„Spucknäpfe gibt es keine!“ – diese Regel stand am Anfang der Spirituosen-Verkostung, die man „Jahr100-Tasting“ nannte. 70 Verkostplätze, glücklicher Weise einer für uns, waren bei Del Fabro Kolarik gerichtet, um sich Raritäten wie einem vor 71 Jahren (!) destillierten Weinbrand (Asbachs „Joh. Wolfgang von Goethe“) zu widmen. Als Zeremonienmeister führte Fachmann Jürgen Deibel durch die drei Stunden währende Feierstunde des Fass-gereiften Destillats. „Für diese Raritäten sollte man sich auch Zeit nehmen“, ersuchte der Mann aus Hannover um Verständnis. Jahrzehnte an Arbeit und ausnahmslos vier-stellige Preisschilder fordern Respekt. Und so wurde schon über die erste Rarität – einen 25 Jahre alten Dalmore-Whisky – 40 Minuten erzählt. Denn: „Normal ist das ein Alter, mit dem man eine Verkostung enden lässt – heute ist das unser Einsteiger“!
Immer wieder kam ehrfürchtiges Raunen auf, wenn drei Generationen von Destillateuren (Havana Clubs „Maximo“) bzw. über 100 Jahre alte Bestandteile im Glas erwähnt wurden. Bei der Erstauflage einer solchen Verkostung (die „Acht Tausender“) standen vor Jahren acht Cognacs im Fokus, nun gab es in Simmering Rum, Whisky und Weinbrände. Doch bereits damals war Frapins „Plume“ einer der Lieblinge. Diesmal repräsentierte er mit Hennessys „Paradis Extra Rare“ die Charente und ihre Raritäten, die Destillate aus drei Jahrhunderten enthalten können. Maître de chai Olivier Paultes hatte bei diesem ausschließlich auf Weinen der Grand Champagne basierenden Cognac eine feine Hand bewiesen, die für Ehrfurcht sorgte. Der jüngste Anteil in der schönen Karaffe war bereits 60 Jahre altes Destillat!
Ein Duft nach Salzmandeln und die Cognacs eigene florale Note umgaben einen Heidelbeer-Akkord, der dahinter feine Vanille und weniger Kokos durchschimmern ließ. In der zweiten Nase fanden sich dann auch helle Frucht-Akzente, die an „Golden Delicious“-Apfel erinnerten. Und ja, das war auch eine Brücke zum Eindruck im Mund bei diesem Rarissimum im Glas. Schokoladige und nussige Eindrücke meldete die Zunge, doch die haben viele Cognacs. Hier aber zeigte sich die Klasse an einem Bergamotte-Ton (!), etwas Rooibos-Tee und final wieder roten Früchten. Wie getrocknete Himbeeren, die man manchmal in der Patisserie als „Staub“ verwendet, schmeckt das letzte Teilchen dieses „Plume“. Großes Gaumen-Kino!
Im direkten Vergleich ist der „Paradis“ der noch schmeichelndere der beiden, der Duft erinnert an Hauszwetschken (frisch, kein Trockenobst!). Seine zart süße und klar fruchtige Art klingt sogar an Erdbeeren an – äußerst verführerisch ergänzen Kokoscreme-Töne den Geruch. Der Geschmack ist nicht weniger charmant. Gerbstoff an den Zähnen wird von einer hinten hinaus immer merkbareren, floralen Note bekränzt. Extra entschied man sich für „nur“ 40% vol. als Füllstärke, um diesen Geschmack nicht zu „überpowern“. Aktion gelungen! Rosenblätter und vor allem kandierte Veilchen geben dem „Paradis Extra“ seinen Konfekt-artigen Charakter. Zum Abschluss geizt der Cognac auch nicht mit Steinobst-Akkorden, die sich zu einem Fazit verdichten: Herrlich gelungen!
Für Whisky-Freunde gab es neben dem Einstieg auch einen würdigen Abschluss: Islay-Single Malt, 30 Jahre gereift. Hier weiß man, dass man viel erwarten darf. Aber vielleicht nicht genau was. Denn die phenolischen Noten nehmen im Alter ab; Rauchigkeit konzentriert sich also nicht, was man als Einsteiger in diese faszinierende Teildisziplin des Whisky-Trinkens wissen muss. Auch bei Laphroaigs „30 years“ sieht man dieses Phänomen sofort. Besser gesagt: man riecht es. Nämlich wenig Rauch. Und gar kein Heftpflaster wie etwa beim bekannten „10 years“.
Birne pur und zwar keine Kletzen, sondern frische Früchte, zeigt der 30 Jahre alte Laphroaig. Wobei man hier eher „jung“ schreiben sollte. Denn allenfalls der markante Islay-Smoke ist etwas sanfter geworden, ansonsten strahlen die Aromen: Röstige Haselnüsse, mit Luft auch Mandarine und Pfirsich sorgen für eine ungewöhnliche Nase.
Die feinste Rauchnote meldet auch der Gaumen; es ist eher Assam-Tee als Medizin, die so schmeckt. Die Zahnarzt-Charakteristik der Jugend hat hier dem Verlauf „from peat to sweet“ weichen müssen. Wieder sind Apfel und Birne, diesmal in gedörrter Form, die vorherrschenden Fruchtgeschmäcker. Sie lassen sich noch potenzieren, wenn man ein paar Tropfen zur 53%-igen Whisky-Rarität gibt. Dann denkt man beinahe an Apfelkompott. Die Gewürze gehen aber über in den nun unverkennbaren Rauch der Marke, der in einem langen Finish noch präsent bleibt – immer aber auch fruchtigen Charakter zeigt. Das war würdig und recht!
Bezugsquelle:
Frapin „Plume“ wird um EUR 2.990 (0,7 Liter-Flasche) gehandelt, der Hennessy „Paradis Extra“ um 1.399, Laphroaigs „30 years” wiederum kostet EUR 2.300, alle bei Del Fabro Kolarik, https://delfabrokolarik.at/