Zwei Mal jährlich verschickt der Schweizer Schnaps-Brenner Lorenz Humbel seine Verkost-Sets. Drei Neuheiten gab es im Frühling 2020, auch wenn in diesem verrückten Jahr schon Sommer im Kalender ist. Und aktuell nur dort. Denn wir gießen die Destillate bei Regen ein. Doch das Wetter ist schnell vergessen, wenn man die liebevollen Notizen des Schweizer Brenners zu seinem neuen Import liest. Denn Humbel brennt nicht nur weit mehr als seine berühmten „Kirschlis“ – er sieht sich auch gerne bei den Kollegen um. In diesem Fall schlug er bei einem Pastis zu, der im alten Stil ohne Färbung und künstliche Aromen bei Artez erzeugt wird. Und der Anis-Apéro „à l’ancienne“ beamt uns in der Sekunde ans Meer. Nicht an die Adria, ans richtige.
Denn der „L’Artémise“, wie der Pastis mit dem Art déco-Etikett heißt, entsteht eine gute Autostunde von unserem alten Urlaubsdomizil an der Atlantik-Küste entfernt. Während die Surfer in Hossegor und Biarritz die Strände unsicher machen, destilliert man quer durch „les Landes“ am anderen Ende des Départements in Arthez nämlich nicht nur Armagnac. Die Gegend ist nicht nur für die Dünen am Stand von Vieux-Boucau (da residierten wir bei Monsieur Labeque, bis der im September das Hotel „Marinero“ dicht machte) bekannt; auch der Wein steht teils auf recht sandigem Grund. Der wilde Sand („sables fauves“) gibt auch den Bränden aus dem Bas-Armagnac sein Gepräge.
Doch diesfalls geht es um keine Weinberge, sondern gesammelte Kräuter. Ein Dutzend davon geben dem Pastis der Brennerei Artez den Charakter – unverkennbar ist im Duft die Pfefferminze. Sie legt sich mit dem Anis in die Löffelchen-Stellung und lässt ihn nicht mehr los. Allenfalls frischen Lorbeer und etwas Grünen Kardamom erschnuppert man noch im expressiven, Kräuter-geführten Duft.
Der Kostschluck eröffnet ebenfalls mit einem kräutrigen Potpourri, in dem man auch noch Grüne Oliven entdecken könnte. Explosiv schiebt dann aber die Süße nach; sie erinnert an Lakritz und auch Süßholz, das sie im Maghreb gern gegen Zahnschmerzen kauen. Die Süße lässt sich wie ein Zuckerl im Mund hin und her schieben und verleiht dem mit 45% Alk. gefüllten „L’Artémise“ eine sommerlich-charmante Note. Vor allem aber verlängert sie die Aromatik, ohne die volle Anis-Dröhnung anderer Pastis‘ mitzubringen. Mit Wasser ergibt das ein Glas voller französischer Erinnerungen.
Und auch der zweite Neuzugang im „Degu-Set“ Lorenz Humbels entführt in südlichere Gefilde. Das Segelschiff für den Trip nach Südamerika bringt der „Ron de Marinero“ praktischer Weise gleich selbst am Etikett mit. Dabei ist der Rum auch ein Kind der Schweiz, denn nur die Melasse kommt aus Paraguay. Allerdings ist sie nicht nur bio-zertifiziert; die Brenner in Stetten zahlen auch den fairen Preis dafür, signalisiert das zweite Label („Fairtrade“) auf der Rum-Buddel. Der Duft legt gewaltig vor: Braune Birne, aber auch Banane lassen zeitweilig an den jamaikanischen „high ester“-Brennstil denken. Zumal da auch noch Limettenschale, Pfirsich und karamellisierte Ananas von der Nase gemeldet werden. Kurz gesagt: Das will man einfach kosten!
Witziger Weise startet der mit 40% recht milde Rum ganz anders: Schlank und mit einem mittleren Körper, lässt er anfangs eher an Edelbrand denken. Die Dörrzwetschken am Gaumen tun ein Übriges, diesen Eindruck zu verstärken. Reiner „Nasen-Rum“ ist der laut Hersteller „mit Melasse verfeinerte“ (wohl zur Farbgebung) „Marinero“ aber keiner. Für sommerliche Longdrinks, speziell Highballs mit Cola oder Soda, aber auch für einen „Old Cuban“ mit Schampus als Filler, hat er seine Meriten. Zumal er im Finish noch eins drauflegt: Rosine und Karamell-Bonbon bilden die Nachhut. Und lassen vom nächsten Karibik-Trip träumen. Danke, Flüssig-Reisebüro Humbel!
Bezugsquellen:
Humbel, Pastis „L’Artémise“ kostet ca. EUR 40,50, bei der Destillerie Humbel bzw. im Webshop (E-Lädeli), https://shop.humbel.ch
Der „Ron de Marinero“ ist auch um EUR 25 (0,7 Liter-Flasche) bei Thomas Reichs Spezial-Versand „BioWeinReich“ zu haben, www.bioweinreich.com