Vermutlich ist es die trinkfreudigste Charity dieses Globus. Die „Negroni Week“ von 24. bis 30. Juni wird von rund 10.000 Bars weltweit mitgetragen. Was 2013 als bescheidene Initiative von 140 Cocktailbars in den USA gestartet wurde, erbrachte im Vorjahr 585.897 US-Dollar Spendengeld. Denn von jedem verkauften Gin-Campari-Wermut-Dreiteiler der Woche geht ein Teil an die Initiative des Magazins „imbibe“ und der Gruppo Campari. Das alles hatte sich der Conte Camillo Negroni wohl nicht träumen lassen, als er 1919 mit seinem lässig dahingesagten „un po‘ piu forte“ („a bisserl stärker“) im Caffé Casoni zu Florenz die Aperitif-Kultur revolutionierte. Denn der etwas kräftigere „Americano“ von Bartender Fosco Scarselli wurde mit Gin anstelle des Sodas zur Drink-Legende.
Der Negroni-Geburtstag ließ auch die Wiener Barszene aktiv werden. Elf der beliebtesten Bars setzen ihren persönlichen Twist auf das klassische Rezept (Gin, Wermut und Campari zu gleichen Teilen). Wie immer im Dienste des wissbegierigen Trinkers, haben wir die Kreationen von Florian Steflitsch (D-Bar im Ritz-Carlton), Roberto Cozzolino (Pastamara), Philipp M. Ernst (Josef Bar), Alexander Batik (Kleinod), Sigrid Schot (Hammond Bar), Adrian Perez de Siles Martinez (The Bank im Park Hyatt), Christian Ebert (Ebert‘s Bar), Gianni Caccia (Die Parfümerie), Andreas Anastasius Dos Santos (Seven North), Gerhard Tsai (Tür 7) und Kan Zuo (The Sign) verkostet.
Für die persönliche Negroni-Week haben wir zwei ausgewählt, die auch zuhause mit wenig Vorarbeit zu schaffen sind. Aromenmeister Kan Zuos Essenz von der Sepia-Tinte ist schließlich nicht jeder Heimbar zumutbar; auch das Safran-Champagner-Schäumchen aus der Josef Bar kann mitunter überfordern – aber dazu lohnt sich eben der Weg in die Bars! Einfacher und doch raffiniert sind die sogenannten Infusionen, bei denen dem Gin neue Aromen beigefügt werden. Das kann Tee sein (Christian Ebert), der Kaffee-Kirschen-Aufguß Cascara (Gianni Caccia) oder sogar Gorgonzola!
Für ihn entschied sich Adrian Perez de Siles Martinez, „denn das erinnert mich an einen perfekten Abend mit meiner Frau in Spanien“. Die Käse-Platte ließ das gemeinsame Abendessen am Meer ausklingen und dieses Gefühl, dass die Seele weit weg vom Alltag ist, brachte der Barchef der „Bank“ sogar in der Garnitur unter – die Orangenzeste wird wie eine Möwe geschnitzt und erinnert so an das Gefühl des gemeinsamen Flugs ins Glück.
Für den aromatischen Hauptdarsteller neben dem Campari werden satte 250 Gramm Gorgonzola Dolce Latte über Nacht mit 700 Millilitern Gin in eine Flasche gefüllt. Das Ergebnis sieht – nun ja – ein wenig spermatoid aus, im Drink allerdings macht der feine Käsegeschmack sich vortrefflich. Pur ergibt der Gorgonzola-Gin übrigens eine kräftige Soße, die man auch auf die Pasta geben könnte. Doch zurück zum „Gorgon’s Negroni“, wie Perez de Siles Martinez den Cocktail nennt. Der hat nämlich einen Effekt, den eine Mitkosterin „wie einen Labello“ beschrieb. Das Milchfett bildet einen Film auf den Lippen, der den Drink neben seinem Aroma in Erinnerung bleiben lässt. Hier das Rezept für den überraschenden Intensiv-Negroni mit dem maritimen Glücksversprechen:
Gorgon’s Negroni
(Adrian Perez de Siles Martinez, „The Bank“ im Park Hyatt, Wien)
- 4 cl Campari
- 4 cl roter Wermut
- 4 cl Gin mit Gorgonzola-Infusion
- 1 Prise Salz
Alle Zutaten in einen Shaker geben und auf Eis kalt schütteln, in Glas abseihen und mit einer Orangenzeste garnieren.
Sigi Schot wiederum hatte „schnell einen Namen für den Drink“, denn der erste Schluck Campari im Leben erinnert mit seiner bitteren Süße an die Liebe. Irgendwie mag man’s sofort und doch schafft sie auch Leiden. Das tut der Cocktail nicht, im Gegenteil, der auf dem floralen G’Vine-Gin basierende Blütenlikör „Esprit de June“ nimmt dem Negroni die maskuline Schwere. Immerhin gehört der Drink mit seinen (meist) neun Zentilitern Alkohol – nicht gemildert durch Säfte, Tonics oder andere Filler – zu den polarisierenden Cocktails. Die „verrückte Liebe“ aus dem zweiten Hieb allerdings vermeidet auch Süße, indem sie den einen Zentiliter, den der neue Likör beansprucht bei der Campari-Dosis abzieht. Sehr schmackhaft und doch klar mit dem Original aus Florenz verwandt:
Amour Fou
(Sigrid Schot, Hammond-Bar, Wien)
- 2 cl Campari
- 3 cl Gin
- 3 cl roter Wermut
- 1 cl Esprit de June
Alle Zutaten direkt in einen Tumbler mit Eis geben und gut verrühren.
Als Garnierung verwendet die Hammond-Bar einen Glasrand aus Rosenasche und Zucker. Getrocknete Blüten oder Kornblumen (aus Teemischungen) wären ein Ersatz, der von der Optik her ebenfalls passt. Glasrand vorm Füllen in eine Mischung aus Wasser und Zitronensaft tauchen und dann in den Blüten drehen, sodass diese „kleben“ bleiben.
Bezugsquelle:
Campari, „Bitter“ ist um EUR 15,90 (Liter-Flasche) bei Killis Getränke erhältlich, www.killis.at