Zwei neue Produkte hatte Hansi Reisetbauer letztens aus der familien-eigenen Brennerei mitgebracht. Eines ist hoffentlich bald Geschichte, das andere könnte ebenso markanter Bar-Bestandteil bleiben wie einst der „Blue Gin“. Das „Haut&Hände“-Desinfektionsmittel mit dem eleganten lateinischen Spruch „pro vestra salute“ ist aus der Not geboren – denn wenn die Gastro geschlossen hat, wird nicht mal der beste Edelbrand gekauft oder genossen. Dafür allerdings versteht sich die zweite Neuheit aus Axberg als Ansage an die Top-Gastronomie.
Genau genommen, mischt sie sogar mit. Denn das Rum-Projekt „4×50“ verdankt seinen Namen nicht nur den vier Fünfzig-jährigen (mehr oder weniger halt) Investoren, sondern auch einem 50-köpfigen Beirat, der sich aus Topsommeliers wie Aldo Sohm, Spitzenköchen wie Eckart Witzigmann, Heinz Reitbauer oder Juan Amador zusammensetzt und dem auch Bar-Legende Charles Schumann angehört. Die Verpackung, aufwendige Lederhüllen sind es geworden, verrät das perfekte Marketing rund um den R.N.P. Finely Distilled Superior Rum, so die volle Titulatur, ebenfalls.
Doch es ist keineswegs ein reines Design-Projekt geworden; auch der Aufwand beim Brennen und Blenden des neuen Rums ist hoch. Denn als „ortloses“ Destillat wird der Löwenanteil aus in Oberösterreich gebrannter Melasse um mittelamerikanische Rums ergänzt. Rechnerisch stammen 82% aus Reisetbauers Brennblasen, dazu runden Demerara-Rum (Guyana), Destillat aus der Worthy Park-Distillery (Jamaica), aber auch jeweils 3% Rum aus Nicaragua, Venezuela und Guatemala den Blend ab. Für seinen Einstieg in die Kategorie wählte Hans Reisetbauer nach langer Recherche Melasse aus Mauritius und Nicaragua. Ein Geheimnis allerdings ist der Hefe-Stamm und er sorgt für die aromatische Überraschung: Denn was hier nach Bananen riecht, gemeinhin ein Zeichen hohen Ester-Gehalts, ist der Hefe geschuldet, bekräftigt Reisetbauer.
Sie sorgt dafür, dass der mit extrem niedrigem Zucker (drei Gramm/Liter) gefüllte „4×50“ wie ein fassgelagerter „Rhum Agricole“ duftet. Für weniger versierte Rum-Trinker: Ein Melasse-Rum duftet wie ein Destillat aus frischem Zuckerrohr-Saft – ein kleines Brennerkunststück! Der Duft von brauner Banane, Piment und „Türkischem Honig“, ja auch: Toblerone, bringt zudem eine Erinnerung an die „funky notes“ jamaikanischer Rums mit sich. Bei der Füllstärke hat man sich für 40,5% entschieden und diese milde Art kommt auch am Gaumen an. Die feine Würze kann so durchscheinen, ohne vom Alkohol übertüncht zu werden. Bisweilen schiebt sich eine vorwitzige Zwetschgenbrand-Note dazwischen.
Doch das ist nur der Anfang; ab dem mittleren Gaumen geht der 4×50 förmlich auf und vollführt die Faktoren-Zerlegung einer „Malteser“-Kugel: Zum einen ist da die Schokosüße, zum anderen das zarte Malz mit „hard spice“-Potpourri aus Zimt, Gewürznelken und Piment. Immer aber ist auch eine andere Würze zu spüren, die aromatisch auf den Subkontinent führt: Exotisch wie Garam Masala und Bockshornklee schimmert diese indische Note durch. Im langen Finale addiert sich dazu noch kandierter Ingwer, mit dem sich der Kreis aus Süße und Würzigkeit schließt.
Damit zeigt sich auch, dass der Spagat abseits von aufgezuckert-voluminöser Öligkeit gelingen kann. Der neue Rum aus Oberösterreich ist trocken, aber vollmundig, süß, aber schlank und „beißt“ vor allem im Gegensatz zu manch jamaikanischem Rum, mit denen er die meiste Familien-Ähnlichkeit besitzt, nicht. Okay, beim Preis vielleicht.
Bezugsquelle:
4×50, R.N.P. Finely Distilled Superior Rum ist um EUR 159 (0,7 Liter-Flasche) bei Wein&Co. erhältlich, www.weinco.at