Unter den Sammlern von Superhelden-Comics waren die „What if….?“-Ausgaben des Verlags Marvel ein Dauerbrenner. Die langlebige Serie – ursprünglich zwischen 1977 und 1984 publiziert – legte das Konzept der Alternativgeschichte von welthistorischen Ereignissen auf den Heldenkosmos um: „What If Spider-Man had Joined the ‚Fantastic Four‘?”, fragte gleich die erste Ausgabe. Und als Fan wollte man derlei natürlich wissen. Das Konzept funktioniert aber auch in der Whisky-Welt, wie das neue Doppel aus der „Discovery Collection“ von Nikka Whisky zeigt.
Denn die jeweilige „Superkraft“ seiner beiden Destillerien in Yoichi und Miyagikyo wird hier sozusagen getauscht. Dazu muss man ein wenig ausholen. Zum einen ist diese Serie ein Vorgeschmack auf das große Jubiläumsjahr des japanischen Whiskys insgesamt. Denn Masataka Taketsuru, der legendäre Vater des Nippon-Whiskys, errichtete seine erste Brennerei im Jahre 1934. Damals war man auf der Insel Hokkaido zwar noch weit entfernt vom Welt-Ruhm, denn man heute genießt, doch die Ausrichtung an allem, was er während seiner Schottland-Reise auf Islay gesehen hatte, prägt die Arbeitsweise bis heute. Denn die außergewöhnliche Befeuerung der Brennblasen in Yoichi mit Kohle fehlt in keiner Erzählung über die Geschichte von Nikka Whisky.
Und auch die Verwendung von Torfmalz hatte sich Masataka-san auf den Hebriden abgeschaut. Doch eben diese läßt man zwei Jahre vor den 90-Jahr-Feiern weg. In die Flasche kommt ein ungetorfter Single Malt, der somit den „Haus-Stil“ ohne Rauch-Malz darstellt. Der Yoichi „unpeated“ wurde mit 47% vol. gefüllt und bleibt auch ohne „smoky“ Grundierung äußerst maskulin in der Erscheinung. Anfangs dunkel und röstig wie ein Speckbrot, kommt die helle (Stein)Frucht – man denkt vor allem an Nektarine – und gemahlene Mandel durch. Ein bisschen Vanille lässt im Geruch auch an „Pêche Melba“ denken bei dieser fruchtig-intensiven Nase.
Überraschend sanft für seine 47% kleidet der Yoichi den Gaumen aus. Helle Getreide-Noten, etwas Toffee und final auch zarte Pfeffer-Noten sind weit entfernt von der gewohnten Rauchigkeit des Destillerie-Stils – und doch überaus köstlich!
Den quasi „anderen Hut“ setzt man bei Nikka aber auch seiner zweiten und etwas jüngeren Destillerie auf. Die 1967 noch zu Lebzeiten von Masataka Taketsuru eröffnete Brennerei auf Honshū hat als Vorbild eher die weicheren und fruchtigen Whiskys der schottischen Speyside. Doch auch der aus der Miyagikyo-Brennerei stammende Beitrag zur „Discovery Collection“ folgt dem Imperativ „Bäumchen, wechsle Dich!“. Denn für diese limitierte Abfüllung hat man zum Torfmalz gegriffen. „Miyagikyo Peated“ liefert eine nicht anders als fleischig-„geil“ zu nennenden Duft, der zwischen Schweinsbraten-Saft und trocken geröstetem Kreuzkümmel (cumin) oszilliert. Pekan-Nuss und gesalzenes Karamell runden diesen würzig-intensiven Geruch noch ab. Auch Schokolade-Süße mengt sich mitunter dazwischen.
Der erste Schluck des „Miyagikyo Peated“ bringt von Beginn weg einen nussigen Charakter mit. Feiner Rauch zieht sich wie ein Faden durch den gesamten Geschmack. Wobei das rauchige Element eher an würzige Nüsse und Rauchmandeln erinnert denn an Räucherlachs oder geselchtes Fleisch. Die trockene, salzige Note steht dem japanischen Single Malt umso besser, als der mit 48% vol. gefüllte Whisky auch beachtliche Tropenfrucht-Eindrücke mitbringt. Sie erinnern an Papaya und machen den Mittelteil sehr geschmeidig.
Wer diese vertauschten Rollen eher für ein Gimmick aus der Marketing-Abteilung hielt, wird spätestens beim zweiten Schluck dieses gänzlich ungewohnten „Miyagikyo“ seine Ansicht revidieren. Denn der ist großes Kino, wenn auch mit einem ebensolchen Preis – für einen Malt ohne Altersangabe.
Bezugsquelle:
Nikka Whisky, „Miyagikyo Peated“ kostet ebenso wie der „Yoichi Non-Peated“ EUR 274,80 (0,7 Liter-Flasche) im Online-Shop von Banneke, www.banneke.com