Fährt man dieser Tage durch das Mittelburgenland, dann hat sich die häufigste Frage an Winzer gedreht. Nicht „wie wird der Jahrgang?“, sondern „wie geht’s eich mit Corona?“ lautet der Tenor. In der Tat hat die Qualitätsfanatiker und Rotwein-Verfechter die Absatzkrise hart getroffen. Wer keine „kleinen“ Weine hat, schon gar keine in Weiß, hatte im April und Mai wenig zu lachen. Während sonst die Hauptmärkte, wie etwa Tirol mit seinen Hotels, schon für den Herbst vorbestellten, schickten dermalen Händler mit weniger guten Nerven sogar Ware aus ihrem Lager retour ins Blaufränkisch-Land. So viel zur Solidarität!
Doch es geht auch anders, erfährt man bei Josef Tesch in Neckenmarkt. Er ist von jeher breiter aufgestellt. Senior „Pepi“ Tesch hatte als Genossenschaftskellermeister schnell erkannt, dass der Weinkauf im Supermarkt Zukunft hat. Und so gingen auch während der Corona-Zeit 10.000e Flaschen an die Filialen, wie der heutige Keller-Chef Josef jun. (kl. Bild links) erzählt. Es gibt eben Abfüllungen um sechs Euro, aber auch um 65 Euro am Hof, der erst seit 1997 unter eigenem Label abfüllt. Dass man hier vor allem auf der Klaviatur der dominanten Rebsorte Blaufränkisch spielt, ist bei einem 60%-igen Anteil am Sortenspiegel der Teschs klar.
Die bekanntesten Cuvées – „Kreos“ und „Titan“ – enthalten den „BF“ und der prestigeträchtigste und kostspielige Wein namens „Patriot“ ist ein reinsortiger Blaufranke. Die Stil-Vielfalt, in der im unteren Bereich auch laktische Versionen mit Kirsch-Joghurt-Schmelz und unterstützender Holzwürze vorkommen, ermöglicht z. B. auch im Reserve-Bereich zwei Optionen. Sie stehen nebeneinander am Verkost-Tisch, tragen beide das Datum 2017 an Etikett und doch ist die Wahl klar. Während der „Reserve“ mit seinem Hollerkoch- und Cassis-Ornat prunkt und immer noch das knapp zwei-jährige Reifen in 90% neuem Barrique „verdaut“, ist der gleich alte „Selection“ bereits klar abgerundeter.
Anderswo würde dieser spannendste Wein der Probe wohl „vom Lehm“ heißen. Denn den Boden scheint man in den breiten Schultern (oder sagt man „zwischen den Achseln“?) des „Blaufränkisch Selection“ förmlich zu riechen. Überaus typisch ist dieser Tesch-Wein aber auch bei den weiteren Duftnoten. Weichsel, etwas Vanille, deutlich auch Assam-Tee und – fast kaum zu erkennen – Gewürznelke stehen bei diesem 2017er zu Buche. Für zwei Jahre im neuen Holzfass hat man hier eine ausgewogene Art gefunden.
Vollmundig lässt sich der erste Schluck an, der neben Sauerkirschen und einem leichten Cassis-Ton vor allem mit den begleitenden, nicht-fruchtigen Akkorden punktet. Amarettini-Kekse, Mokka und ein immer noch jugendlicher Gerbstoff versprechen hier viel Blaufränkisch-Spaß. Den hat man auch bei den Tesch’schen Flaggschiffen immer dann, wenn man ihnen einige Jahre Zeit gibt. Was im Rotwein-Bereich international ohnehin einen Erkenntniswert der Marke „no, na“ aufweist, muss man in Österreich ausbuchstabieren. Fünf Jahre Minimum, besser zehn!
Das zeigt etwa der Vergleich, den uns Josef Tesch mit der „Jana Paulina“ ermöglichte. Die ebenso wie der ultra-rare „Tabea“ nach einer Winzer-Tochter benannte Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot (zu praktisch gleichen Anteilen) gibt es aktuell aus den Jahrgängen 2015 und 2012. Der nach Vanille und Kokosette, unzweifelbar also nach den Tertiär-Aromen des Lagerns, duftende 2015er prescht auch am Gaumen ordentlich vor. Schwarzbeerig in jeder Faser, ist er fast expressiv im Brombeer-Ton. Dieser Kraft steht Säure zur Seite, aber sie hat sich noch nicht zur Sehne in der muskulösen Fruchtfleisch-Masse geformt. Es heißt: Bitte warten!
Der Harmonie von Wein und Holz beim Werden zuschauen
2012 hingegen ist bereits die Nase filigraner. Vanille taucht zwar auf, wird aber von säurigen Heidelbeeren und einem „Kirschkern-Ton“ auf die Seite gedrängt. Diese Formulierung beschreibt ganz gut die herbe, eher säurig geprägte Nase, in der die Frucht keine Wucht entfaltet. Einfach gesagt, ist hier der Cabernet Sauvignon ausgeprägter, während im 2015er „Jana Paulina“ noch der Merlot alles an sich reißt. Denn auch am Gaumen finden sich würzige Spitzen, die wieder den Schwarzen Johannisbeer-Ton zeigen. Auch diesfalls ist es eine frische Art, die sich trotz der immer noch wabernden Vanille-Nebel immer wieder Sichtbarkeit verschafft. Man kann sich gut vorstellen, dass man diesen Wein 2022 entkorkt.
Das Plädoyer für die Geduld unterstreicht jener Wein, der 2007 bewusst als „teurer Wein“ (© Josef Tesch) konzipiert wurde – und zwar für das Söldener Hotel Zur schönen Aussicht. Es ist quasi eine Essenz des Blaufränkisch, was da unter dem Namen „Patriot“ auf die Flasche kommt: 30% Menge wird dem Wein als Saftabzug oder „Aderlass“ entzogen; die umstrittene Umkehrosmose reduziert die ohnehin kleine Saft-Menge der knapp 60 Jahre alten Stöcke weiter. Denn gute zehn Prozent der Ausbeute wird in Form von Wasser maschinell ausgeschieden.
Der Rest („zwischen 2000 und 2500 Flaschen“ laut Tesch) ist an der Grenze der zulässigen Alkoholwerte mit seiner Konzentration; knapp unter 15% sind beim „Patriot“ Standard. Vor allem aber setzt er auf Zeit. Das zeigt der Jahrgang 2015, der den aktuellen Top-Blaufränker darstellt – denn vier Jahre dauert es von der Ernte bis zur Abfüllung. Kokos-Stangerl, etwas Bienenwachs, Lack und Möbelpolitur zeugen von der Kraft des Ausbaus im Holz und der Wuchtigkeit des „Patriots“.
Es ehrt Tesch, dass er diesen jugendlichen Bodybuilder schon unter die Leute lässt, um zu zeigen, wie sich der Wein entwickelt. Denn der 2013er „Patriot“ ist trotz des vermeintlich heißeren Jahrgangs und längerer Flaschenreife säuriger am Gaumen, und das wohlgemerkt bei gleichem analytischem Säurewert (5,8 Gramm) wie der jüngere Jahrgang. In diesem Fall hat die Frucht momentan den Ringkampf mit dem Holz gewonnen – bevor es in die nächste Runde geht. Brombeeren und Maulbeeren sind da, aufgrund des hohen Alkohols erinnert er bisweilen an das Leibgetränk deutscher Pensionisten der 1980er Jahre, die Echte Kroatzbeere.
Ganz anders hingegen kommt da der „Patriot“ des Jahres 2011 ins Glas. Hier kommt der Boden in Form eines deutlichen Rauch-Fahne durch, die auch keine Täuschung ist. Denn auch Zigarrenduft und eine blättrige Würze ist da. Dazu der röstig-herbe Ton von Maroni-Schalen. Die opulente Frucht ist mürbe geworden und es blitzen immer noch säurige Spitzen durch bei diesem Blaufränkisch. Viel Schwarzer Pfeffer sowie eine an Rindfleisch-Saft, aber auch Blut erinnernde süß-würzige Melange durchzieht diesen Wein neun Jahre nach der Ernte. Es ist eindeutig der schönste der „patriotischen“ Serie. Und diejenige 65 Euro-Flasche für alle ungeduldigen Trinker. Doch das sollte man nicht nur in Neckenmarkt nicht sein, sondern überhaupt nie beim Rotwein.
Bezugsquelle:
Weingut Tesch, Blaufränkisch Reserve 2017 ist um EUR 18 erhältlich, die „Selection“ 2017 um EUR 23, die Cuvée „Jana Paulina“ 2012 bzw. 2015 ist um je EUR 35 zu haben, der „Patriot“ 2013 bzw. 2015 kostet EUR 65, alle ab Hof bzw. im Web-Shop, www.tesch-wein.at