Die ehemalige Weingartenhofmeisterei des Stifts St. Florian gibt zwar immer noch den Namen des Weinguts her – doch der neue Keller samt Kosträumen befindet sich ein Stück die Hauptstraße von Wösendorf hinauf. Hanna und Mathias Hirtzberger entschieden sich für eine äußere Form des Neubaus, der so aussieht, als wäre er schon zwei Jahrhunderte im Ortsverband. Architekturfans werden den Handputz, durch den die Fassade außen wie ein beiges Relief in der Wachauer Sonne schimmert, lieben. Aber auch die schwebende Treppe im Inneren.
Mindestens genau so wichtig ist im Kellerteil aber die lichte Höhe und die einfache Anlieferung der Trauben direkt aus den angrenzenden Lagen wie dem Kollmütz (JAAAA nicht zu verwechseln mit dem Kollmitz im benachbarten Joching!). Die ermöglicht die neue Adresse dem seit 2014 aktiven Weinbau-Pärchen. Das sollte natürlich gefeiert werden und zwischen Generalabt, Landesrat und anderen Honoratioren wollten wir gleich auch die ersten 2018er – ab 1. Mai dürfen die als Smaragd klassifizierten Wein ja in den Verkauf – der Weinhofmeisterei verkosten.
Und heureka, für ein Glas Wein aus der 2018er Serie blieb auch im sonnen-geküßten Eröffnungstrubel Zeit. Es handelt sich um den Grünen Veltliner „Treu“, ein Federspiel nach Wachauer Codex, der aus der „Wappen“-Serie Mathias Hirtzbergers (kl. Foto links) stammt. Die Trauben dafür kommen nicht aus einer Einzellage, sondern ermöglichen so etwas wie Ortsweine aus den insgesamt zehn Hektar Rebfläche. Bei aller Jugend gefällt dieser Willkommensschluck schon ausnehmend gut: Bergamotte und Golden Delicious-Apfel, aber auch zarte Nektarine finden sich im fruchtig-expressiven Duft. Der „Treu“ bringt am Gaumen eine feine Mineralik von Beginn weg ein.
„Die Rauchigkeit ist typisch für Wösendorf“, ergänzt Hanna Hirtzberger unseren Eindruck. Ja, da klingt fein der Boden durch! Wieder ist da aber auch saftige Zitrusfrucht, diesmal als schön reifes Orangen-Fruchtfleisch ausgeprägt. Cremig legt sich das wertige Federspiel mit dem Schmelz von Nussbröseln auf den Gaumen. Das Finish ist ebenfalls leicht rauchig und vibriert mit seiner leichten Pfeffrigkeit fast nach.
Aus der Lagen-Wein-Serie steht dann der „Kollmütz“ 2018 zum Vergleich bereit, er wäre in der Definition der Vinea Wachau ein Smaragd. Der bringt einen Grünen Veltliner-Typus mit, der an Gelbe Paprika, Karamell und Salzzitronen erinnert. Dieses balancierte Spiel setzt sich am Gaumen fort; hier geben eher zarte Ananas, Birnen-Nektar und Papaya die Aroma-Darsteller. Der saftige Fruchtschmelz bleibt eindrücklich haften. Antrinkbar mag der „Kollmütz“ sein – aber was wird er erst in sechs Jahren für Freude bereiten!
Anders im Typus, nicht im Lagerpotenzial, fällt dann der „Spitaler“ 2018 aus, ein weiterer Smaragd, der den Grünen Veltliner in einer kräuter-würzigen Wachauer Lesart vorstellt. Man kann es ruhig deutlich sagen: Das oft als Ausrede für den Nicht-Kauf der hochpreisigen Wachauer verwendete Vorurteil der „Üppigkeit“ und „Süße“ greift hier definitiv nicht. Wer dieses Bild hat, kam offenbar schon lange in keinen Keller des Flusstals kosten! Wie die Zeiten sich geändert haben, zeigt der „Spitaler“ schön: Heller Tabak im Duftbild, dazu Mango und Walnuss, stellt sich ein, wenn man ihm Luft gibt. Denn es ist der kräftigste, aber auch der noch verschlossenste der 2018er. Fein schwebt auch Zitronenmelisse über dem Glas, erweiterte Frische bieten Grapefruitzesten.
Im Mund schält sich aus dem saftigen Fruchtmix allmählich eine Kombi kühler (das Wort darf man sich unterstreichen!) Tropenfrüchte wie Banane, Ananas und auch Mango heraus. Das süß-saure Spiel dieses Veltliners hat etwas von perfekt balanciertem Paprikakraut: Die leichte Ingwernote und wieder Melisse und Thai-Basilikum halten bis ins Finish diese Spannung aufrecht. Das Ganze geschieht übrigens bei 14 Volumsprozent, die aber weitaus leichtfüßiger daherkommen. In dieser Hinsicht spiegelt sich das Gebäude nicht nur aufgrund der Wachauer Abendsonne im Kost-Glas: Auch der „Spitaler“ hat ein modernes Innenleben.
Bezugsquelle:
Weinhofmeisterei Hirtzberger, Grüner Veltliner „Treu“ 2018 ist um EUR 17,65 erhältlich, der Veltliner Smaragd „Kollmütz“ 2018 um EUR 39,60 – beide beim Weinversand Vinorama, www.vinorama.at
Der Veltliner Smaragd „Spitaler“ 2018 kostet EUR 31,70; ihn gibt es beim Weinhandelshaus Döllerer, www.weinhandelshaus.at