Seit langem kommt man um den Namen Raumland nicht herum, wenn man über deutschen Spitzensekt liest. Das Weingut in Rheinhessen machte Schluss mit restsüßen, gerne auf Riesling aufgebauten, Schaumweinen. Doch was soll man sagen: Wir hatten zwar schon den Schwiegersohn von Gründer Volker Raumland vorgestellt (hier nämlich), doch die Sekte wurden bisher noch nicht trinkprotokolliert. Schließlich war auch der Aufbruch in der österreichischen Schaumwein-Szene (Stichwort: Sekt-Pyramide) zu begleiten. Doch das ändert sich nun, denn just zum Jahreswechsel waren die Expertisen zu Raumlands 2019er Sekten gefragt.
Schon der Einstieg in die Schaumweine aus Flörsheim-Dalsheim ist spektakulär. Die technischen Parameter weisen für beide nach den Töchtern Katharina und Marie-Luise Raumland benannten Cuvées drei Jahre Hefelager auf. Der Unterschied liegt in den Rebsorten. „Cuvée Marie-Luise“ ist ein Blanc de Noirs, basierend auf 100% Pinot Noir-Trauben. Der Sektjahrgang 2019 meinte es etwa bei der Menge (minus 30% Erntemenge) nicht gut mit den Burgundersorten, dafür war der warme Spätsommer ideal. „Die Trauben hatten Gelegenheit, ihre volle Geschmackstiefe zu entwickeln. Die kleinen Beeren und ihre dicken Schalen brachten hervorragende Moste hervor“.
Dass man es mit dieser Aussage nicht mit dem üblichen Gerede von „bester Jahrgang ever“ zu tun hat, zeigt das Einschenken. Der wie üblich unfiltrierte Sekt hat ein bemerkenswert intensives Mousseux – da wären manche Bier neidisch! Vor allem aber steigt bei der „Cuvée Marie-Luise“ keine Säure in die Nase. Stattdessen liefern sie wunderbar frische und gelbfruchtige Duftnoten. Sofort denkt man an Orangen-Schale, aber auch eine noch hellere Note – sagen wir: nicht ganz reife Ananas. Das Mousseux verliert sich auch länger nicht; es zeigt sogar nach einer halben Stunde noch sein lebendiges Spiel am Gaumen.
Ein wenig Eisenkraut, auch feuchte Steine, vor allem aber immer auch Zitrusfrüchte umspannt der Geschmacksbogen. Besonders im Ausklang des betont trockenen Sekts aus Florsheim ist da wieder eine attraktive Grapefruit-Note. Herb, frisch und mit einer Qualität, die in einer fast aufmunternden Art und Weise belebt. Ein ausbalanciertes Sekt-Meisterstück, das ohne Süße auskommt, aber auch nicht am Gaumen raspelt, um nur ja den „zéro dosage“-Trend mitzumachen.
Bei der auf Pinot Meunier und Pinot Noir basierenden „Cuvée Katharina“ wiederum ist die Fruchtigkeit kaum zu glauben. Ganz klar und intensiv spannen Passionsfrucht, Golden Delicious-Apfel und Rote Williams-Birne den Duftbogen. Hefe-Töne muss man förmlich suchen. Auch die feine Kohlensäure wirkt am Gaumen wie bewußt zurückgenommen. Was nicht heißt, dass sie nicht beharrlich sprudelt; aber sie macht gerne der Entfaltung der Rebsorten Platz. Exotische Früchte und Steinobst des Meunier haben den Vortritt. Als Speisebegleitung der „Cuvée Katharina“ wäre Fisch mit Kapernsauce eine Idee. Denn der salzige Kontrast steht dem sonnig-fruchtigen Sekt gut.
Doch Raumland und Töchter haben auch einen „deutscheren“ Schaumwein im Portfolio. Er stammt aus dem Jahr 2020, doch der Frucht-Erhalt ist auch 100%-igen Riesling aus der „Tradition“-Linie ein Kellergeheimnis. Der Sekt duftet nach Vanille und Ananas, kaum ein Touch von Autolyse zeigt sich – wie schon bei der Cuvée Katharina zuvor. Hier regiert eben nicht das Brioche, sondern der Fruchtsaufstrich darauf! Dieser hat in jedem Fall Zitrusfrüchte (vor allem: Pink Grapefruit) gesehen. Dazu kommt allmählich auch der Weingartenpfirsich auf Touren, der im Blindtest wohl den Riesling verraten hätte.
Doch erst am Ende darf das Steinobst, diesmal mehr Marille, wieder aufzeigen. Davor reinigt eine feinperlige Kohlensäure den Gaumen, damit die Agrumen ganz klar erkannt werden können. Orange und Grapefruit agieren da in Form getrockneter Früchte. Vor allem mit mehr Luft gewinnt dann erneut der Pfirsich die Oberhand. Man stelle sich nur kurz vor, wie „lieb“ dieser Riesling-Schaumwein mit höherer Dosage geworden wäre. Denn dann schätzt man umso mehr, dass sich das Sektteam in Rheinhessen dagegen entschied. So kommt nämlich herrlich frischer Riesling-Ausdruck beim 2020er von Raumland ins Glas.
Bezugsquelle:
Sektgut Raumland, Cuvée Marie-Louise kostet wie die Cuvée Katharina 2019 auch EUR 25,-, für den Rieslingsekt „Tradition“ werden EUR 22.- berechnet – alle drei Schaumweine beim Handelshaus Pinard de Picard, www.pinard-de-picard.de