 aus der „Ried Klaus“, ein fein mineralischer Wein, der nach Grapefruitschalen und Melonen duftet. Mehr Marille als Pfirsich, analysiert die Nase den Duft des jungen Rieslings. Die Frucht scheint sich förmlich an uns anzuschleichen und frischt langsam auf. „Streng mineralisch“ sei für ihn der typische Duft der „Ried Klaus“ – und Altmanns kundige Einschätzung wird minütlich deutlicher bestätigt. Dann treten Salbei und Feuerstein zu den bisherigen Aromen. Der erste Schluck „Klaus“ bringt diese feine mineralische Prägung dann auch auf den Gaumen. Das schöne Spiel, das sich nun zwischen Säure und Frucht entspannt, ist in gelbe Farben getaucht. Steinfrüchte, vor allem Nektarine, zarter auch Gelbe Zucchini und Blutorange, werden von leichter Salzigkeit, vor allem im Finish, begleitet. Es ist ein herrlicher Wein zum Start, wenn man weiß, dass man noch mehr vorhat. In unserem Falle waren es die berühmten Hechtnockerl im Jamek-Gastgarten, die das Federspiel 2019 begleitete. Es war ein würdiges dritten „Schwimmen“ für den Raubfisch!
Doch es gibt ja noch mehr „Kläuse“, wie es Hans Altmann formuliert. Der 2019er Smaragd aus der legendären Lage zeigt sich um diese Zeit natürlich recht verschlossen. Aber er hat einen Duft aufzuweisen, mit dem man Novizen das Wesen eines Wachauer Rieslings erklären kann. „Rauchige Marille“ steht da und das ist nicht als Oxymoron zu verstehen, sondern als zweihändige Signatur von Rebsorte und Boden. Kühle Passionsfrucht ist ebenfalls zu finden im reichhaltigen und zart säurigen Duftbild. Dicht und saftig, wenn auch zarter in der Tropenfrucht-Ausprägung als in der Nase, ist der „Klaus“ dann im Mund. Etwas Melone, zart auch die Würze von Kurkuma wie im Curry-Pulver und mit einem zarten Gerbstoff als Schlussakkord zeigt der Riesling viel, bittet den Fan aber auch um Geduld. Denn noch ist die Verschmelzung dieser einzelnen Edelmetalle nicht ganz abgeschlossen – wie auch? Unter fünf Jahre Reife sollte man ihn nicht öffnen, zehn wären noch besser.
Wer Jamek-Smaragde früh trinken will, sollte sich eine andere Riede merken. Sie ist zudem auch preislich „unterbewertet“, wie Börseanalysten sagen würden. Denn unter den 26 Hektar der Jameks steht der „Liebenberg“ immer im Schatten der berühmten Ried Klaus, aber auch der „Achleiten“. Interessanter Weise zeigen dieses Phänomen die „Liebenberge“ anderer Wachauer Winzer ebenfalls. Gut, die Riede ist durch den Wald an ihren Seiten, vor allem aber auch den Wind, kühler als andere. Doch der Grund in einem Traditionsgebiet wie der Wachau ist natürlich ein historischer: Lange dominierten Genossenschaftswinzer in der Lage. Die heutigen Topwinzer wie Leo Alzinger oder Lucas Pichler, die auch schon über Jahre einen „Liebenberg“ kultivieren, sind vergleichsweise Newcomer, die am Ruf der Riede arbeiten.
Frucht-Verwebung im Jahrestakt: „Liebenberg“ Smaragd
„Immer etwas schneller zugänglich“ sei der „Liebenberg“, ist die Einschätzung Hans Altmanns – und im direkten Vergleich der 2019er zeigt sich das, auch wenn die „Ried Klaus“ Riesling und die „Ried Liebenberg“ Grünen Veltliner trägt. Marille und Zitrusdüfte (Amalfi-Zitrone) leiten ein, dazu kommt der trockene Touch Gelben Currypulvers, aber auch ein Anflug reifer Tropenfrüchte, vor allem von Banane. Der Gaumen meldet dann den aromatischen Schnellstart des „Liebenberg“: Saftige Papaya und wieder etwas Banane sorgen für exotisch Fruchtdruck, die Würze erinnert bisweilen an Grünen Pfeffer, dann wieder an Safran – und auch das schon erwähnte Currypulver kommt wieder zum Vorschein. Es ist diese vielschichtige Würze, die den fruchtmächtigen Veltliner in seiner Frühform stützt.
Das Kunststück beherrscht auch der um ein Jahr ältere Smaragd aus der gleichen Lage. 2018 bringt der „Liebenberg“ einen weniger expressiven Duft nach Früchten mit. Hier hat sich die Würze bereits verwoben: Kaktusfeige, Melone und Orangen-Fruchtfleisch werden von Curry (einmal mehr!) und Junglauch würzig grundiert. Kraftvoll kommt der mit 13,5% gefüllte „Liebenberg“ auf den Gaumen, die Frucht nimmt sich zurück und zeigt die Finesse eines würzigen Kerns, der pikante Noten und einen lebendigen kühlen Zug in die satte gelbe Frucht-Melange bringt. Womit wir gelernt hätten: Mineralische Strenge kommt von der Ried Klaus, exotische Würze hingegen vom „Liebenberg“. Vergnügen bereiten beide. Und ab fünf Jahren Reife – Hans Altmann beschließt die Führung mit einem 2015er „Klaus“ – dankt man für diesen weiter gepflegten Stil eines Naturweins im Jamek’schen Sinne!
Bezugsquelle:
Weingut Josef Jamek, Riesling Federspiel „Ried Klaus“ 2019 kostet EUR 19,50, der Riesling Smaragd „Ried Klaus“ 2019 wird um EUR 45 verkauft und der Grüne Veltliner Smaragd „Ried Liebenberg“ 2019 bzw. 2018 ist um EUR 25 erhältlich, alle ab Hof bzw. im Webshop, www.weingut-jamek.at