Die Flasche war ein Schmuckstück, seit sie 2020 das erste Mal aufgetaucht ist. Immer wieder schaffte es Nc’Nean damit in Frauenmagazine. Die Story war auch zu gut: Attraktive Unternehmerin, die es der Männer-Welt des Whiskys zeigt, indem sie komplett „bio“ produziert, CO2-neutral und mit einem geschlossenen Wasserkreislauf. Mit einem schmerzhaften Griff an die eigene Nase gestehen wir nun ein: Gelesen haben wir das. Doch es schien ein weiteres Whisky-Start up zu sein, das seinen Platz suchte. In diesem Fall mit einem nachhaltigen Anliegen, das die klassische Szene in der Tat eher vernachlässigt hatte. Vor allem war man aber eine Brennerei mehr, die mit einem gerade drei Jahre gereiften Single Malt auf einen Markt tritt, in dem immer noch zweistellige Jahreszahlen das Maß der (konservativ betrachteten) Dinge sind.
Es bedurfte erst der großen Vorstellung dessen, was Annabel Thomas da genau macht, damit wir die Range auch im Detail verkosteten. Auf einem Bio-Bauernhof wie Gut Wulksfelde trifft man sich. Hier versteht man die Prozesse hinter Bio-Gerste und Ressourcen-Schonung schnell. Ganz, ohne sich in den Flieger nach Schottland zu setzen. Denn ein Herzstück der Nc’Nean-Destillerie kann man ohnehin in „good old Austria“ auch besichtigen – den Biomasse-Brenner, der die Destillen befeuert. Er stammt aus Österreich und sorgte für heitere Telephonate zwischen der Movern-Halbinsel und der Steiermark. Denn im Westen Schottlands fand man die Anlieferung auf dem Sattelschlepper nicht so gut: „Wenn der wirklich kommt, stoppt ihn die Polizei“, ließ man die Österreicher wissen. Denn die einspurige Straße zur Brennerei gegenüber der Isle of Mull ist immer noch im Hinterland der Highlands.
Dort zog Annabel Thomas ihre Brennerei 2017 auf. Die Planung war – abseits des Hackschnitzel-Brenners – minutiös. „Wenn Du hier nur auf eine Schraube vergisst, kann es sein, dass Du drei Stunden fahren musst“, lacht die Gründerin bei unserem Treffen. Zuvor hatte sie in einem arbeitsfreien Monat den Business-Plan geschrieben. Eigentlich war es der Traum ihres Vaters, auf dem Drimnin Estate zu destillieren. „Wenn können noch länger warten, oder wir tun es einfach“, nahm Annabel dann die Zügel in die Hand. 2020 floss der erste Whisky, den eine Charity-Auktion zu einem unerwarteten P.R.-Erfolg machte: 40.000 Pfund für die Flasche mit der No.1 stellten einen Rekord auf. Doch wichtiger ist es Nc’Nean, neue Leute für Whisky zu interessieren.
Der nachhaltige Ansatz, der auch praktisch alle Abfälle der Brennerei verwertet, soll dabei helfen. Womit es Zeit wird, in der „Gutsküche“ bei Hamburg den ersten Single Malt zu kosten. Er ist eine von drei Abfüllungen, die Kirsch Whisky als Generalimporteur in deutsche Lande bringt. 90.000 Flaschen sind die Jahresmenge im Verkauf, von den limitierten Varianten „Huntress“ und „Quiet Rebels“ gibt es lediglich 5.000 bzw. 7.500 Flaschen. Doch man will auch nicht an den experimentellen „bottlings“ gemessen werden, sondern am Standard-Whisky aus Morvern. Also schenken wir den „Organic“ mal ein!
Der Baguette-Krusten-Duft des Bio-Whiskys weist eine mehr würzige, als rauchige Nase auf. Torf hat dieser Nc’Nean ohnehin keinen gesehen (bewusst schütze man die Moore, so Thomas). Doch die erste Duftnote macht auch schnell Platz für einen Steinobst-Duft nach „Pfirsich Melba“, der neben der Vanille auch einen Anflug geflämmte Orangen-Zeste erkennen lässt. Nicht fruchtig, aber ebenfalls sehr gefällig, kommt dann eine cremige Note nach Erdnuss-Schokolade dazu. Wer Single Malts in diesen zarten Jahren kennt, wird anerkennen, dass man es hier mit einem vergleichsweise komplexen Duft zu tun hat.
Der Mix aus drei, vier und fünf Jahre alten Qualitäten kommt nicht zuletzt dank seiner 46% vol. Füllstärke auch mit einem reichen Mundgefühl daher. Fast wie Kaffee-Glasur („Indianer“ hieß diese Süßspeise mal) legt sich der ebenso würzige, wie auch geschmeidige „dram“ auf den Gaumen. Viel Vanille ist auch da zu merken, vielleicht sogar mehr noch Tonkabohne. Ein Touch Karamell-Keks – wie die belgischen „Lotus“, die man gern ungefragt zum Espresso reicht – schließt dann im Finish den Kreis. Röstig, malzig, cremig und zart süß schmeckt dieser Nachklang. Fehlt also nur mehr die würzige Seite. Sie wächst in Form eines pfeffrigen Tons direkt aus den Röstnoten des Rückgeschmacks. Kurz gesagt: Sehr solide – und mit hohem Trinkfluss. Gutes Gewissen gibt es dazu gratis zu jedem Schluck aus der schmucken Flasche.
Bezugsquelle:
Nc’Nean, Organic Single Malt Whisky kostet EUR 56,90 (0,7 Liter-Flasche) beim Versand Weisshaus, www.weisshaus.at