Soll bitte keiner sagen, beim Trinken lernt man nichts! Der Whisky in unserem Glas liefert faktisch ein ganzes Tutorium in Sachen Agrarindustrialisierung der letzten Jahrzehnte. Auftritt: Maris Otter. Der markante Name schmückt eine Gerstensorte, die 1965 – also vor 50 Jahren – das Licht der Farm-Welt erblickte. Das in Cambridge beheimatete Plant Breeding Institute (PBI) hatte die Sorte bewusst als Braugerste gezüchtet, die leichte Handhabung von „Maris Otter“ machte es schnell zum Liebling der britischen Brauerszene. Zumal der leicht nussige Geschmack dem Pale Ale gut anstand. Doch vor dem Brauer kommt der Bauer.
Und der hatte bald andere Sorten, die leichter anzubauen (der „Otter“ war Wintergerste) und vor allem ertragreicher waren. „Pearl“ und „Optic“ forcierten die Saatgutfirmen. Überlebt hat die Sorte dennoch, seit einigen Jahren feiert sie sogar ein Comeback. Denn mit Maris Otter kann selbst der Hobbybrauer sein Bier machen; ihre gemälzte Version „verzeiht“ viel. Die neue Liebe zur urbritischen Gerste blieb auch Bill Lumsden nicht verborgen, dem Director of Distilling bei Glenmorangie. „Das reiche Geschmacksprofil bietet einen faszinierenden Kontrast zum delikaten Glenmorangie Stil“, befand Doktor Lumsden in Schottland und mälzte eine Fuhre für die sechste Private Edition der Destillerie. „Tùsail“ – im Gälischen steht der Name des Whiskys für „Ursprung“ – wird also nicht durch die verwendeten Fässer für die Reifung der Brände zur Besonderheit, sondern durch das -Malz.
Der relativ helle Whisky – über die Dauer der Lagerung gibt es keine Angabe – riecht nach Nussecken und Ingwer, auch ein wenig rauchig scheint der Tùsail zu Beginn. Lässt man ihm Zeit, dreht die malzige Süße immer mehr auf. Wer den Gerstenboden von Brauereien kennt, wird diesen Geruch – natürlich zart überpinselt von der Schärfe der 46% Alkohol – wiedererkennen. [Noch deutlicher wird es mit ein paar Tropfen Wasser, dann erinnert der Duft an eine frisch geöffnete Soletti-Packung]
Der erste Schluck ist für die offenbar kurze Fasslagerung erstaunlich vielschichtig: Hier setzt die zarte Süße schon früh ein, die Fruchtigkeit lässt sich aber nur schwer zuordnen, ein wenig erinnert es an eine alkoholisch aufgepowerte Nusspalatschinken-Füllung. Gekochte Maroni, ein wenig Nougat (vor allem mit Wasser-Beigabe!) kleiden den Mittelteil von Glenmorangies „Limited“ Nr. 6 aus. Etwas Marille und vor allem Zimt prägen das Finish, das bei aller „Karamelligkeit“ auch eine Prise Salz auf den Gaumen bringt.
Fazit: Ein vollmundiger und doch leichter Whisky ist hier entstanden, der vor allem Gegnern eines rauchigen Malt-Stils durchaus eine Alternative bieten kann ohne in florale Belanglosigkeit abzufallen.
Bezugsquelle:
Glenmorangie, Private Edition Nr. 6 „Tùsail“ ist um EUR 89,90 (0,7 Liter-Flasche) im Weisshaus-Shop erhältlich, www.weisshaus.at