Man lernt durchaus was, wenn die botanischen Spürnasen aus dem Schwarzwald wieder ausrücken. Alljährlich gibt es eine „species rara“, eine seltene Zutat im Gin-Rezept von Monkey 47, das als 48. Botanical das Rezept geschmacklich erweitert. Der Kult um diese Edition, den Distiller’s Cut, treibt ziemliche Blüten. Auch wenn die Anzahl der Flaschen auf 5.000 erhöht wurde, ist das für einen deutschen Gin-Welterfolg (den sich längst Gigant Pernod-Ricard gesichert hat) wenig. Die früheren Editionen werden um teils 400 Euro – für den halben Liter in der Apotheker-Flasche mit dem Affen – gehandelt. Macht also ein schönes Präsent für Gin-Trinker aus. Wenn man es noch ergattert….
Doch es kommt ja jährlich ein Distiller’s Cut nach. Womit wir beim Lernen wären. Denn bislang schrieben auch wir gerne in den Trinkprotokollen von Macis und setzten in Klammern „Muskatblüte“ hinzu. Historisch wissen wir uns da in guter Tradition. Doch da laust uns der Affe, botanisch ist es falsch. Denn Macis ist eigentlich ein „aril“ oder „peri-carp“, wie das die Pflanzen-Physiognomie der Muskatnuss (Myristicae arillus) nennt. Mit einem schönen, das Kopf-Kino pornographisch anreichernden deutschen Wort nennt man das Samen-Mantel. Uj! Aber dieser Mantel ist nicht milchig Weiß, sondern ziemlich Rot, was sich beim Trocknen etwas verliert. Der Form und Zartheit nach hielt man das im 11. Jahrhundert für die getrocknete Blüte des Muskat-Baums. Womit wir beschämt feststellen, daß bislang Teile unseres Wissens am Stand von 1070 waren.
Kommen wir also zu Erfreulicherem, nämlich dem Gin selbst. Der duftet schon anders als das Schwarzwälder Original, nämlich würziger und weniger fruchtbetont (vor allem die Preiselbeere kommt ja in Monkey 47-Blindtests gerne durch). Es ist tatsächlich ein Touch Muskat, wenn man ihm Zeit gibt. Nicht zu intensiv, eher, wie man es aus der Weißwurst kennt, die ja auch gerne mit Macis – der Samenmantel ist milder im Gewürzausdruck als die Nuss selbst – zubereitet wird. Auch an weißen Pfeffer und Hirschhornsalz kann man denken bei der „spicy“ Note, dazu kommt etwas Grapefruit-Abrieb.
Auffällig ist aber auch das Mundgefühl, wenn man den Distiller’s Cut pur verkostet. Rund und den Gaumen auskleidend ist der erste Eindruck, in dem aber auch gleich in alle Richtungen die würzigen Funken stieben. Die pfeffrigen Noten sind sofort da, sie werden vom traditionellen Alkohol-Gehalt (natürlich 47%) auch schön transportiert. Der Nachklang ist wieder mit Zitrusfrüchten – diesmal eher die Orange – geprägt. Aber auch die wärmende Art des Muskat-Pericarps kommt durch. Ist eben doch auch ein Mantel, der Samen-Mantel!
Und mit Tonic? Das ist für Gin-Liebhaber natürlich die Frage, die zählt. Nun, da kommen im Duft die Lebkuchen-Noten von Macis, Piment und Pfeffer noch stärker durch, am Gaumen hebt sich die Zitrus-Note, das Herbe des Tonic Waters „schluckt“ das Macis hingegen völlig, wir empfehlen daher einen trockenen, aber nicht zu zitrus-lastigen „Filler“. Man will schließlich auch was haben von seinem Samen-Mantel-Gin, dem Sammler-Stück mit dem Affen.
Bezugsquelle:
Monkey 47, Distiller’s Cut 2019 startete via Verlosung (!) mit 69 Euro (0,5 Liter-Flasche), mittlerweile findet man in vor allem auf Ebay – mit Startpreisen ab 100 Euro, www.ebay.at