Fass-gelagerte Gins sind so eine Sache. Puristen kosten sie gleich gar nicht. Die richtige Dosis, sprich Lagerzeit, zu erwischen ist schwierig, schnell überlagern die Sekundärnoten des Fasses die Subtilität des Gins. Zumal da noch die Wahl des Fasses wäre, die im Extremfall ein Gin & Tonic verunmöglicht. Man will Kräuter und Zitrusfrische im Longdrink, nicht Leder und Karamell! Doch man kann auch aus den Fehlern lernen, zumal wenn man einen ganzen Keller von Fässern in Jerez stehen hat. Der „London No.1” war bereits bisher ein Produkt der Sherry-Familie González Byass, die den mit Hibiskus markant blau gefärbten Gin gut positionierte.
Nun durfte auch er – allerdings nur für drei Monate – ins Fass. Und das natürlich „daheim“ in Jerez, auch wenn die Destillation nach wie vor in London erfolgt. Wie das nach dem „Brexit“ wird, muss sich erst weisen, aber der „Sherry Cask Gin“ ist ohnehin bereits gefüllt und hat unsere volle Aufmerksamkeit: Wird es ein „Brett zum Trinken“ oder gibt der Sherry seine im Fass verbliebene Kraft ab? Immerhin ist es das „unterste“ Fass aus den drei Reihen einer so genannten Solera (nachgefüllt wird mit dem jüngsten Sherry, abgefüllt die älteste Mischung von Jahrgängen), in dem der Fino Sherry Tío Pepe somit zehn Jahre verbracht hat?
Der Duft bringt eine salzige Note mit, die an Erdnuss-Snacks erinnert, aber auch mit wildem Thymian die Würze und Kräutrigkeit des Tío Pepe aufblitzen lässt. Die Komplexität erschließt sich dem, der auch ein wenig warten kann: Nimmt der fass-gelagerte Gin Temperatur an, kommen auch Bergamotten-Schalen (ein Botanical des Destillats) klarer durch, aber auch eine buttrige Komponente, die an „Leibniz-Keks“ anklingt. Der Kostschluck fällt für die 43 Volumsprozent fast sanft aus; der würzige Grund-Ton wird aber sofort angeschlagen. Er baut sich dann immer mehr auf, dazu kommt das „Rancio“ des Sherrys, also eine Mischung aus brauner Butter und Mandeln. Diese Note dreht in Richtung von Pekan-Nüssen, die im Finish präsent sind.
Mit Eis serviert, bringt der neue „London No.1“ dann auch den Wacholder stärker durch, die Cremigkeit dieses spannenden Spaniers kommt dann auch klarer zum Vorschein. Mit Tonic Water sollte man hier vorsichtig experimentieren, vor allem zu süße „Filler“ zerstören die subtilen Noten, derentwegen der Gin ins Fass sollte. Wenn schon als Longdrink, dann wäre hier der gute, alte Gin Fizz angesagt – vielleicht mit ein paar Tropfen Bergamotten-Likör als Säurequelle. Oder man lässt für zehn Minuten einen Beutel Earl Grey im Cocktailglas abhängen, ehe man den Gin dann aufgießt – eine ebenso witzige, wie geschmackvolle Servierart.
Bezugsquelle:
London Gin N°1, Sherry Cask Gin ist um EUR 56,50 (0,7 Liter-Flasche) bei Belvini erhältlich, www.belvini.de