Die vollmundige Ansage, dass man in der Vinothek Thallern den besten Sorten-Flight der Welt verkostete, haben wir in Teil 1 unserer Notizen zu den Lagenweinen der Thermenregion schon zitiert. Beim Zierfandler war es damals die Kraft des Faktischen, die diese Aussage taxfrei möglich macht; denn von nur 62 Hektar weltweit sind es praktisch zwei Drittel, die an der Südbahn gekeltert werden. Da konnten sich die neun Winzer, die als neue ÖTW-Mitglieder firmieren, locker hinauslehnen. Wir legen aber gern ein Schäuferl nach in Teil 2 der Trinkprotokolle, die sich den roten Burgunder-Sorten widmen. Denn auch der Flight der reifen Pinot Noirs hatte in Österreich nicht seinesgleichen!
Der Rotwein-Teil, immerhin vier Flights aktueller und reifer Jahrgänge (bis zurück nach 2008), in der Gebietsvinothek war allerdings das, was man „a mixed lot“ nennt. Nicht, weil die Winzer von Baden bis Tattendorf verlernt hätten, wie man St. Laurent oder Pinot Noir keltert, sondern weil man sich im Umbruch befindet. Der wunderbare Burgunder von Leopold Auer, mittlerweile auch maßgeblich von den Söhnen beeinflusst, stand etwa für den traditionellen Stil. Und wir möchten ihn ungern missen. Diese Tattendorfer „Reserve 2017“ zeigt den Mix aus medizinalen Tönen („Ricola“-Hustenbonbon), Cola-Kraut und nur dezenter, aber weicher Erdbeerfrucht. Assam-Tee, feiner Gerbstoff und eine wiederum wie aus dem Rumtopf gefischte Beerenfrucht ergeben geschmacklich eine Art Ur-Meter des Pinots, an dem man sich abarbeiten kann.
Selbst unter Weinkennern gehört ein großes Lob ausgesprochen, dass Hannes Reinisch nahezu plakativ die Traube eines Pinots und eines St. Laurents in die Kameras zeigte. Wer bislang immer den Spätburgunder für die ultimative Diva im „Weiat“ hielt, verstand angesichts der drei-farbigen Beerenmischung aus grün und säurig bis dunkelblau und fruchtig – wohlgemerkt auf einer Traube! –, wo die wahre Geduldsprobe für Thermenregionswinzer beheimatet ist. Unter den St. Laurents wiederum gab es kaum ein Herumdeuteln unter den Jahrgängen. Georg Schneiders 2019er „Ried Frauenfeld“ gehörte schlicht zum Besten, was wir an dieser Sorte seit Jahr und Tag im Glas hatten.
Rauchig wie ein frischer Espresso, mit einem dezenten Vanille-Ton wie aus dem gerührten Eiskaffee, stellt der Laurent aus Tattendorf eine Frage: Gibt es auch Frucht? Aber sicher, getrocknete Kornellkirsche und Hagebutte, allerdings erst nach dem rauch-würzigen Auftakt. Doch der erste Schluck macht einen sicher – dieser „Frauenfeld“ ist in seinem balancierten Frucht-Säure-Spiel feiner als viele Pinot Noirs. Der Vergleich, den ein britischer Kollege brachte, sei dafür gleich von ihm gestohlen: „Wie ein Gang durch eine Rosenhecke“. Was nicht den Geschmack beschreiben soll, der nichts von der Blume hat, aber die immer wieder in die rote Fruchtigkeit hereinwehende Würze beschreibt das feinstens.
Im Finale bringt eine cremige Note so etwas wie dunkle Schokolade dazu. Dass Schneiders Pinot Noir – „Ried Tagelsteiner 2019“ – ebenfalls zu den Top 3 aller acht Burgunder gehörte, sei noch erwähnt. Denn für eine ausführliche Beschreibung dieses ultra-eleganten Weins mit Schwarzer Nuss, Assamtee und Kardamom-Akkorden fehlt uns der Platz. Die Kurzform: Kaufen! Schließlich sollen noch die beiden Blauburgunder gewürdigt werden, die den „reifen“ Pinot Noir-Flight zu einem solchen Highlight machten, wie einleitend bereits „gespoilert“.
Jetzt kann man wohl monieren, dass wir von jeher ein Freund der Riede „Graf Weingartl“ sind, doch was Heinrich Hartl hier auf die Flasche brachte, ist schlicht großes Kino. Wer seine subtile Zusammensetzung aus Einzelchargen/Fässern kennt, wird das eine, das paprika-würzige Taransaud-Barrique sofort herausriechen, das pikante Nebel über die Bouquet garni-Kräutrigkeit des 2015ers legt. Am Gaumen wird eine wunderbare Kirschfrucht immer präsenter, die aber nur den Herold macht für eine ganze Ladung an „hard spice“-Noten – vor allem das Duo Kardamom/Gewürznelke setzt hier Akzente. Aber subtil. Was generell ein Stichwort zu diesem Wein sein könnte. Auch der Gerbstoff ist ein Rudiment, das man aktiv suchen muss, aber zur Struktur dieses Jahrgangs enorm beiträgt. Denn aktuell ist dieser „Graf Weingartl“ auf den Punkt gereift.
Über den Verdacht des „Schleimens“ erhaben, zeigt die Einschätzung des Jahrgang 2012. Hartls Idee eines Pinot Noirs speist sich seinen Worten nach aus den Erfahrungen, die er als Praktikant in Neuseeland machte. Und 2012 ging sich das noch nicht ganz aus. Der Obmann der Region steht aber auch nicht an, lokale Vorbilder anzuerkennen. Denn seine beiden Burgunder standen neben dem „Kästenbaum“ der Gebrüder Reinisch. Über die burgundische Herkunft der Klone dieses Pinots haben wir (hier) schon einmal geschrieben. Doch was von der höchsten Lage des Gebiets – wir sprechen von rund 450 Metern Seehöhe – kommt, ist taxfrei Österreichs bester, wenngleich auch teuerster Burgunder.
Man kann die Kräuter sicher noch besser durchdeklinieren, falls man versierter Botaniker oder Koch ist. Für uns waren es Borretsch, Lorbeer und Estragon, eher dann der Kirsch-Marzipan-Duft einsetzt. Allerdings ist dieser Zug Süße-frei und elegant, als würden sie die Lübecker Nascherei weit entfernt vorbeitragen. Die Ertragsreduktion des „Kästenbaum“ ist nahezu fahrlässig, Hannes Reinisch nennt eine Hektar-Erntemenge von 1.500 Litern. Sie reifen in zweit- und drittbefüllten Fässern für 14 Monate, doch das Ergebnis zeigt wie die besten französischen Pinots keinerlei Holz-Eintrag. Vielmehr folgt auf einen fruchtsüßen Beginn eine würzige und lange Trinkerfahrung, in der es nahezu unmöglich ist, einzelne Eindrücke herauszupicken. Warum aber sollte man es auch? Hier siegt die Struktur, die Lage, über primärfruchtige Lehrbuch-Geschmacksnoten. Und das Schöne an diesem 2016er: Das wird noch Jahre so bleiben – wir haben hier gerade ein erstes Trinkplateau erklommen.
Bezugsquellen:
Weingut Auer, Pinot Noir Reserve 2017 ist vergriffen, der Jahrgang 2019 kostet EUR 23,30 ab Hof bzw. im Online-Shop, www.weingutauer.at
Weingut Schneider, St. Laurent Reserve „Ried Frauenfeld“ 2019 ist um EUR 22 ab Hof bzw. im Webshop zu haben, www.weingut-schneider.co.at
Weingut Hartl, Pinot Noir „Graf Weingartl“ 2015 ist ausverkauft, den Jahrgang 2019 führt Wein&Co. in den Filialen und online um EUR 29,90, www.weinco.at
Johanneshof Reinisch, Pinot Noir „Ried Kästenbaum“ 2016 ist ausverkauft, der Jahrgang 2018 kostet EUR 70,50 ab Hof bzw.im Web-Shop, www.j-r.at