Man muss sich nur bei der Nase nehmen. Denn südamerikanischen Wein trinkt man viel zu selten. Der Check zeigt es: In mittlerweile acht Jahren Trinkprotokollantentum würdigten wir gerade fünf Abfüllungen aus Argentinien und Chile. Jetzt kann man in Selbstverteidigungsmodus gehen und darauf hinweisen, dass die Exportströme der dortigen Winzer an Österreich weitgehend vorbeiführen. Was zwar stimmt, und das erspart einem auch mediokre Qualitäten, wie sie anderswo die Supermarkt-Regale füllen. Allerdings entgehen einem so auch die Spitzenqualitäten und vor allem der Anschluss an die Entwicklungen in Spitzenhäusern. „Zoom“, der Weltverbinder der pandemischen Zeit, schafft auch hier Abhilfe. Und mit Aurelio Montes Jun. kommentierte eine der bekanntesten Winzer Chiles die Entwicklungen – und natürlich seine Weine.
Rotweine kultiviert man in seinem Hause weitgehend in der Nähe der Anden, denn der kalte Humboldt-Strom prägt die Küsten-nahen Anbaugebiete mit seiner Kühle – die Reife wäre hier gefährdet. Ausführlich spricht Montes über den bewusst gesetzten Schritt hin zur Boutique-Winery. Es ist eine gänzlich andere Weinwelt, die er da skizziert: „Als der erste Jahrgang meines Vaters 1987 herauskam, stellte er den teuersten chilenischen Wein dar – mit einem Flaschenpreis von 15 US-Dollar“. Mittlerweile hat man sich längst etabliert, kein Wein der „Icon“-Serie, die wir heute verkosten, ist unter 60 Euro zu haben. Definiert werden sie durch die Arbeitsweise („man kann nicht viel davon ernten und sie sind etwas Besonderes“) und nicht durch das Weingesetz. Das ist in Chile nämlich ganz im Stil der Neuen Welt recht lose gezimmert.
Insofern sind alle Informationen doppelt wichtig, die der Winzer uns fernmündlich gibt. Etwa jene zum Witterungsverlauf: Dass der Winter 2017 – entscheidend für den Wuchs der 2018 geernteten Trauben – als der regenreichste des letzten Jahrzehnts gilt, gehört schließlich nicht zum Allgemeinwissen europäischer Weintrinker.
Paprikachips mit Anden-Blick: Purple Angel 2018
Es erklärt aber die schiere Saftigkeit und Kraft des ersten Weines. Der „Purple Angel“ ist vielleicht der bekannteste innerhalb der „Icon“-Serie. Er stammt aus Klon-Material, das bereits in Chile entwickelt wurde und verbindet einen 92%-Anteil an Carmenère mit einer Mini-Menge Petit Verdot. Der aus dem Bordeaux stammende Carmenère hat einen besonderen Stellenwert bei Viña Montes und fährt regelmäßig Spitzenbewertungen ein. Der Großteil reift im Colchagua Valley in neuen Barriques (18 Monate), lediglich 20% des Weins stammt aus wiederbefüllten Barrels. Das merkt man dem Duft dieses Montes-Weins auch an: Die Würze – Paprikapulver und Tellicherry Pfeffer – springt einen förmlich an. „Pyrazine“, jene Komponente, die auch Sauvignon Blancs fallweise Grüne Paprika-Noten verleiht, seien sehr präsent im Anbaugebiet, formuliert es Señor Montes: „Chile is very spicy“! Das Ganze wird von einer Duftnote wie von staubigen Lederfolianten begleitet.
Auch im Mund ist die Würze sofort präsent; fein gemahlener Pfeffer und eine Überfülle an dunklen Beeren treten zum Infight an. Noch ist hier auch das Tannin spürbar, doch die kraftvoll gespannte Bogensehne in diesem Wein bringt eindeutig der paprika-würzige Ton hervor. Je länger man diesem 2018er Zeit gibt, desto deutlicher wird ihre Ausgeprägtheit. Wunderbar jugendlich und doch voller Kraft für die lange Strecke – „fünf Jahre Geduld“, empfiehlt Montes jun. – ist dieser Carmenère im Zeichen des Engels.
Eine Überraschung, weil man ihn in einer Blindverkostung wohl nicht in Südamerika verortet hätte, stellt der „Folly“ dar. Er stammt aus steilen Hängen im Apalta Valley und die Reben graben sich hier in einen kargen, von Granit geprägten Boden. Man hat sich am Weingut für Syrah als Rebsorte entschieden und war damit der Pionier in Chile. Geerntet wird entsprechend wenig davon pro Hektar. Das Ergebnis bietet der Nase Brombeere pur – leichte Säure inklusive. Mit etwas Luft kommen Heidelbeeren, aber vor allem merkliche Gewürznoten durch. Es sind ungewöhnliche Düfte wie Kardamom, Bohnenkraut und Braune Senfsaat. Vielleicht auch etwas Moos und Eukalyptus.
Der erste Schluck dieses 2018er Chilenen ist mundfüllend und zeigt wieder die markante Fruchtsäure, die an nicht reife Schwarze Johannesbeeren erinnert. Auch der Nachklang ist intensiv wie „Grether’s Pastillen“, vor allem aber weist er eine ganz feine Chili-Note auf, die sich wunderbar mit dem sanften Tannin, der mächtigen Frucht und lebhaften Säure des „Folly“ verbindet. Auch Aurelio Montes‘ Speisenempfehlung stützt diesen Eindruck von pikanter Lebendigkeit: „Best with strong food with a lot of fat”!
Zu den beiden reinsortigen „Icons“ kommt mit dem „M“ eine Cuvée, die ein wenig die Bordeaux-Liebe von Winery-Gründer Aurelio Montes, dem Senior, widerspiegelt. Der Jahrgang 2018 bringt einen Blend aus 80% Cabernet Sauvignon, 10% Cabernet Franc sowie je 5% Merlot und Petit Verdot in die Flasche. Der hohe Cabernet-Anteil versteckt sich hier als Würze, denn der erste Duft gehört Dörrzwetschken und fleischigen Brombeeren. Immer wieder blitzt aber die Grüne Paprika (erneut „very spicy“!) auf. Sie hält mit der wuchtigen Frucht, die von 15% Alkohol angeschoben wird, prächtig mit.
Die geschliffene Art am Gaumen zeigt weder überschießende Säure, noch markantes Tannin – alles wirkt hier in die Tiefe gebaut. Wie in den Fels geschlagene Reliefs erkennt man die Früchte nicht am Übermaß, sondern erst in der Zurückgenommenheit. Ein wenig Preiselbeere spürt man, aber auch getrocknete Himbeeren mit leicht herbem Einschlag. Wer nur auf Alkohol-Werte starrt, wird von der leisen Leichtfüßigkeit des „M“ überrascht sein: Fast ätherisch verabschiedet er sich mit einer rotfruchtigen Beeren-Note im Abgang. Eindeutig war er der zugänglichste Wein der Montes-Probe. Und wahrscheinlich stellt er auch den europäischsten „Icon“ dar. Und er fordert eine Frage heraus, die eigentlich eine Notiz an uns selbst ist: Warum trinkt man derlei in der Tat nicht öfter?
Bezugsquelle:
Montes, „Purple Angel“ 2018 ist um EUR 66,46 erhältlich, der „Folly“ 2018 kostet EUR 65,45 und der Montes Alpha „M“ 2017 EUR 60,45, alle beim Webshop Vinello, www.vinello.at