Man kann mit dem Rad vorbeifahren oder in den Wald joggen. Weiß man von den gewaltigen Erdbewegungen nicht, mit denen Friedrich Lechner einen Hügel samt Hühnerfarm (!) in eine autarke Landwirtschaft mit Brauerei umgestaltet hat, ist man an Membier auch schon vorbei. Eine versteckte und lange Einfahrt aus Natursteinen führt auf den mächtigen Hügel, auf dem der Neunkirchner Zahnarzt Erholung (und immer frische Getränke) findet. Die Aussicht geht auf den Friedhof, doch in Wahrheit sind die Augen hier in die agrarische Zukunft gerichtet. Denn „Friedi“ Lechner hat gerade erst begonnen…
Genauer gesagt, stehen hinter den vier Abfüllungen, die den Mädchennamen seiner Gattin (Membier, wie praktisch!) tragen, die gesammelten Brauerfahrungen von Mika und Matteo. Das Duo, bestehend aus serbischem Alleskönner und italienischem Lebensmittel-Techniker, hat die Rezepturen entwickelt, die jeweils in 2.000 Liter-Chargen gebraut werden. Erfreulicher Weise hat man sich weniger die exotischen Stile vorgenommen, sondern blieb – getreu Mikas Devise „ein gutes Standard-Bier ist viel schwieriger zu brauen“ – als Einstieg dem guten, alten Lager treu.
Das „grüne Label“ aus der Grafenbacher Brauerei ist aber kein belangloser Schluck geworden, sondern signalisiert mit Duftnoten nach Orangenzeste, brauner Butter und vor allem Honigmelone (!), dass man hier einen modernen Take des beliebten Stils im Glas hat. Das täuscht auch nicht: Cremig und druckvoll zugleich, fungiert es als Durstlöscher und macht auch an jeder Wirtshausschank (der örtliche Kastanienhof führt es bereits) gute Figur. Denn wie soll man klassische Bier-Trinker auf den Kreativbier-Geschmack bringen, wenn man ihnen keine aromatischen Brücken braut? Eben!
So bringt das Lager die frischen Noten (Cornflakes, etwas Bananen-Chips und weisser Pfeffer) mit, der zarte Frühlingszwiebel sorgt für ein Würze, die mitunter an ein trockenes Pils anklingt. Gibt man dieser „Friedrichsbräu“-Kreation – der Doktor firmiert vor-nämlich quasi im Untertitel seiner Firma – Zeit, schiebt sich das Malz in den Vordergrund. Dann wird es immer brotiger am Gaumen, denn dieser Einstieg in die Lechner’sche Bierwelt braucht tatsächlich viel Luft.
Der Haus-Stil am Hügel? Prickelnd und malzig!
Beim zweiten Kost-Glas ist klar, dass man hier schon einiges vom Haus-Stil der Grafenbacher Kreativen mitbekommen hat. Kohlensäure, die Druck und Erfrischung bringt, mag man hier, aber auch beim Malz ist man kein Leisetreter. Das zeigt sich eben beim „Rosso“, das im Duft eine Melange aus Sandwich-Wecken und Kümmel-Weckerl mitbringt, zu denen auch etwas Ovomaltine serviert wird – also ein klassischer Malz-Geruch. Doch auch hier ist es die schöne, druckvolle Perlage, die diese Getreidenoten am Gaumen mitnimmt, aber auch verfremdet. Laugengebäck schmeckt man, das aber auch Salzigkeit und etwas Säure (sie erinnert an frische Orangen) mitbekommen hat. Mica schneidet dazu den haus-eigenen Prosciutto auf und diese Kombination passt! Schließlich ist das „Rosso“ das, was viele Bier nur vorgeben: ein flüssiges Brot.
Ein überaus spannender Vertreter seine Art ist aber auch das Pale Ale des Hauses am Hügel. Hier wurde dem Centennial-Hopfen der zitrusfruchtige Nerv gezogen, stattdessen erinnert die blumige Duftnote an einen Dim Sum-Germteig (mit Kastanien-Fülle, wer’s genau wissen will!), die Frucht baut sich langsam auf: Pfirsich und Maracuja, alles aber eher säurig frisch und keinesfalls süß, laden richtiggehend ein auf dieses Bier. Es beginnt – mittlerweile kennt man diese Membier-Eigenschaft – mit ordentlich Druck am Gaumen, auch die zarte Malzigkeit á la Blockmalz-Zuckerl hat man gut integriert. Dann aber setzt die Bittere des Aromahopfens ein und sie ergibt ein cremiges Finale, das wie ein Artischocken-Soufflé den Gaumen erfreut. Insgesamt ein sehr balanciertes Pale Ale, das mit der dezenten, vor allem aber zum Weitertrinken animierenden Bittere ein wunderbares Aperitif-Bier ist. Oder, als Pfiff im Sommer serviert, eine feine Erfrischung!
Artischocken-Soufflé und flüssiger Pumpernickel
Wuchtiger kommt hingegen der ohnehin selten in Österreich vertretende Stil eines Red Ale daher. Die Kraft liegt weniger an den moderaten 5,4 % Alkohol, denn in der intensiven Malz-Mischung, die man ausbaldowert hat. Neben Wiener Malz hat man auch einen kleinen Anteil des röstigen Cara-Malzes verwendet. Das gibt Farbe im Glas, aber auch die schöne Pumpernickel-Duftnote. Man darf aber auch eine Nuss-Schokolade und Roggen-Weckerln denken, so lange man an diesem Bier schnüffelt.
Im Vergleich fällt der erste Schluck fast überraschend kühl aus. Ein bisserl wie ein gerührter Eiskaffee macht sich das Red Ale mit uns bekannt. Dazu kommt ein wenig Cola-Nuss, dabei schwingt auch eine zart säurige Note mit , die man wahlweise mit Dirndln oder Bockshörndl (Carob) beschreiben könnte. Die abermals vorwitzige Karbonisierung dieses Membiers zündet am Ende noch einen Turbo: Bei aller Kraft hat das Bier dadurch eine hohe „drinkability“, wie die Brauer gern sagen. Hier stimmt das, denn der stattliche Herr tänzelt im Nachtrunk fast leichtfüßig in die Kehle hinunter. Eine elegantere Mundspülung hat uns jedenfalls noch kein Zahnarzt verabreicht. Har, har!
Bezugsquelle:
Membier – Friedrichsbräu, das Lager kostet EUR 2,20 (0,33 Liter-Flasche), das Pale Ale und „Rosso“ jeweils EUR 2,40 und das Red Ale ist um EUR 2,60 zu haben, alle im Web-Shop bzw. ab Brauerei, www.membier.com