„Ich war Kellnerin“, trägt Maggie Harrison das Herz auf der Zunge. Acht Jahre in der ikonischen Winery von Manfred Krankl („Sine Qua Non“) haben die New Yorkerin aber endgültig zur Winzerin werden lassen. „Diese Labels habe ich händisch aufgeklebt“, lacht sie angesichts der leeren Krankl-Flaschen im Keller des Palais Coburg. Heute sind es ihre eigenen, nicht minder kunstvollen Etiketten, die sie auf den Weinen aus Oregon anbringt. Den antiken Mechanismus von Antikythera auf einem Pinot Noir zu finden, erlebt man nicht alle Tage. Und so ist die Spannung – New Yorker Witz trifft auf ein Faible für die Antike – für die Verkostung der Antica terra-Weine einmal aufgebaut.
Bereits der erste Wein zeigt die Finesse der Oregoner Pinots. Es handelt sich um den 2015er „Ceras“ aus dem Willamette Valley. Führt man das Glas zur Nase, vollführt man gleichsam einen Sprung über eine Klippe: Auf die von Graphit und Schiefer geprägte Geländestufe folgt das Eintauchen in eine klare Pinot-Frucht. Das Beeren-Pürée, mehr Brombeere als Himbeere im Fall des „Ceras“ 2015, wird von Cola-Nuss und auch etwas Kalmuswurzel begleitet. Kühl im Beginn, kommt am Gaumen eine unreife Erdbeere durch, die aber ab der ersten Sekunde auch würzige Begleiter aufweist.
Während man sich im Mittelteil dem aromatischen Minimum nähert, explodiert aus dieser Finesse heraus förmlich das Finish. Dann gibt es volle Beerenfrucht, aber auch einen würzigen Ausklang, in dem wir Schwarzen Pfeffer und Grüne Oliven (vor allem im Rückgeschmack) entdeckten. Hohe Eleganz und ein herrlich leichtfüßiger Burgunder, auf dem wohl durch einen Irrtum 14% Alkohol am Etikett stehen.
Oregoner Schrumpfbeere: Der „Antikthera“ 2014
Noch eigenwilliger in seiner Aromatik fällt jener Wein aus, „dessen Weingarten eine eigene klare Stimme besitzt“, wie es die Winemakerin formuliert. In der Tat bringt der „Antikythera“ 2014 Noten mit, die wir so noch nie bei einem Pinot Noir geschmeckt haben. Es sind besonders kleinwüchsige Rebstöcke („auch nach 30 Jahren kann ich sei mit Daumen und Zeigefinger umfassen“), die auch unüblich kleine Beeren tragen. Das Ergebnis der Oregoner Schrumpfbeeren ist jedenfalls außergewöhnlich: Hell und sortentypisch fällt der rotfruchtige Duft nach Ribisln, Erdbeeren und etwas Waldboden sowie getrockneten Steinpilzen aus.
Die Überraschung versteckt sich im saftigen Kostschluck, in dem man nach den Beeren-Noten länger suchen kann. Dafür sind da Orangenblüten und -zesten. Die Einbildung? Nein, denn auch zarte Pfirsichschale und etwas Mandarine kommt da auf den Gaumen. Kühl trotz seiner 13,8% Alkohol, wirkt dieser Pinot wie von einem anderen Stern. Wer immer noch an die Mär von den marmeladigen US-Roten glaubt, sollte einmal von diesen zitrusfruchtigen Schrumpfbeeren aus den Amity Hills kosten!
Die Gegenposition bringt jener Wein mit, den Maggie Harrison bewusst als Angebot an Restaurants weltweit sieht, die Antica Terra-Weine zu listen, auch wenn sie sich den ätherischen und raren „Antikythera“ nicht leisten wollen. Der Pinot Noir „Coriolis“ stammt ebenfalls aus dem Jahrgang 2014, allerdings wieder aus dem Willamette Valley. Er bringt in seinem zart rauchigen Geruch neben Sauerkirsche und Assam-Tee auch eine blumige Note mit, die an Geranien erinnert. Am Gaumen hat er das ausgeprägteste Tannin von allen Weinen bisher, der Gerbstoff setzt gleichzeitig mit der ausgeprägten Frucht (kühle Erdbeere) ein. Etwas Milchschokolade und Piment sorgen für einen cremigen Abschluss, der von der fruchtsüßen Beerenmischung im Rückgeschmack unterstützt wird.
Und wo wir gerade bei den 2014ern sind, soll auch der Syrah nicht fehlen, den Harrison in Kalifornien erzeugt. Unter dem Markennamen „Lillian“ kommen hier von den Weinbergen White Hawk (bei Los Alamos) und Bien Nacido (Santa Maria Valley) Trauben für jene Syrahs, die sie nicht von ungefähr unter dem Etikett mit einer Feder ausbaut. Der 2013er Lillian zeigte sich deutlich holz-geprägter als 2014 – bei nahezu gleichem Ausbau sei die Tannin-Struktur unterschiedlich gewesen, so Harrison. Weichselsaft und schwarze Nüsse kommen in diesem extraktreichen Kalifornier durch, der mit 14,5% Alkohol auch einiges Schmalz mitbringt. Am Gaumen wirkt er allerdings unmittelbar würziger, Braune Senfkörner mischen die Schlehen-Aromatik (rote Frucht und Gerbstoff) auf. Die zart herbe Art mit den Einsprengseln von Bitterschoko und Balsamico-Zwiebeln klingt lange nach. Das Tannin am Ende zeigt an, dass hier allemal die erste Trinkreife ansteht.
Wer es stoffiger liebt bei den Rotweinen, sollte hier – oder beim zweiten 2013er, dem Syrah „Gold Series No. 3“ – zugreifen. Für alle anderen bleibt unterm Strich eine neue Burgunder-Empfehlung aus Oregon übrig.
Bezugsquelle:
Antica Terra, Pinot Noir „Coriolis“ 2014 kostet EUR 49,90, der Pinot Noir „Ceras“ 2015 ist um EUR erhältlich und der Pinot Noir „Antikythera“ 2014 um EUR 145.
Lillian, Syrah 2014 ist um EUR 79,90 erhältlich; alle Weine bei Kracher Fine Wine, www.finewineshop.com