Spannend anzusehen war die Mischung dieser handverlesenen Schar von Polz-Fans schon: Neben Weinhändlern und Sommeliers tummelten sich anlässlich der Jahrgangsvorstellung auch Hoteldirektoren, Ex-Brigadiers, Promianwälte und Society-Schreiber. Denen sollte man allerdings ins Stammbuch schreiben, dass Seitengespräche die Konzentration bei Weinverkostungen nicht unbedingt fördern. Mit dem „Krethi-lässt-sich-von-Plethi-scheiden“-Gewäsch im Ohr war Erich, Walter und Christoph Polz leider nicht immer zu folgen. Was insofern schade war, weil neben den jugendlichen 2015ern auch reifere Semester mit aus der Südsteiermark gekommen waren. Und auch dass sich Michael Wiesinger als Maître des Meinl am Graben einmal mehr als Meister der richtigen Einschenk-Temperatur erwies (wer einen Kurs braucht, soll mit ihm über Lagern und Servieren reden), half gegen den Soundpegel wenig. Doch wir trinken ja zum Glück nicht mit den Ohren und so folgt diesem Satz mit seinen vielen „O“s eine ordentliche Ode auf den „Obegg“
Denn er ragte unter den vertrauten Namen des Polz’schen Familienbetriebs (immerhin schon 104 Jahre alt), also „Therese“, „Czamilla“ oder HGB, wie die Steirer-Weinfreunde den „Hochgrassnitzberg“ abkürzen, heraus. Vier Jahrgänge entkorkte Maître Wiesinger und der 2009er als ältester Chardonnay des Abends überstrahlte alle anderen. Der Sesamduft des Muschelkalks, auf dem der Wein seit 1992 angebaut wird, sollte sich durch alle Jahrgänge ziehen, doch die Aromatik des (leider nicht mehr erhältlichen) 2009ers war eine Klasse für sich. Zunächst einmal, weil die Struktur immer noch von einer spürbaren Säure und damit Frische geprägt war. Hier zu sagen, er sei am Punkt, wäre schlichtweg falsch, die großen Jahre kommen für den Obegg noch. Viel Schwarztee, mit der Frucht kombiniert durchaus als „Earl Grey“ anzusprechen, bildete ein aromatisches Gerüst, vor dem einmal die würzigen Noten mehr zur Geltung kamen. Dann aber wieder schob sich die gelbfruchtige Saftigkeit von Karambol und ganz zarter Banane wieder vor die mineralische Seite. Diesem Spiel eines immer noch nicht ganz fertig ausbalancierten Weins zuzuschauen, macht schlicht Freude. Nachzuschmecken, wie sie hier Frucht und Säure, aber auch Würze und ganz leichter Gerbstoff ein Match am Gaumen lieferten, wäre abendfüllend.
Aber immerhin standen auch noch die Jahrgänge 2011, 2003 und 2014 in den Kühlern. Hier zeigte sich 2013 von einer anderen, würze-betonten Seite, die mit Aromen von Fenchel-Samen, Nuss-Schokolade und etwas Kardamom aufwartete. Die Sesamnote, die wir bereits kennen, nahm beim 2011er auch leicht geröstete bis zart verbrannte Noten an. Am Gaumen erinnerte die Aromatik teilweise fast an Sherry, „Florhefe“ raunte ein weltgewandter Verkoster nebenan – ein Kommentar, der deutlich weniger deplaziert war als das gleichzeitige Telephonat des Society-Reporters. Der jüngste Chardonnay, der aktuell im Handel befindliche Jahrgang 2014, wiederum zeigt ebenfalls diese Schwarztee-Nase unseres Lieblings Obegg 2009. Dazu kommt aber auch etwas Weichkaramell, Orangenminze und mit mehr Luft auch rote Früchte
Am Gaumen wirkt der Wein aus dem schlanken Jahrgang entsprechend knackig und nicht so druckvoll wie die älteren Obegg-Onkel. In einem steht er seiner Verwandtschaft mit mehr Reife aber nicht nach – auch 2014 kommt im Mittelteil schöner Fruchtschmelz durch. Aktuell liegt die mineralische Seite noch ein wenig in Führung im Geschmacksrennen, aber die klare Marillen- und Pink Grapefruit-Note ist doch schon erkennbar. Im Abgang wird vor allem der Zitrusfrucht-Ton präziser, er sorgt auch für ein säuriges Finish, das der offensichtlichen Jugend geschuldet ist. Dass dieser Wein auch in zehn Jahren noch Spaß macht, ist eine völlig ungewagte Prognose, spannend wird, wo er sich nach der Primärfrucht-Phase in die Ahnenreihe derer von Obegg einreiht. Hier orakeln wir einmal: Es wird in Richtung des 2009ers sein.
Bezugsquelle:
Weingut Polz, Chardonnay „Obegg“ 2014 ist um EUR 34,50 ab Hof erhältlich, von den reifen Jahrgängen gibt es auf Anfrage noch Restflaschen, www.polz.co.at