Seit einiger Zeit geistern die Weintrends „raw“, „natural“ und „orange“ durch die Gazetten: Keine weitere Behandlung, also Ganztraubenvergärung, etwa in der Amphore, kein Schwefeln und dazu noch die Maischevergärung von weissen Sorten, als wären sie ein Rotwein. Kompliziert wird das ganze noch dadurch, dass mitunter die Trends vermischt werden (orange und schwefelfrei beispielsweise). Generell hält sich meine Begeisterung dafür in Grenzen, vor allem, was die Ergebnisse betrifft und einen Satz, der gerne damit im Zusammenhang steht: „Da muss man sich erst eintrinken“. Nein, muss man als Konsument nicht, wenn man damit nichts anzufangen weiß. Wer die entsetzten Gesichter angesichts einer „orangen“ Weinbegleitung zum Meeresfrüchte-Dinner in Triest einmal erlebt hat, wird derlei Zwangsbeglückung unterlassen. Und die Karst-Winzer, slowenischer oder italienischer Provenienz, verstehen sich als Ursprung dieses Trends.
Stefano Bellotti – und jetzt sind wir beim „natural wine“, also dem ohne Schwefel – ist zwar Italiener, aber aus dem Piemont. Seit 30 Jahren arbeitet man auf seinem Weingut „Cascina degli Ulivi“ ohne Schwefel, was fast naturgemäß ungute Gerüche im Weisswein mit sich bringt. Dazu kommt, dass er sich die Rebsorte Gavi vorgenommen hat, die zumeist als unkomplizierter sommerlicher Schüttwein bekannt ist (Hektoliter verkauft mein Osteria-Freund davon…). Der momentan verfügbare Jahrgang 2009 wird von ihm aber noch nicht forciert, er rät zum 2007er. Also, noch einmol, wie Frank the Stronach sagen würde: Gavi 2007 ohne Schwefel!
Es wäre vermessen zu sagen, es funktioniert bestens, denn dieser Wein polarisiert gewaltig. Allerdings liegt dies an der Nase, die oxidativ und medizinisch streng wirkt, an „angenehmeren“ Noten lassen sich Sesamstangerl und etwas Kurkuma beschreiben, das stahlige Aroma der Enzianwurzel ist aber ein weiterer Grund zu sagen: „Vergiß die Nase“. Denn der erste Schluck brignt die Säure des Gavi in ihrer schönsten Form, einer leicht bremselnden Grapefruit, zum Vorschein. Mineralik blitzt durch, auch gelber Apfel und wieder der Sesam, der gegen Ende in eine salzige Note mündet, ehe einmal noch die Grapefruit zurückkommt am Gaumen. Höchst eigenwillig, aber ein überraschender Speisenbegleiter zu vegetarischen Gerichten aller Art, speziell zu Tofu und Wok-Speisen. Und natürlich eignet sich der „Filagnotti Gavi“ als Härtetest für jede Blindverksotung im Freundeskreis.
Beim „orange wine“ wird es immer dann per definitionem spannend, wenn sich Winzer mit großer Rotwein-Expertise hinstellen und ihr Wissen auf eine weisse Rebsorte anwenden. 2012 wagte Johann Waldherr in Neudörfl das Experiment, wie er es auch selsbt nennt. 470 Flaschen gab es einmal vom „orangen“ Sauvignon blanc. Der wächst in einer Pöttschinger Gunstlage (hinter dem SOS Kinderdorf, wer’s kennt), die besonders lange Sonnentage aufweist. Mit 21 Grad Mostgewicht und somit 14,7 % Alkohol ist der auf der Maische vergorene Sauvignon auch ein ziemliches Bröckerl, allerdings wirkt er dank eines mineralischen Zugs weitaus leichtfüßiger, als es der Einzelwert Alk vermuten ließe.
Die Sorte weist eine Tropenfrucht-Nase auf, wie man sie eher von Lagenweinen aus der Steiermark kennt: Maracuja vor allem, reife Ananas und auch etwas Orangenzeste. Zu diesem exotischen Fruchtmix gesellt sich eine leichte Säure, etwa an gelbe Kiwi erinnernd. Der „Nonnenwald“ schafft es gleichzeitig mineralisch und fett zu wirken, was ihn zu einem idealen Begleiter zu Gänseleber, vor allem als Parfait serviert, macht, wie Hansi Waldherr schwärmte. Gut möglich – jetzt muss man nur noch an den raren Wein kommen.
Bezugsquelle: Cascina degli Ulivi, „Filagnotti Gavi“ 2007 ist um EUR 14,90 bei Del Fabro erhältlich, www.delfabro.at, der Sauvignon Blanc „Nonnenwald“ 2012 vom Weingut Waldherr um EUR 15 ab Hof, www.waldherr-weingut.at