Wir haben es zu Beginn der Pannobile-Trinkprotokolle anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Winzervereinigung aus Gols (hier) angedeutet: Die neun Betriebe haben es nicht so mit Nostalgie, vor allem nicht mit dem Austro-Mantra „des wor scho immer so“. Vorausblickend bei der Gründung, wollen sie auch heute Vordenker sein. Und so wurde auch die Überschrift „Zukunfts-Weintasting“ gewählt. Was im heißesten Weinbau-Gebiet des Landes vor allem bedeutet, die Rotweine „klimafit“ zu machen. Dass es nicht der Zweigelt sein wird, sondern der Blaufränkisch, dem die Zukunft im Klimawandel gehört, wurde deutlich angesprochen: „Er kommt mit der Hitze gut zurecht“, attestierte dem „BF“ Stefanie Renner. Und auch Gernot Heinrich hat nicht aus Jux und Tollerei sechs Hektar Zweigelt gerodet. Am gegenwärtig schwer verkäuflichen Rotwein-See, über den man hinter vorgehaltener Hand spricht, macht erhöht der Zweigelt maßgeblich die Pegelhöhe aus.
Dass sich ein anderer Stil – lange Maischedauer, aber kühle Vergärung – durchaus sehen lassen kann, zeigte Paul Achs (kl. Bild rechts) mit seinem 2022er. Kühle Kirsch-Noten und „Earl Grey“ assoziiert man eher selten mit der Rebsorte. Doch in der Jubiläumskost blieb er ein Solitär. Und auch unter den Weinen von Achs war er klar Zweiter. Denn der „Altenberg“ des Jahrgangs 2016 war eine wahrlich „singende“ Flasche! Leider ist er nicht mehr erhältlich.
Wohl aber gibt es noch die „Elektra“ 2022 von Lydia, Martin und Andreas Nittnaus. Es ist ein Blaufränkisch, der stark an das Beste erinnert, das man mit dem Eisenberg, ganz im Süden des Burgenlands, verbindet. Zumindest erinnert uns schon der erste Duft – schwarze Oliven und Lorbeer – an diese Stilistik. Roggen-Baguette und Leinsamen hingegen signalisiert einen Schiefer-Boden. Dass der Flight, in dem sich dieser Rotwein fand, „Blaufränkisch ohne Herkunft?“ nannte, war dazu ein passender Gag. Denn auch am Gaumen verband sich hoher Extrakt und ein packende Fruchtigkeit sofort mit betonter Kühle. Reife Heidelbeeren schoben sich in den Vordergrund, ehe die sortentypische Kirsche eine Chance erhielt. Tiefdunkel blieb auch die Charakteristik der unfiltriert gefüllten „Elektra“ 2022. Diese würzige Kraft junger Rebanlagen am Leithaberg brachte enorm viel Druck auf den Gaumen. Dieser Blaufränkisch der Nittnäuse war vor allem aber auch schon überraschend gut antrinkbar. Und er wurde perfekt angekühlt von TIAN-Sommelier André Drechsels Team serviert. Auch dafür Danke!
Die Sorte wird aber auch beständig weiterentwickelt. Das zeigte der „Bonsai“, ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnlicher Blaufränkisch aus dem Keller von Claus Preisinger. Erstens einmal zwingt er 9.000 Rebstöcke auf einen Hektar, deren kleinere Beeren er mit nur 11,5% Alkohol auf die Flasche bringt. Doch eine Mini-Ausgabe eines „BF“, wie der Name vielleicht argwöhnen ließe, ist das keinesfalls. Die typische Weichsel-Nase ist da, etwas Kreidestaub, aber auch das typische „Sponti“-Stinkerl der naturnahen Arbeitsweise. Doch das stört allenfalls altvatrische Weintrinker. Denn entscheidender ist der Eindruck am Gaumen, wo der „Bonsai“ 2022 mit einem ätherisch leichten Mix aus roten Früchten samt einer fast moussierenden Art loslegt.
Sofort denkt man an guten (!) Beaujolais. Die herben Noten erinnern an Schlehe und – deutlich weniger – auch an Preiselbeeren. Doch es ist der Trinkfluss, der diesen Blaufränkisch auszeichnet. Kühle Kirsche bildet die Nachhut, womit sich der Satz Preisingers zu diesem experimentellen Roten voll bewahrheitet: „Rotwein kann auch etwas Erfrischendes haben“. Und für erfrischende Ansätze in der uniformen Weinweilt waren die Pannobilisten immer schon zu haben – seit 1994!
Bezugsquellen:
Claus Preisinger, Blaufränkisch „Bonsai“ 2022 ist um EUR 23,20 über Weinskandal.at zu haben, https://weinskandal.at
Lydia, Andreas und Martin Nittnaus, Blaufränkisch „Elektra“ 2022 kostet EUR 27,30 im Online-Shop Weinskandal.at, https://weinskandal.at