Jedes Jahr legt der Wiener Händler Del Fabro & Kolarik einige Weine zurück, um sie in gereiftem Zustand dann den Kunden zugänglich zu machen. Das „Debüt der Raritäten“ stellt diese Flaschen dann in den Mittelpunkt einer Verkostung. Diesmal war es in den Sophiensälen so weit und Wolfgang Kneidinger (Palais Coburg) und Willi Balanjuk (A la Carte) kommentierten die Flights. Der erste brachte gleich fünf Jahre alte Weißweine zum Einstieg.
Diese Runde führte der Riesling Smaragd „Kellerberg“ 2013 von F.X.Pichler an. Strahlende, tropische Frucht, vor allem Mango, kam klar durch, traf im Duft auf Nektarinen-Schmelzigkeit. Am Gaumen dann vorerst keine Spur von solcher Vordergründigkeit; mineralisch hebt der Wachauer Wein an, ehe sich die süß-sauren Aromen melden. Grapefruit und Nektarine lassen plötzlich einen Gedanken aufkommen: Als Cocktail wäre dieser reife Riesling eine „Margarita“. Denn die Salzigkeit am Schluss rahmt die Frucht wie der Salzrand diesen Drink.
Unter den Rotweinen blieb vor allem einer der 2012er im Gedächtnis. Gerhard Markowitsch war mit seinem „M 1“ vertreten. Fast wie Johannesbeer-PAGO, so intensiv kommt dieser Cuvée-Duft aus dem Glas, dazu gesellen sich würzige Begleiter wie Sternanis und Gewürznelke. Der Gaumen wiederum hat einen saftigen und kühlen Auftakt zu verbuchen. Der geht aber schnell in Kampfstellung über – intensive Würze und eine scheinbar immer dunkle Beerenfrucht hämmern zugleich auf den Gaumen ein. Heidelbeere und Holunder sind die Hauptnoten dieses Weins, der lange ausklingt, aber auch noch lange Freude machen wird.
Grandioser Abschluss der Reife-Prüfung war der Süßwein-Flight, ohne den für Willi Balanjuk eine Weinprobe nicht denkbar ist. Zu Recht! Der älteste Wein, Heinz Velichs 2007er Trockenbeerenauslese (TBA) vom Sämling schimmerte nicht nur im Glas rötlich wie ein Mahagoni-Tisch. Auch die Geschmackseindrücke dieses nach Kakao-Pulver und Veilchen duftenden Weins entstammten dem „rötlichen“ Spektrum. Hibiskus-Tee, Hagebutten-Marmelade und Erdbeer-Karamell-Bonbon notierten wir. Das alles mit einem zarten Rauch-Tönchen, das speziell im Finish eine salzige Note über die herbe Rotfrucht streute. Unkonventioneller, aber großartiger Seewinkler Süßwein!
Die Erwartungen an das große Süßwein-Jahr 2010 erfüllte dann Hans Tschida vom Angerhof. Vom Apetloner hatte man eine TBA vom Chardonnay geöffnet, die nach Orangenblüten-Wasser und Ananas-Gelée roch – und das intensivst und vom ersten Moment an. „Strahlende Frucht“ nennt man so etwas und der reife Pfirsich, den im verregneten Jahrgang eine immer noch merkliche Säure begleitete, verlängerte diesen Eindruck am Gaumen. Wie bei einer Orangen-Limonade spielte hier die Säure mit Frucht und Zucker. Lebendiger läßt sich eine TBA kaum denken. Das nur allen Verächtern des Süßweins („breit“, „eindimensional“, „schwer“) ins Stammbuch geschrieben!
Bezugsquelle:
F. X. Pichler, Riesling Smaragd „Kellerberg“ 2013 ist um EUR 55,40 erhältlich;
Weingut Markowitsch, Cuvée „M 1“ 2012 kostet EUR 57,50;
Weingut Velich, Trockenberenauslese Sämling 2007, ist um EUR 31,10 (0,35 Liter-Flasche) erhältlich;
Angerhof Tschida, Trockenbeerenauslese Chardonnay 2010, kostet EUR 26,90 (0,35 Liter-Flasche); alle bei Del Fabro & Kolarik, https://delfabro.at