Das Priorat stellt längst eine der bekanntesten Weinregionen dar. Vor allem hat die vom Schiefer geprägte Enklave der größeren Region Montsant den spanischen Rotwein abseits des Rioja wieder spannend gemacht. Einem Winzer zuzuhören, der diese Entwicklung von Kindesbeinen an miterlebte, ist aber spannender als die Nacherzählung des eh schon Bekannten. „33 Jahre arbeite ich mit meinem Vater zusammen“, so René Barbier, der zudem den gleichen Namen wie der Pionier des Priorats trägt. „Mittlerweile bin ich der vierte René, mein Sohn ist der fünfte Namensträger“. Und die Nummer 3, René Barbier senior, begann 1989 mit vier Winzerfreunden, den Garnacha mit internationalen Sorten zusammen zu bringen.
Dass der Cabernet Sauvignon, auf den man in den Pioniertagen setzte, immer weniger wird, die spanischen Rebsorten dafür mehr, ist eine der Erkenntnisse der ausführlichen Verkostung mit Barbier, in diesem Falle dem Junior. „Clos Mogador“ wurde als Frucht dieser Bemühungen weltberühmt, drei Jahrgänge davon standen in der Wiener WineBank – „alle drei, 2008, 2014 und 2021, waren kühle Jahrgänge“. Diese sind selten geworden im Priorat, wovon ein außergewöhnlicher und reinsortiger Wein erzählt. „Manyetes“ stammt von einem niedrigen, steinigen Weingarten in Süd-Ausrichtung, „aus vier oder fünf Rebstöcken erhalte ich eine Flasche“, so der Winzer. Allerdings ist der Garnacha von diesem exponierten, heißen Platz in Gratallops für René Barbier jun. auch jener, „den du riechst und weißt: das ist Priorat“!
Blunzenduft vom Schiefergrund: „Manyetes 2021“
Der Jahrgang 2021 dieses Weins verbindet ungewöhnliche Würze-Noten, die ohne Frucht auskommen und geradezu aberwitzig vom berühmten „Licorella“-Boden erzählen: Feuerstein in hohem Maße, aber auch frische Blutwurst und Leder zeigen die Außergewöhnlichkeit an. Das Mundgefühl ist angenehm seidig, die wahre Überraschung nach einem erneuten Fleischsaft-Blut-Roter Apfel-Moment liefert dann aber das Tannin. Als hätten die Trauben alles ins Überleben der Pflanzen gelegt und keinen Gerbstoff gebildet, wirkt dieser Wein. Der 2021er ist wunderbar zugänglich und von einer Sauerkirsch-Frucht geprägt. Sie setzt aber spät ein, als hätte sich der „Manyetes“ erinnert, dass Rotweine gemeinhin auch fruchtige Noten aufweisen sollten. Eine verblüffende Top-Form, die dieser ungewöhnliche Wein da zeigte!
Das gilt in ähnlicher Weise auch für das Flaggschiff Clos Mogador aus dem Jahr 2021. Er weist mit einem Duftbild nach Veilchen, Schokokuchen, Hibiskus und reifer Weichsel in eine andere Richtung. Ein Quäntchen vorwitziger Cabernet hat auch noch für einen Hauch piment d’Espelette gesorgt. 10% sind es aktuell noch im Blend, den Rest bestreiten Garnacha (45%), Carignan (29%) und Syrah (16%). Beeren-Konfit aus dunklen und roten Früchten sowie Kaffee zeigen die Janusköpfigkeit dieses Weines.
Priorato is not about the balance of the wines, it’s about the character!
René Barbier, Clos Mogador
Er ist ebenso zugänglich, wie auch für die lange Strecke gebaut. Wer dieses scheinbare Paradoxon mit der Rhône verbindet, erfreut den spanischen Winzer. Denn von hier stammt die Familie ursprünglich.
Der Clos Mogador 2021 zeigt zudem reintönige Sauerkirsch-Noten, die ihn mit einer Saftigkeit ausstatten, die aber nie ausapert. „Das ist der Jetzt-Zustand“, präzisiert René Barbier jun. angesichts unserer Begeisterung. Denn der Jahrgang 2014, der zum Vergleich ins Glas kommt, zeigt ein ganz anderes Bild. Hier schimmert mit Pumpernickel und schwarzen Brombeeren die Würze des Schiefers alias „licorella“ deutlich durch. Zur Sauerkirsche kommt bei diesem zehn Jahre alten Priorat-Roten auch Schwarzer Pfeffer, der Gerbstoff hat sich zurückgebildet und lässt Boden-bedingte Würzigkeit und Frucht in einem tollen Licht erstrahlen. Wenn hier die Reise des 2021er Clos Mogador hingeht, dann wird das ein Freudentag, wenn er geöffnet wird, irgendwann 2032 oder so.
Bereits jetzt geöffnet wurde hingegen der „Vie de Vila“, ein Rosé aus der größeren Appellation Montsant. Diese reduktive Art eines Rosés musste man einmal verdauen, zumal ihr Trinkprotokollant noch die Provence-Weine in Rosa vom Vortag als Stilmuster im Kopf hatte.
Doch damit gibt es nun drei Weinfarben, denn auch den weißen „Clos Nelin“ hatte Barbier in drei Jahrgängen mitgebracht. Garnacha Blanca, Macabeo, Marsanne, Viognier und Xarel-lo sind in der Cuvée aus acht Sorten präsent. Der reduktive Stil braucht viel Luft, um sich in seiner Jugend (wir tranken 2021 als aktuellen Jahrgang) zu öffnen. Dann kommen Birnenwürfel, Heu, viel Salz und Sesam durch, was den Österreicher an die pikanten Noten von „Goldfischli“ denken lässt. Denn auch ein zart rauchig-röstiges Element schwingt in diesem Geruch mit.
Im Mund findet sich die helle Frucht von Birnen wieder, hier sind auch Apfelstücke dabei, wobei auch ein Touch von Pizzateig und Weißem Pfeffer zu schmecken ist. Man geht sicher nicht fehl, wenn man behauptet, dass diese Würze noch zulegen wird. Die Eleganz, die der „Clos Nelin“ dann haben wird, zeichnet sich bereits ab. Gänzlich sicher wird man in der Vertikale, die dann den Jahrgang 2011 dagegen stellt. Wie salzig unterlegte Cavaillon-Melone duftet dieser Wein, der in seinem Spiel an einen Fino Sherry (en rama, also mit Hefe gefüllt) erinnert. Auch als „nicht süßer Vin Santo“ wurde diese Intensität bei aller Trockenheit der Cuvée beschrieben. Eine gute Analogie, denn der 2014er zeigt sich zum Beißen dicht und mit einer packenden, kaum mehr fruchtigen Art, die allenfalls Quittenkäse zeigt. Ansonsten regiert die Mineralität des Schiefers, hier als dunkle Gewürznote – Schwarzkümmel und Kardamom – ausgedrückt.
Wenig überraschend gehört dieser Wein wie der Clos Mogador 2014 auch zu René Barbiers Favoriten. Und die entsprechenden 2021er, so hoffen wir an seiner Seite, werden wohl exakt diese Richtung einschlagen. Und dann erneut unverwechselbar vom Priorat erzählen. Und vom „licorella“.
Bezugsquellen:
Clos Mogador, Manyetes 2021 ist um EUR 74,80 zu erwerben, der Clos Mogador 2021 kostet EUR 75,80 und der Weißwein „Clos Nelin“ 2021 ist um EUR 52,50 zu haben, alle beim Importeur L.Derksen, www.derksen.at