Für viele, die erst die jüngere Geschichte der Vereinigung Pannobile kennen, stehen diese neun Winzer für lässige Weine. Dass es im Hintergrund eine Wein-Marke gibt, die seit 1994 für ein klares (Rotwein-)Profil steht, ist eher Nebensache. Denn ihre frechen Etiketten haben eine ganz neue Klientel bis ins ferne Australien erreicht. Man denke etwa an Claus Preisingers „Puszta Libre“, Andreas Gsellmanns Pétillant Naturel namens „OMG“ oder Judith Becks „Bambule“-Reihe (siehe auch Teil 2 unserer Pannobile-Files). Für die konservativen Bordeaux-Sammler sind derlei Abfüllungen nichts. Da firmiert die „minimal interventionelle“ Art der Winzer schon einmal pauschal unter „die orgen Weine“.
Die biodynamische Wirtschaftsweise – bei acht der neun Betriebe bereits geübt – und ein generell unorthodoxer Zugang haben aber in der tendenziell Struktur-konservativen Region viel bewegt. Weshalb wir uns dem „Orgen“, das sich in der Jubiläumskost im Wiener Tian fand, gesondert widmen. Denn die Kenner im Raum freuten sich richtiggehend, als sie die markante Tonflasche der „Grauen Freyheit“ sahen. Gernot Heinrichs vom Grauburgunder dominierte Cuvée enthält auch Chardonnay und Weißburgunder aus Jois und Winden.
Mit dem Jahrgang 2022 dieses wie ein trüber Rosé wirkenden Weines, der sich den Etikettierungen entzieht, kam ein Mix aus Rosenblättern und zerdrückten Erdbeeren ins Glas. Dem anheimelnden Duft entspricht dann ein Geschmack, der ebenfalls rote Beerenfrucht mit einem kühleren Element verbindet. Die Schieferwürze und die Farbe des Grauburgunders vom Joiser Edelgraben darf man hierfür verantwortlich machen. Himbeere, fast schon ein Sorbetto mit Pink Grapefruit und Zitrone in der kühlen Art, umspielt den Gaumen. Ehe sich die breiteren Anlagen im Finale zu einem burgundischen Schmelz vereinen. Ein nussiger Nachhallt erinnert uns daran, dass auch ein Alzerl Neuburger in dieser Cuvée Heinrichs verarbeitet wurde.
Ebenfalls mit dem Grauburgunder haben sich Stefanie und Georg Renner beschäftigt. Allerdings ist er nicht der Namensgeber ihres 2022er „Gewürz“, sondern der Verschnittpartner Traminer. Der macht mit 60% auch den Löwenanteil dieser Duftbombe aus, die den Gewürztraminer nach viertägiger Gärung der ganzen Trauben auch nicht verleugnen könnte: Anfangs ist es noch der tropische Duft von Papaya-Würferln, der der Nase schmeichelt, doch dann kommt die sortentypische Rose bei diesem Wein der rennersistas durch. Begleitet wird sie von Hagebutten. Sie finden sich als zarter herber Geschmack auch am Gaumen wieder. Doch der Übertitel „spicy stuff“ stimmt bei diesem 2022er. Die Hefe-Töne der Spontangärung wirken wie ein mit Kräutern und Olivenöl durchsetzter Pizza-Teig. Und schaffen so ein Gegengewicht zu den floralen und rotfruchtigen Eindrücken dieser Cuvée.
Ein Musterbeispiel für alternative Weinbereitung stellte auch der „Mash Pitt“ 2014 von Gerhard Pittnauer dar. Die weiße Cuvée (u.a. mit Chardonnay und Grünem Veltliner vinifiziert) erfuhr eine Maischegärung mit ganzen Trauben und wurde naturtrüb abgefüllt. Hat man diesen Wein im Glas, versteht man, warum sich das Synonym „Orange Wine“ eingebürgert hat!
In der Nase setzt sich das mit dem „Orange“ fort, könnte man witzeln. Denn neben Bockshornklee-Samen und gekochter Pastinake sind es Schale und Fruchtfleisch von Jaffa-Orangen, die man riecht. Mit etwas Luft dann auch Hagebutten-Gelée. Saftig und sauber, lediglich von einer leichten Hefe-Note begleitet, legt sich der „Mash Pitt“ auf den Gaumen. Erneut sind da Hagebutte und Sanddorn zu schmecken, die Fruchtigkeit dieser herben Vertreter überdeckt beinahe den leicht salzigen Touch. Er ist es aber, der dieses hohe Trinkanimo zumindest mit-befeuert. Denn dieser Wein von Pittnauer ist zwar gänzlich anders als ein spritziger Veltliner, bringt aber ebenfalls einen gewaltigen Zug mit. Ein Durstwein – vin de soif – wie der Franzose sagen würde. Nur halt ein „orger“!
Bezugsquellen:
Gernot Heinrich, Cuvée „Graue Freyheit“ 2022 ist um EUR 29,- ab Hof bzw. im Online-Shop des Golsers zu haben, https://heinrich-gernotundheike.jimdo.com
Rennersistas, Cuvée „Gewürz“ 2022 kostet EUR 20,- ab Hof bzw. im Webshop des Weinguts, https://shop.rennerundsistas.at
Gerhard Pittnauer, „Mash Pitt“ 2014 ist nur mehr am Sekundärmarkt in Einzelflaschen zu finden, Jg. 2015 führt man um EUR 19,20 im Weinskandal-Shop, https://weinskandal.at