Wenn wieder eine Selezione Italia am Kalender steht, dann weiß man zweierlei: Marina Rebora und Christian Bauer haben sicher wieder neue Produzenten aufgetan. Und man sollte sich Zeit nehmen. Denn die italienischen Winzer sind fast immer selbst vor Ort und stellen ihre Weine mit großer Leidenschaft vor. Die kleine, feine Genussmesse im Wiener Hotel Regina ist für Fachbesucher nahezu ein Garant für Entdeckungen. Nicht alle verdanken sich unbekannten Weingüter, doch auch bei den großen Namen lässt sich immer wieder mit Staunen verkosten. So war heuer einmal mehr die Tatsache zu beobachten, welch feine Weine der sizilianische Riese Planeta – 375 Hektar beträgt die Rebfläche auf der Insel – in gewaltiger Stückzahl zu keltern vermag.
Diesmal war es der „Cometa“, ein reinsortiger Fiano, der nach einem ausgeklügelten Vinifizierungsprotokoll Frische und dezente Holz-Würze vereint. Das mit der Menge ist beim Jahrgang 2021 allerdings mit ein wenig Vorsicht zu genießen, denn die Ernte fiel klein aus, ist aber von erlesener Qualität. Wie stets wurde ein 10%-iger Anteil im großen Holzfass (2500 Liter) vergoren, während der Rest im Stahltank lag. Das Zusammenspiel und die intensive Bâtonnage ergeben einen feinen Rauchton, der über einem Duft aus Mirabellen liegt. Mit mehr Luft verbinden sich herbe Kräuter, etwas Zitronenschale und ein deutlicher Steinobst-Zug (Nektarine). Die leichte Rosmarin-Duftnote begegnet einem am Gaumen wieder im kräutrig-frischen Auftakt. Der geschmackliche Kern aber wird von Ananas gebildet – allerdings in der kühlen Ausprägung. Sie geht nahtlos über in einen erneuten Steinobst-Anklang. Die Cremigkeit des Fiano ist dabei beachtlich und lässt dazwischen immer wieder etwas Vanille aufblitzen. Das erwähnt gute Händchen für Holz-Einsatz (zweitbefüllte Allier-Eichenfässer waren am Werk) prägt den „Cometa“ 2021 ab dem mittleren Gaumen. Ein toller Allrounder, der auch in acht Jahren noch schmecken wird!
Am Stand von Stefan Unterberger wiederum ließ sich ein italienischer Preis-Genuss-Tipp kennenlernen: Montespada. Die aus dem Veneto stammende Familie Albertini wählte den Nordosten Sardiniens, das Gallura-Gebiet an der Küstenstraße von Santa Teresa, als Schauplatz ihres vor 30 Jahren erfolgten Einstiegs auf der Mittelmeerinsel. Agricola Montespada ist damit mit Weinen aus der Garda-See-Region ebenso unterwegs wie mit den sizilianischen Abfüllungen. Aus dem Norden war es die Cuvée „Dama Bianca”, die einen angenehm leichten (12% vol.), aber nicht unterkomplexen, 2022er aus dem Stahltank darstellt. Garganega und Chardonnay bilden den Blend, der nach Melone, Birnen in sehr frischer Ausführung, Melisse und Holunderblüten duftet. Zu dieser angenehmen Melange an Gerüchen kommt dann noch Grapefruit hinzu. Am Gaumen bleibt die „weiße Dame” fruchtig; hier hat die saftige Obstmischung auch einige tropenfruchtige Noten zu bieten – vor allem Ananas verleiht diesem „easy drinking“-Weißwein eine heitere Seite.
Von Sardinien wäre der Vermentino di Gallura Superiore 2021 die kräftigere Variante neben dem Einstiegswein der Sorte namens „Vecchia Costa“. Der „Superiore“ lässt einem fast eine Farbe synästhetisch vorm geistigen Auge sehen. Es ist Gelb. Denn der Sarde riecht nach Zitrusfrüchten, allen voran Grapefruit und Bergamotte. Ein feines Spiel zwischen den Agrumen-Facetten entspinnt sich auch am Gaumen; da sind saftig-fruchtige Orangenspalten, aber eben auch die feine Säure von Zitrusfrüchten. Abgerundet wird dieser Zug von einem Quäntchen Honig – vor allem im schmelzigen Finale. Klare Empfehlung zu einem Risotto Milanese!
Die Weltretterinnen am orangen Wein
Unübersehbar waren die Etiketten von Al Fèu, einer kleinen (sieben Hektar) Weinmanufaktur aus Sizilien. „Nachdenkliche Frauen” in schönen Farbschattierungen stehen dafür, dass das Weibliche die Welt retten wird”. So poetisch formuliert es Michele Castiglione, der zwischen Marsala und Trapani produziert. Zum einen ehrt sein Weinbau den Opa, Jahrgang 1915, weshalb sich das Familienwahrzeichen – ein Igel – ebenso wie diese Jahreszahl auf allen Weinen findet. Der Inhalt der Flaschen ist aber pure Moderne, was vor allem der „Bianco Macerato“ zeigt – ein reinsortiger Catarratto, der 20 Tage Schalenkontakt hatte. Dieser „Orange Wine“ erinnert an Kaktusfeige, Senffrüchte und Orangenminze im Duft. Am Gaumen ist der Gerbstoff des Weißweins so fein, dass er erst im Rückaroma an Tonic Water erinnert. Mostig oder vom Gerbstoff dominiert ist hier gar nichts.
Dieser limitierte Wein, hausintern als „El Loco“ (=der Verrückte) bezeichnet, hat einen „Bruder“, bei dem der Catarratto mit 20% Zibibbo interagiert. Dieser Weißwein des Jahrgangs 2022 kommt golden ins Glas, der Duft nach Räucherwerk wie Myrrhe zeigt schon einen besonderen Stil an. Mild am Gaumen, ist auch hier der feine Gerbstoff ein Trumpf, der sich von Beginn an durchzieht. Die Räuchernote ist ebenfalls noch da, wenn auch ganz dezent – sie verbindet sich mit dem Trockenfrucht-Geschmack von Apfelringen, aber auch Gewürzen wie Piment. Wir einigen uns mit Michele schnell auf die perfekte Speisenempfehlung: Risotto bzw. die sizilianische Variante eines Couscous mit Fisch.
Bezugsquellen:
Planeta, Cometa 2021 kostet EUR 30,50 bei Wagners Weinshop, www.wagners-weinshop.com
Agricola Montespada, Cuvée „Dama Bianca” 2022 ist um EUR 9,90 zu haben, der Vermentino di Gallura Superiore DOCG 2021 kostet EUR 13,40, beide bei Vinolio, www.vinolio.at
Al Fèu, Catarratto-Zibibbo (IGT Terre Siciliane) 2022 kostet EUR 18, ebenfalls bei www.vinolio.at