Vom neuen Ehrenamt als AWA-Botschafter durfte Ihre Trinkprotokollant ja noch im Dezember 2020 berichten – dortmals zusammen mit dem ersten All-Österreich-Malt der Austro-Whisky-Vereinigung. Womit sich auch eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Bränden der heimischen Szene ergab. Schließlich sollte der Botschafter auch wissen, was aus den Brennblasen und vor allem Jahre später aus den Fässern von Vorarlberg bis ins Waldviertel kommt.
Mit dem Nordlicht Niederösterreichs beginnt geographisch auch unsere Mini-Serie zu den heimischen Whiskys. Denn hier befindet sich so etwas wie das Kentucky Österreichs, nämlich das „heartland“ seiner Getreidebrände. Vier Brennereien, darunter die älteste und größte des Landes, haben sich hier dem Whisky verschrieben und auch gleich eine gewaltige Bandbreite eröffnet. Dazu gehört AWA-Mitbegründer Günther Mayer, der in seiner Destillerie namens Granit ein Freund der Fass-Stärke ist. Und als solcher mag er generell intensiven Whisky – und der macht sich aromatisch nicht an Volumsprozenten fest.
Sondern beispielsweise auch an einem ursprünglichen Getreide, das ordentlichen „Wumms“ mitbringt, der nicht an den 55,2% vol. liegt. Doch zuvor sollte man die Waldstaude ob ihres kuriosen Namens außerhalb des Waldviertels nämlich erklären. In dieser klimatisch fordernden Ackerbauzone liebt man den robusten Roggen und somit kam man irgendwann auch auf seinen „wilden“ Vorfahren – eben die Waldstaude. Sie wächst tatsächlich mannshoch, wie der heuer in den Ruhestand getretene Bäckermeister Erich Kasses gern erzählt. Er experimentierte in seiner wunderbaren Backstube in Thaya mit dem Urgetreide. Und in Waidhofen an der Thaya wiederum brannte die „Wald4tler Granit-Destillerie“ Waldstaude-Whisky.
Die Überraschung stellt hier bereits das Duftbild dar, das selten so würzig bei einem Getreidebrand war. Schließt man die Augen, glaubt man nämlich, ein Glas Gin in der Hand zu haben, so präsent steigen Wachholder und auch Veilchen bzw. etwas Lavendel in der Nase! Dafür kommt der Fass-Stärken-Charakter kaum durch; nichts ist „spritig“ oder beißt – ein gutes Zeichen! „Blau“ wie die floralen Duftnoten ist dann auch die fruchtige Seite dieses ungewöhnlichen Destillats; am Gaumen kommt der Holunder recht beerig durch, auch Preiselbeere und die ganze Gewürzpalette eines Schwarzbrotes. Der Fenchelsaat, die am kräftigsten unter diesen Kräuter- und Würzenoten ausfällt, folgen dann Apfel-Ringerl und ein Espresso-rauchiger Ausklang.
Bei einer Füllstärke von 55,2 % darf man auch mit ein paar Tropfen Wasser seinen Whisky zähmen. Und das Ergebnis gewinnt vor allem am Gaumen neue Facetten. Zunehmend floraler, wie es die Nase angedeutet hat, wird das gebrannte Waldstaude-Korn dann. Er erinnert mit den immer noch würzigen und trockenen Noten des Holzfasses an Assam-Tee und bekommt auch einen sanften Anflug von Orange. Diese abschließende Frucht-Notiz soll aber nicht täuschen: Im Kern ist dieser Whisky ein echter, nämlich ein kantiger Waldviertler.
Das sollte man auch wissen, ehe Mayers zweiter Extremwhisky ins Glas kommt. Denn das „Gluatnest“ ist vermutlich das Rauchigste, was derzeit am heimischen Whisky-Markt zu haben ist. Allenfalls der „Burn Out“ aus der Vorarlberger Destille von Eugen und Bruno Broger, ebenfalls AWA-Member, spielt hierzulande noch in dieser Liga. Das kann man in Zahlen fassen: 57 parts per million Rauch hat ihr Torfmalz, was mehr ist als die meisten Rauchmalz-Whiskys der berühmten Insel Islay in Schottland aufweisen. Dort bewegt man sich bei 40-45 ppm. Ähnliche „smoke“-Werte darf man auch beim Waldviertler Torf annehmen. Denn der erste Duft des „Gluatnests“ erinnert an eine Mischung aus Selchwürsteln, ausgebranntem Lagerfeuer und – beim fast schon chemisch intensiven „Smoke“ – Fahrrad-Pickzeug. Ungewöhnlich ist auch, wie stark diese phenolische Kraft am Gaumen des 44%-igen Whiskys erhalten bleibt.
Der Kostschluck bringt überbordenden Rauch, wieder viel Bratwurst-Brät und pikante Specksaiten mit. Dennoch tänzelt dieser Brand fast ätherisch über den Gaumen. Er ist zweifellos extrem, aber unverwechselbar. Und wenn man die Geographie einmal sein lässt, könnte der Whisky-Longdrink der Hebrideninsel namens „Islay Mule“ mit diesem Waldviertler Torfrauch das wahre Feuer entfalten. Kein „Gluatnest“, sondern ein würziger Flächenbrand im Cocktailglas wäre angesagt. Einfach mit Ginger Beer und etwas Limette mischen. Und das Torfgewitter aus dem Norden beginnt!
Bezugsquelle:
Wald4tler Granit-Destillerie, Waldstaude (Waldviertler UR-Roggen im Rotweinfass) kostet EUR 45 (0,5 Liter-Flasche), der getorfte Single Malt „Gluatnest“, ist auch um EUR 45 zu haben, beide per Mail an die Waldviertler Brennerei, www.granitdestillerie.at