Lässig wie auf unserem Bild standen die drei südsteirischen Wein-Musketiere in der Tür des Wiener Gasthauses Reznicek. Vier Weine hatten Erich Polz jun., Alexander Sattler und Armin Tement nach Lichtental mitgebracht, um so den „Grassnitzberg-Diskurs“ in der Hauptstadt zu befeuern. Was eine Lage ausmacht, wird aktuell nämlich in der Steiermark heftig diskutiert. Das Trio, soviel sei gesagt, hat dazu einen eigenen Zugang. Denn am historischen Grassnitzberg, dem eigentlichen Hügel, befindet sich keiner ihrer Weingärten. Und es ist nur ein Beispiel unter vielen, was passiert, wenn keine „weinbaulichen Sinneinheiten“ (dieses © gebührt Erich Polz), sondern Katastralgemeinden, also letztlich polit-geographische Entitäten, den Namen einer Lage vorgeben.
Doch die breite Diskussion dazu ist Funktionären vorbehalten, zu denen das Trio im neuen steirischen Weinkomittee teilweise auch gehört. Den Trinkprotokollanten interessiert naturgemäß stets der Flascheninhalt. Und der reichte von den jüngsten Ortsweinen aus Ehrenhausen und Gamlitz über 2019er bis zu einem grandiosen 2007er Grassnitzberg des Weinguts Tement, zu dem man nur sagen kann: Immer noch jugendlich und bei allen breiten Schultern (Reisauflauf mit Kruste und Maracuja) ein Vergnügen, das zum Glück im Magnum-Format vorlag. Wegen dem Nachkosten wär’s!
Fortissimo mit Papaya: Polz‘ Grassnitzberg „Licht“ 2020
Doch zurück zu den aktuelleren Grassnitzbergern, die von den jungen Winzern teils unter neuen Namen gefüllt würden, so man sie denn lässt. Der Vorschlag von Erich Polz jun., seinen Teil am Grassnitzberg „Licht“ zu nennen, korreliert mit der Abendsonne, die in der Westlage ausgeprägt ist. Und sie ließ sich auch nachschmecken, als er den Jahrgang 2019 des Sauvignon Blancs einschenkte, der im „Licht“ wächst. Wie Bananenmilch duftet es aus dem Glas, man muss ordentlich Luft zu diesem Wein lassen, damit auch die Sesam-Würze hinter der exotischen Frucht ruchbar wird. Denn neben der gelben Frucht aus den Tropen macht sich auch eine Kumquat-Note breit. Was dieser Grassnitzberg 2019 ist, definiert sich vor allem ex negativo: Keinesfalls grün, grasig und kräuterwürzig. Denn auch am Gaumen spielt es ein „Fortissimo“, wie Dirigent Polz vielleicht in der Partitur dieses Sauvignons anmerken würde. Der etwas herbe Beginn, der in seiner bitter-würzigen Art und Nachdrücklichkeit an Tonic Water erinnert, weicht am mittleren Gaumen schnell einer überaus saftigen Art. Im Geschmack klingt das an Pfirsich und auch Papaya an, schön vor der ersten Reife, denn auch zarte Säure und – ganz hinten erst bei diesem „Jüngling“ – ein feiner Grüner Pfeffer assistieren dem exotischen Kern des „Lichts“ alias Grassnitzberg.
Alexander Sattlers Neubenamsung der Lage ist am nähesten an einer historischen Bezeichnung, denn die Grassnitzburg als altes Gebäude, um das sich die Sauvignon-Reben gruppieren, ist nun wirklich unübersehbar. Doch von den Weinen vom Sattlerhof gefiel uns der Ortswein „Gamlitz“ 2020 so gut, dass wir ihn hier vorstellen wollen. Er weist die seltene Qualitätsstufe „das will man kosten!“ in der Nase auf. Was an einer extrem schönen Rauch-Note liegt, der aber auch der cremig-verführerische Duft eines Mango-Lassis folgt. Und wer noch zweifelt, dass es hier tropenfruchtig wird im Kostglas, dem signalisiert das Hirn, dass es auch gedämpfte Passionsfrucht wahrgenommen hat.
Witzig wird es beim ersten Schluck des Sauvignon Blancs, der sich weigert, einfach banal diese Duftnoten in Geschmack zu übersetzen. Stattdessen beginnt lediglich der mineralische Part, dem sich der Asche-Duft verdankte, eine würzige Grundierung zu legen, ehe es engmaschig wird. Ein Potpourri an Zitrusnoten (offenbar waren auch kalkige Parzellen im Spiel?!) vereint sich mit einer noch jugendlichen Säurestruktur zum Gesamteindruck „Feine Klinge“. Dazu trägt auch der überaus trinkanimierende Zug des „Gamlitz“ bei.
Maracuja wie ein IPA: Tements „Ehrenhausen“ 2020
Und wo wir bei den Ortsweinen sind, sei auch Armin Tements „Ehrenhausen“ gewürdigt. Erstens weil er richtig gut ist, zweitens weil der Preis – oft diskutiert bei den südsteirischen Weißweinen – hier passt und drittens, weil Tement einer der massiven Befürworter des neuen und noch immer ein wenig erklärungsbedürftigen Konzepts DAC-Ortswein ist. Was zu regelmäßigen Diskussionen führt; in diesem Fall erschöpfte sich unser Part aber auf eifriges Schreiben und gefälligen Nicken. Denn der „Ehrenhausen“ wird erst in wenigen Wochen gefüllt und zeigte sich einfach jetzt schon duftig wie nur: Maracuja und saftige Bitterorangen kommen ebenso wie ein feiner Rauch-Ton sofort durch. Zitruszesten am Gaumen bringen mit ihrem Geschmack auch den Boden – puren Korallenkalk aus dem prähistorischen Urmeer – zur Geltung. „Was wir an Trauben für den „Ehrenhausen“ verwenden, kommt von einem kalkigen Plateau“, so Tement, „nicht von den Steillagen.
Im Mund denkt man angesichts der Frische und einem zart herben Ton kurzfristig, dass ein „India Pale Ale“ im Glas ist und nicht der neue Ortswein. Doch es ist nur der erste Eindruck, ehe wieder Maracuja und Orange einsetzen. Dass sich auch die Säure jetzt zu Wort meldet, ja auch das letzte Wort behält, sorgt dafür, dass der „Ehrenhausen“ 2020 noch lange nachklingt. Die besonders feine Zitrusaromatik stellt aber zugleich die Garantie für eine verhältnismäßig langes Leben dieses Ortsweines dar. „Kalk-geprägte, knorrige Anmutung“ nennt es der Winzer. Und zumindest bei dieser Nomenklatur gibt es überhaupt keinen Widerspruch. Beim „Riff“, seinem Namensvorschlag für die Riede formerly known as Grassnitzberg, wird man das erst sehen. Bis dahin trinken wir einfach Ortswein!
Bezugsquelle:
Weingut Polz, Sauvignon Blanc „Ried Grassnitzberg“ 2019 kostet EUR 27,50 ab Hof sowie im Webshop, https://shop.weingutpolz.at
Sattlerhof, Sauvignon Blanc „Gamlitz“ 2020 ist um EUR 16,90 ab Hof bzw. im Online-store zu haben, www.sattlerhof.at
Weingut Tement, Sauvignon Blanc „Ehrenhausen Korallenkalk“ 2020 sollte ab Anfang Juli 2022 um rd. 18 Euro ab Hof bzw. im Webshop erhältlich sein, www.tement.at/shop/