Manchmal sind die Wege zum Wein schon lustig. In diesem Fall führten sie über die famosen Graphik-Jungs vom HFA Studio zu einem neuen Projekt, das sie für eine Carnuntumer Winzerin umsetzten. Hanna Glatzer stammt aus einem der bekanntesten Weingüter der blau-gelben Rotwein-Region. Und macht neben Papa Walter Glatzer hier doch ihr ganz eigenes Ding. Das zunächst einmal den Philatelisten in uns freut, denn die Etiketten sind Briefmarken, das technische Etikett stellt eine Postkarte dar. Und zwar so schön und erfrischend, dass der Creativ Club Austria (für Werber nur: CCA) gleich Silber für die beste Verpackung vergeben hat.
Jetzt ist die Verpackung gelungen, aber oft schaut das ja so aus: Toll aufgemotzt, aber halt doch nur mediokrer Wein in der Flasche. In diesem Fall entspricht der Inhalt aber vielfach dem frechen Zugang. Denn immerhin mag man den Auftritt auch verbal so. Zitieren wir mal einfach die Winzerin: „„Hanna schaukelt Gläser und Trauben. Sie balanciert, liest, singt und lacht. Doch wenn es an die Arbeit geht, macht Hanna keine Kompromisse. Nichts geht über ihren Wein, außer sie selber. Weil die Trauben macht die Hanna selber platt. Wer den Wein trinkt, schmeckt, dass sie das gerne macht“. Das ist mal eine andere Wein-Sprache! Und den konservativen Beschreibungsteil der Weinschönheiten liefern eh wir nach.
Es beginnt mit dem 2021er Welschriesling, der seine Trübung wie einen gelbstichigen Nebelhauch trägt. Das leichte Gerbstoff-Bitterl – für uns an Apfelschale und Nusshaut erinnernd – überrascht daher nicht. Ebenfalls im Duft finden sich frischer Germteig und etwas Zwergmandarine mit viel Schale. Im Mund mit guter Struktur sowie einem richtigen „Grip“ am Gaumen, der Grapefruit und auch Salz mitbringt. Erneut ist der Tannin-Biss spürbar, aber nie zu viel. Da wären die süßen Garnelen, gerne auch roh, ein herrliches Match, richten wir mal der Küche aus.
Ob man die Weine jetzt in die Schublade „Naturwein“ stecken muss, sei dahingestellt, eigentlich sind sie dafür zu groß. Oder besser gesagt, die nutzen die Techniken wie Maischegärung und Ganztrauben, wissen aber auch, wann es genug ist. Also nicht von der ungewohnten Trübung der unfiltrierten Glatzer-Newbies täuschen lassen. Das zeigt vor allem der Traminer. Dieser 2021er zeigt eine attraktive Zwiebelschalen-Farbe, die Sorte ist klar kenntlich beim ersten Schnuppern. Hier haben wir Süßholz und natürlich viel Rosenblätter am Werk. Sesam und Hagebutten-Gelée leiten den Geschmack ein, der Druck der Rose nimmt aber an Fahrt auf. Sehrt geschmeidig und genau richtig dosiert vom Gerbstoff her! Final ergänzt ein Quäntchen rosa Pfeffer einen fast schon speckigen Charakter.
Klarerweise kommen aus Göttlesbrunn auch rote Abfüllungen, den Übergang markiert ein Rosé von Hanna Glatzer. Trübes Rostrot und eine Nase nach herb unterlegten Himbeeren legen einmal vor. Etwas edelsüßer Paprika sorgt für die würzige Seite im Bouquet. Am Gaumen zeigt sich dann ein ähnliches Bild: Säurige Töne und viel Würze, dabei wenig Frucht (und vor allem: gar keine Süße!) bringen ordentlich Trinkanimo mit. Und final wird der Glatzer-Rosé glatt noch pikant.
Das lässt sich aber locker toppen – mit dem vielleicht spannendsten Wein des Ansichtskarten-Quintetts. Der 2020er Pinot Noir weist nämlich eine schlich grandiose Würze auf: In roten Saft getunkte Sesamkörner legen eine rauchige Note vor, die an Kirschfrucht und Lapsang Souchong-Tee erinnert. Dem Sesam-Goldfischli-Duft entspricht am Gaumen eine zwar ebenfalls röstige Art, doch die Frucht kommt immer deutlicher durch. Quatschige, hochreife Erdbeeren, dazu auch Hibiskus, ja und ganz weit entfernt scheint auch jemand eine schwarze Johannisbeere vorbeigetragen zu haben. Und im Hintergrund flirrt weiter die röstige Haselnuss. Ziemlich unique und doch ist man der Sorte (inkl. „Stinkerl“) recht treu geblieben!
Das größte Lob für den 2020er Pinot stellt es vielleicht dar, wie schwer sich der Cabernet Sauvignon des gleichen Jahres daneben tut, auf ähnliches Würzelevel zu kommen. Auch er ist anfangs noch röstig im Duft und mit einem Quäntchen an Haselnuss versehen. Dahinter aber hat sich die dunkle Beerenfrucht behaglich eingerichtet: Maulbeere, Heidelbeere und ein klarer, mineralischer Zug, der ein wenig Natron an die Nase trägt, stehen zu Buche. Aber keine Sorge; die paprizierte Art kommt im Mund praktisch sofort durch und würzt eine Mischung aus Sauerkirschen und Erdbeeren. Der Nerv vibriert hier von A bis Z, wobei die Rauchpaprika-Tönung auffällt. Mit ihr bietet sich das ideale Match von selbst an. Lammragout macht einfach Freude zu diesem Cabernet! Falls Sie einem Koch eine Postkarte schreiben wollen: Das könnte man locker draufschreiben!
Bezugsquelle:
Hanna Glatzer, Welschriesling 2021 ist um EUR 12,50 erhältlich, der Traminer 2020 kostet EUR 17,50, für den Rosé 2021 sind es EUR 13,50, während der Pinot Noir 2020 mit EUR 16,50 und der Cabernet Sauvignon 2020 mit EUR 19,50 zu Buche schlagen; alle ab Hof bzw. im Webshop der Winzerin, www.weingutglatzer.at