Es ist quasi das Tixo unter den Bieren. Keine Sorge, das Pilsner Urquell verklebt keine Mägen, aber es ist ebenso zu einer „generischen“ Marke geworden, wie das die Wirtschaftsuni-Pflichtliteratur nennen würde, wie das Klebeband (oder Wettex). Ein einzelnes Produkt wird zum Synonym, prägt eine eigene Produktkategorie. So verwandelte sich der Stadtname seit 1842 langsam zum Label für klare, untergärige Vollbiere. Pilsner eben. Das Original, so bemüht man sich in der Brauerei im westtschechischen Plzeň zu beweisen, schmeckt weitgehend so wie zur Erfindung dieses Rezepts durch den Bayern Josef Groll, vor mehr als 170 Jahren.
Zumindest persönliche Evidenz kann man an der Erzeugungsstätte in der „U Prazdroje 7“ nachweisen: Chefbraumeister Václav Berka ist seit 33 Jahren im Unternehmen. Zweifelt jemand an der unveränderten Brauart, beruft er sich einfach auf seinen 86-jährigen Vater, einen pensionierten „Pilsner“-Mitarbeiter: „Der trinkt es seit 70 Jahren und so lange zumindest schmeckt das Urquell immer gleich“. Dazu kommt ein Schweizer Analyse-Zertifkat aus dem Jahre 1895, das bis auf die Nachkommastelle dem heutigen Rezept entsprechen soll.
Dies verdankt man auch der Tatsache, dass man die Tschechen weiter gutes Bier brauen ließ, als die Nummer 2 des Weltmarktes, die südafrikanische SABMiller-Gruppe, die Traditionsbrauerei 1999 aufkaufte. Im Gegenteil, die Vermarktung integriert den urtümlichen Geschmack clever in Events und der Gastronomie. Wirte, die wie das Grazer „Propeller“ oder der Wiener Biergarten Zattl auf der Freyung nah genug zu Tschechien liegen, werden auf Wunsch mit Tankbier versorgt. Jene in Österreich noch an einer Hand abzählbaren Lokale erhalten dazu die in Tschechien allgegenwärtigen Metallzylinder, die dank Kühlung und Eigendruck keinen Sauerstoffkontakt beim Zapfen haben. Somit kommt das Bier immer unverfälscht und fast wie direkt vom Brauer ins Glas.
Getoppt wird das nur noch vom Erlebnis des Fassbieres selbst. Dazu allerdings steht eine Tschechienreise an; denn neben den beiden Gaststätten, die seit Menschengedenken in Plzeň 25-Liter-Fässer beziehen, schenkt nur die Brauerei selbst das unfiltrierte „Urquell“ aus. Im Idealfall kostet man es direkt in den Labyrinth-artigen Gängen unter der 42 Hektar großen Plzeňský Prazdroj, wie die Brauerei auf Tschechisch heißt. Entspannter kostet man oberirdisch, wenn Pavel, der täglich die Qualitätskontrolle der am Vortag gebrauten Charge durchführt, einschenkt. Dank des leicht süßlichen Malzes verträgt das Bier bekanntlich etwas mehr Bitterkeit, die der Rothopfen aus dem 80 Kilometer entferntem Zatec (zu Monarchie-Zeiten: Saaz) liefert. Bei der unfiltrierten Variante kommt zu der Balance zwischen leichter Süße und der Bittere – für Brauer ist die „Bittere“ weiblich – noch der Charakter der Hefe dazu.
Im Duft macht sich dies mit einer Mischung aus Germteig und Trockenfrüchten bemerkbar, im ehesten mit einem Panettone zu vergleichen. Am Gaumen hingegen kommt es nach dem frischen Antrunk zu einem sehr satten Mundgefühl, ehe im Finish der Hopfen mit seiner Bitterkeit das Spektrum abschließt. Der runde Geschmack, zart karamellig wie einst das Stollwerck, unterscheidet die lokale Variante am deutlichsten vom insgesamt erfrischenderen filtrierten Pilsner. Wer es nicht nach Tschechien schafft, sollte Ausschau nach den raren „Barrel-Events“ halten. Dann werden auch im Ausland Pilsner-Fässer mit dem Urquell in seiner Ur-Form angeschlagen.
Bezugsquelle:
Pilsner Urquell gibt es – in der filtrierten Version – u. a. um einen Richtpreis von 5,49 Euro (Sixpack) bei Interspar, Eurospar, Billa, Merkur, Zielpunkt und M-Preis.