Wenn man in Österreich viele Rum-Verkostungen leitet, kommt eine Frage irgendwann auf: Wie stark prägt die Herkunft das Zuckerrohr? Der Vergleich des Ausgangsstoffes mit der Weinwelt liegt bei uns eben nahe. In der Rum-Welt gibt es darauf meistens ein „Naja“ als Antwort. Wenige Destillateure sagen rund heraus, dass die Unterschiede in ihrer großvolumigen Produktion nicht zu merken sind. Einige lokale Varianten, meist im Stil der Französischen Antillen reinsortig destilliert, schaffen es sogar auf das Etikett („Canne Bleu“ von Rhum Clément etwa). Und dann gibt es noch Mark Reynier. Der verfolgt seit seinem Verkauf der Islay-Brennerei Bruichladdich mit seinem Kapital eine echte „Mission Terroir“.
Dazu gehört die Verwendung von Gerste jeweils nur einer einzelnen Farm, wie er sie in Irland mit Waterford praktiziert hat. Hier liegen einige Irish Whiskeys bereits vor, die Kenner zum Einladen der Unterschiede einladen. Bislang länger musste man aber auf das karibische Herkunftsprojekt Reyniers warten. Denn Renegade Rum begann damit, zunächst einmal wieder den Zuckerrohr-Anbau nach Grenada zurück zu bringen – ehe dessen Unterschiede entdeckt werden sollen. Wie viele kleinere Karibikinseln stellte auch Grenada den Anbau ein, als die Weltmarktpreise in den 1970ern (nach dem Wegfall der britischen Subventionen für die Ex-Kolonien) einbrachen. Doch nun ist neben der neuen Brennerei auch die Ernte abgeschlossen – und Europa kann nachkosten, wie sehr sich lokale Unterschiede im Rum widerspiegeln.
Die eigene Aufzucht von Zuckerrohr-Varianten gibt auch der „Cuvée Nursery“ ihren Namen. Als „Baumschule“ zu übersetzen, stammt aus diesem Bereich Grenadas eine der Abfüllungen, die einen bestimmten Teil – für Mister Reynier fungieren diese Abfüllungen „wie Wein eines einzelnen Châteaus“. Denn parallel gibt es „Einzelfeld“-Rums und den Inselblend, der allerdings vorerst nur in die USA exportiert wird. „Nursery“ braucht etwas Luft, um denn mit Fruchtigkeit und Honig zu prunken. Das ist ein klarer „high ester“-Duft, wie man ihn von manchen Rhum agricoles kennt. Was kein Zufall ist, denn für den puren Ausdruck des Zuckerrohrs wird hier auch dessen Saft destilliert und nicht der „Umweg“ über den verarbeiteten Zucker-Reststoff Melasse genommen.
Braune Banane und Honiggetreide wie bei „Honey Loops“, die frisch mit warmer Milch begossen wurden, findet sich neben den grasigeren Gerüchen. Und die satten Düfte lassen wenig Raum für andere Eindrücke daneben. Am Gaumen beginnt der mit 46% vol. gefüllte Grenada-Rum mit sanften und recht kühlen Tönen. Ein bisschen Mandelmilch ist zu schmecken, Karamell-Bonbon auch. Die würzigere Gangart ist dann mit einem pfeffrigen Akkord vertreten. Breit kleidet den Gaumen aber flüssiger Brauner Zucker aus, der aber weniger Süße, als dunkles Karamell mit leichtem Rauch-Ton zeigt.
Aus einem anderen Teil Grenadas, der statt dem Lehmboden der „Nursery“ vielmehr vulkanische Einsprengsel aufweist, stammt der „Cuvée Lake Antoine“. Hier ist es die Frische eines „Agricoles“, die sich ungebremst Bahn bricht. Hefe-Töne, dazu die Frucht von Marillen und der herbale, „grüne“ Akzent, der hier an Lauchgrün und Karfiol erinnert, zeigen eine erfreuliche rustikale Art – eine Wohltat in der oft weichgespülten Rum-Welt! Tatsächlich sind auch bei diesem 46%-igen Renegade Rum die trockenen Noten im Geschmack dominierend. Man denkt oft an die harten und herben Limetten brasilianischer Provenienz. Keine spritzig-säurigen Eindrücke, sondern die leicht bittere Zitrusfrucht-Akkorde, regieren hier. Sie werden begleitet von grüner Mango und ebensolcher Banane, denen eine ganz dezente Süße aber ein schönes Profil verleiht.
Einer der ersten echten Terroir-Rum war dabei der „Études Old Bacolet“, dessen Zuckerrohr von einer einzelnen Farm (eben: Old Bacolet) im Süden der Insel stammt. Kräftige 55% vol. weist die Abfüllung auf, die ein dunkles Duftbild zeigt – Milchkaffee, einiges an Leder auch, das mit Luft sogar in Richtung Trüffel und Erdigkeit abbiegt. Dagegen hält eine flirrend-frische Fruchtigkeit, die an Bergamotte erinnert, also auch herbe Noten enthält. Interessant wird es am Gaumen, wo die überraschend sanfte Art des „Old Bacolet“ ein wenig wirkt, wie der expressive „Lake Antoine“ durch einen Filter betrachtet. Die Banane hat hier schon braune Stellen und sorgt für zart karamellige Einträge. Der Nachklang überrascht mit seinem puren Zuckerrohr-Geschmack. Wer ab und an Rohrzucker-Saft (oder auch guten Sirup für Bars, der darauf basiert) kostet, wird diesen Geschmack kennen: „Jus de canne“. Man könnte aber auch sagen, man hat die Natürlichkeit dieses neuen Zugangs zu Rum am Gaumen!
Bezugsquelle:
Renegade Rum, „Cuvée Nursery“ ist wie auch der „Cuvée Lake Antoine“ um EUR 44,90 (0,7 Liter-Flasche) zu haben, der „Études“ Old Bacolet (Column Still Rum) kostet EUR 59,90, alle drei Rums über den Shop von Whic, https://whic.de