Es ist schon ein Zeiterl her, als plötzlich ein Getränk am Tisch stand, das wunderbar altmodisch in seiner dunklen Flasche anmutete. Eine Art italienischer Rossbacher, so wirkte der Zedda Piras – und auch dieser Name machte neugierig. Zumal sich im Gespräch schnell herausstellte, dass dieser Likör doch auch zur großen Familie Campari gehört. Dennoch nie gesehen! Dabei ist die Geschichte der Destillerie, gegründet 1854, keine neue. Noch spannender allerdings ist der Rohstoff des rot-schwarzen „Zedda Piras“: Parfum-Freunde kennen die Myrte vielleicht aus der blauen Serie von Acqua di Parma. „Mirto“ kommt dort aus Panarea, dem vulkanischen Jet-Set-Liebling unter den Liparischen Inseln. Doch in unserem Falle geht es eine Nummer größer und nördlicher: Sardinien lieferte den botanischen Rohstoff für den Likör, der auch das bekannte Wappen der Insel mit den vier Köpfen („quattro mori“) ziert.
Dem „Mirto“ liegen wild gesammelte Myrten-Beeren zugrunde, die in Alkohol eingelegt werden. Das dunkle Ergebnis hat 30% Alk., aber einen unvergleichlichen Geschmack. Wanderwege und lokale Festivals feiern die Myrten und sie geben auch gleich zwei Likören ihren Namen. Aus Blüten, Blättern und maximal den unreifen Früchten stammt der „Biano“. Dagegen stellt unsere Variante den „Rosso“ aus dem Hause „Zedda Piras“ dar, dessen eigenartiger Name sich simpel der Kombination des Nachnamens von Gründer Francesco Zedda mit dem Mädchennamen seiner Mutter verdankt. Es ist eine eigenartige Mischung, die sanfter als die Bitterliköre ist, aber doch recht herb auf den Gaumen kommt. Und es ist eine Mischung, die vielen schmecken dürfte, zumal sie als Apéro ebenso durchgeht wie als Digestiv.
Wie ein Pinienwald hüllen die Noten des mediterranen Unterholzes Macchia die Beeren-Töne leicht harzig ein. Die Herkunft aus dem Wald („con bacche selvatiche“, präzisiert das Etikett) ist unverkennbar. Maulbeere und Brombeere sorgen für ein fruchtig dichtes, aber nicht allzu süßes Duftbild. Klassischer Weise auf Eis gereicht, bringt dieser Likör einen saftig-herben, ja fast medizinalen Grundton mit. Es dauert ein wenig, bis sich die Myrtenbeeren bemerkbar machen. Denn davor baut sich eine aromatische Wand auf, die an Ricola-Zuckerl erinnert. Dazu gesellt sich eine Dosis Eukalyptus und Pfefferminze, ehe dann das Finish mit der Heidelbeer-Frucht aufwartet, die der nächste Verwandte der Myrte ist. Auch geerntet werden beide mit einem Spezialrechen bzw. „Kamm“.
Dass der „Mirto“ nun erst unter die Lupe genommen wird, hat mit einer Zutat zu tun, die nun ihre Reife erlangt hat. Denn Liköre mit herber Grundierung – etwa auch der aus dem Campari-Reich stammende „Averna“ – passen kongenial zu frischer Blutorange. Oder umgekehrt. 1:1 oder nach persönlichem Gusto mit mehr Saft. Traditionalisten wie die Gründerfamilie in Caltanissetta/Sizilien trinken diesen Mix auch nur dann, wenn es frische Tarocco-Orangen gibt. Und man kann ihnen auch im kälteren Österreich beipflichten, dass kein Saft diese frisch gepresste Köstlichkeit ersetzen kann. Feinster Italo-Mix! Auch wenn unsere Orangen aus Kalabrien stammten. Aber auch dort wächst sicher Myrte…
Bezugsquelle:
Zedda Piras, „Mirto Rosso Di Sardegna“ kostet EUR 15,90 (0,7-Liter-Flasche) beim Weisshaus-Versand, www.weisshaus.at