Knapp zehn Tage vor der Lese und kurz nach seinem Geburtstag ist Georg Prieler guter Laune. Zumindest wenn es um die weißen Trauben des Schützener Familienweinguts geht. Fährt man mit dem Traktor hoch zum Goldberg, merkt man nämlich, wie sehr die Sonne heuer der heißen Nordwestlage zugesetzt hat. „Wir haben das Glück den Ferrari und Lamborghini zugleich zu haben“, formuliert der Winzer in der Regel mit Blick auf die Rieden Goldberg und Marienthal (im nahen Rust ohne „h“ geschrieben) launig. Doch selbst der robuste, Jahrzente alte Kirschbaum am Goldberg lässt 2022 die Blätter hängen.
Die klimatische Bestandsaufnahme ist aber nur der Auftakt zur Präsentation der aktuellen Jahrgänge, die bei den Rotweinen nach drei Jahren vorgestellt werden. Und unter dem Titel „Der Geschmack des Kalkbodens“ gesellt sich in einem Zweier-Flight zum 2019er „Moaritoi“, wie es im Schützener Idiom klingt, der 2017er als Vergleich. Letzterer sollte von allen gesucht werden, die ein Herz für Nebbiolo haben. Denn dieses Finish zeigen nur die besten der österreichischen Rotweine. Reife, würzig unterspickte Sauerkirsch-Töne werden von einer pikanten Ton-Art begleitet, die an Rauchpaprika und Timut-Pfeffer erinnert. Auch etwas Schwarze Olive lässt sich in dieser an Cranberry und getrocknete Himbeere anklingenden Komplexitätsnase erkennen.
Vor allem aber hat der 2017er eine Textur, ein Mundgefühl, das wie pure Seide wirkt. Nichts eckt hier an, der Gaumen wird vielmehr von einer dosierten Fruchtigkeit – für uns vor allem Heidelbeere – geflutet, die mit dezenten pfeffrigen Highlights versehen ist. Die Raffinesse, mit der dieser „Marienthal“ endet, wird wie gesagt alle Pinot Noir- und Nebbiolo-Freunde bezaubern. Es ist ein ätherisches Verhauchen, anders kann man es kaum beschreiben, wie dieser Rotwein lange und doch ober-elegant ausklingt.
Der 2019er, um den es aber eigentlich geht bei der Jahrgangsverkostung, steht dem nicht nach, ist aber deutlich ein anderer Typus. Es ehrt Prieler, dass er trotz Größe und Reputation des Betriebs keinerlei Uniformität anstrebt. Das zeigt sich im Kleinen wie im Großen. Nach dem „Misch-Verhältnis“ seines Gemischten Satzes von den „Steinterrassen“ befragt, bleibt er diese lieber schuldig. Nicht wegen eines Betriebsgeheimnisses, sondern weil „jedes Jahr anders ausgedünnt werden muss“. Die vermeintlichen 25% bei Veltliner, Sauvignon blanc, Weißburgunder und Gelbem Muskateller können so auch 20 oder 30 % sein.
Ähnlich klar ist der Unterschied zwischen dem mit wenig Schwefel gefülltem „Haidsatz“, einem von Prielers vier (!) Pinot Blancs, aus den Jahrgängen 2016 und 2017. Die „Kapselpracker“-Reduktivität des jüngeren Weißen erinnert an Burgund, den Quitten-Duft und die offene, nahezu mostige, „Traubigkeit“ des 2016er lieben sicher alle Naturwein-Anhänger. Kaum würde man in einem Bild-Test beide einem Weingut zuschreiben. Und so darf auch der 2019er „Marienthal“ seine intensive Art ausleben – er wird im rotfruchtigen Duft auch von einer erdigen Würze begleitet. Sie erinnert an getrocknete Steinpilze und Schwarze Oliven und frischt vor allem auf, wenn man dem „Marienthal“ Luft gibt. Georg Prieler selbst vergleicht es mit Langpfeffer, auch das trifft diesen Duft gut.
Mit etwas Standzeit (die Flasche am besten am Vortag öffnen!) wird es auch am Gaumen dunkler im Geschmack. Die zarte Säure bringt ein Schwung Preiselbeeren ein, der ultrafeine Gerbstoff der Marke Assam-Tee ist überaus präsent. Und doch darf auch dieser Blaufränkisch nach 30 Monaten Reifung im Fass ganz die Sorte zeigen. Vom Holz wird man kaum eine Geschmacksnote ausmachen – und das ist gut so. Der Kalkboden der Lage meldet sich in einer feinen Salzigkeit im Finale, die zusammen mit der herben Note des Tannins im Abgang das leisten, was die Säure in der ersten Hälfte bravourös erledigte: Sie animieren zum Weitertrinken. Und das bereits in der Jugend des 2019ers!
Wo die Reise hingen kann, zeigt ein anderer Vergleich – listig wird ein Kostschluck des 2013er „Marienthal“ vorbereitet – am Weingut in Schützen: Der 2019 kommt stilistisch nach diesem Jahrgang; trotz der höheren Reife des betagteren Blaufränkers ist der erdig-würzige Zug als Familienähnlichkeit nicht zu übersehen. 2013 schwenkt mit seiner pilzigen „Umami“-Note vielleicht nur mehr in Richtung Trüffel. Doch auch der Gerbstoff ist ähnlich prägnant. Schräger Weise zeigt dieser reife Jahrgang noch gleich viel, wenn nicht mehr, Tannin im Finale als der 2019er. Ein gutes Indiz, dass auch das Lagerpotential des aktuellen Prieler-Flaggschiffs in die gleiche Richtung tendiert.
Bezugsquelle:
Weingut Prieler, Blaufränkisch „Ried Marienthal“ 2019 kostet EUR 59 ab Hof bzw. im Webshop des Weinguts, www.prieler.at