Wie oft ist in meinem Alter noch etwas das erste Mal? Diese gute Frage, einpflanzt von einer Freundin, befeuert eine Art persönliches Anti-Vanitas-Motiv: Ich suche manisch Neuheiten und rufe wieder einmal „Hurra“ – denn eine Magnum Apfelsaft stellt eine kleine, aber zweifellos echte Premiere im Trinkprotokollanten-Dasein dar. Mitgebracht hatte sie Thomas Kohl, der selbst einen weiteren Anfahrtsweg hatte. Der Südtiroler betreut seine Apfelbäume, die zusammen mit der Ernte von Vertragsbauern die solide Basis für die daraus gepressten „Kohl Säfte“ liefern.
Der Weg zu einem international agierenden Anbieter ungesüßter Säfte ohne Farbstoff-Zusatz war allerdings zögerlicher, als es die Magnum in ihrem massiven und modernen Erscheinungsbild vermuten lässt. Denn schon Kohls Vater begann neben der Viehwirtschaft mit etwas Apfelanbau, erst 2004 folgte dann am Ritten aber die eigene Saftproduktion. Der nächste logische Schritt – die ausschließliche Verwendung für sortenreine Säfte – folgte 2007. Der Markenauftritt feierte 2010 seine Premiere. Mittlerweile kann man von einer perfekt gestylten Linie sprechen, wobei die Intelligenz des Auftritts nicht an Äußerlichkeiten liegt.
Die clevere Idee stellt vielmehr eine Vorsilbe dar: Berg-. Wie in Bergapfel, die man in Südtirol eben zu Säften verarbeitet. Dabei steht hinter den Früchten mit diesem Präfix eine echte Definition, nur Obst, das über 700 Meter Seehöhe wächst, darf so heißen. „Wir sind aber fast auf 1.000 Meter“, präzisiert Kohl. Die kühlen Nächte im Gebirge sorgen dafür, dass sich die Säure nicht so schnell abbaut. Sie ist es, die den Saft davor bewahrt, „breit“ zu schmecken. Den Vorteil dieser Lage macht man sich am Obsthof Troidner zunutze und presst nicht nur reinsortige Apfelsäfte (sechs an der Zahl), sondern mischt auch mit anderem Obst.
Der ganze Stolz Thomas Kohls ist aber die Linie der alten Apfelsorten, die er unter dem Label „Grand Cru“ firmieren lässt. Gänzlich auf die Spitze wird diese Weinanalogie mit der Abfüllung von Magnumflaschen – wir reden immer noch von Apfelsaft. 4.000 Flaschen gibt es jeweils von der Ananas-Renette bzw. der Winter-Calville. Und „Winter“ haben wir selber genug in Österreich, ergo kosteten wir lieber die nach Süden klingende Ananas-Renette. Wobei: Kann man einen (Apfel-)Saft wie einen Wein beschreiben? Diese berechtigte Frage stellt sich wieder – und wir haben sie seit Bestehen des Trinkprotokolls mit „Ja“ beantwortet. Denn das bewährte Instrumentarium, die biegsame Sprache, vermag es auch, die Aromen-Charakteristik von alkoholfreien Getränken zu erfassen. Ergänzt um Trinkanlass und das Preis-Genuss-Verhältnis, bei dem jeder selbst entscheiden muss, was zu ihm passt, lassen sich alle Getränke in einen Referenzrahmen einordnen.
Säure der Nacht: Der frische Biss der Renette
Doch haken wir die staatstragend-steife Selbstauskunft ab – denn dieser Saft macht es leicht, darüber zu schreiben. Es beginnt bei der Gemüsesuppen-artigen Intensität im Duft: Gelber Paprika ist da, aber auch ein deutlicher säuerlicher Zug, reife Früchte wie Ananas kommen durch, aber auch Curry-Blätter und etwas grüne Mango. Der Hinweis „grün“ ist wesentlich, denn die Frische tritt im Geruch hervor, bisweilen denkt man an Nori-Algen beim würzig-grünen Gemenge. Und die Nase findet vor allem gar nichts vom mostig-überreifen Duft mancher Apfelpressungen.
Die Säure und Frische im ersten Moment erinnert an frisch gepresste Zitrusfrüchte, ehe dann der Fruchtzucker und ein unverkennbare Apfel-Aromatik einsetzen. Das Säure-Süße-Spiel wie man es von Curries, dem Letscho oder einer italienischen Peperonata kennt, prägt dann den weiteren Geschmacksverlauf. Immer auf der säurigen (nicht sauren!) Seite unterwegs, assoziiert man Pomelo, nicht zu süße Hawai-Ananas, aber auch Quitte und Kumquats. Wer seinen Apfelsaft grundsätzlich nur „gespritzt“ trinkt, kann sich das hier vermutlich sparen, so erfrischend kommt der Saft – man muss es nochmals sagen: aus der Magnumflasche – ins Glas.
Bezugsquelle:
Thomas Kohl, Ananas-Renette in der 1,5-Liter-Flasche ist um EUR 20,40 bei Doellerers Genusswelten erhältlich, http://shop.doellerer.at