Ein unverwüstlicher Bonvivant, der voller Ideen für „seine“ Wein-Entdeckung Bolgheri brennt. So kennt man Marchese Lodovico Antinori. Und mit seiner Tochter Sophia geht der mittlerweile 80 Jahre alt gewordene, legendäre Maremma-Winzer nun sein letztes Weinprojekt an. Tenuta del Nicchio heisst das neu gestartete Weingut, mit dem in den kommenden Jahren das aktuelle Flaggschiff „Lodovico“ flankiert werden soll. Diesen Wein gibt es seit dem Jahr 2007, doch die wichtigeren Zahlen stellen die Relation zwischen der Weingarten-Größe in der Alta Maremma (sechs Hektar) und der erzeugten Menge dieser Cuvée (unter 10.000 Flaschen) her. Es wird also radikal ausgedünnt, um den Blend aus Cabernet Franc und geringen Anteilen an Merlot und Petit Verdot (zumeist kumuliert zehn Prozent) zu erstellen.
Das alles erzählt uns der Marchese bestens gelaunt während der Belgrader Weinmesse, wo ihn zum Glück noch nicht viele Besucher erkannt haben. Damit bleibt Zeit, sich über das Weinmachen zu unterhalten. 16 Monate bleibt die Cuvée „Lodovico“ im Barrique, ein ganzes Jahr an Flaschenreife schließt sich an. Und doch sind die Weine stärker vom Jahrgang geprägt. Das zeigt die Verkostung und der Marchese wäre der letzte, der das abstreiten würde. Im Gegenteil: Es ist die große Leidenschaft des 80-Jährigen für sein neues Projekt, die man spürt, wenn er zum Vergleich der beiden Jahrgänge geradezu aufruft.
Dazu muss man wissen: 2018 war es der höhere Merlot-Anteil, der den „Lodovico“ prägte (wie es bereits 2013 der Fall). Der verregnete Jahrgang forderte seinen Tribut. Der resultiert allerdings in einem fruchtigen Duft, in dem Himbeeren einen wichtige Rolle spielen. Der Cabernet hat hier weniger Spuren hinterlassen. Im Verlauf der Probe dreht der Geruch mit Noten von Brombeere und Graphit auch klar in die Beeren-dunkle Richtung des Merlots.
Am Gaumen wirkt der Rotwein aus Bolgheri bereits sehr zugänglich. Die weit entwickelte Art bringt auch sofort die Frucht-Seite zum Klingen. Breite Schultern sind erkennbar, doch die Noten von Hibiskus, Dörrzwetschke und (erneut) Himbeere machen es leicht, diesen Blend zu mögen. Vielleicht zu leicht. „Er ist sehr zugänglich“, formuliert es Lodovico Antinori himself.
Der 2019er „Lodovico“ dagegen hat da klar die Signatur des Cabernet Francs aufzuweisen. Und er scheint eher den hohen Anforderungen des Marchese gerecht zu werden. „Da wollen wir hin“, kommentiert er den Kostschluck. Und der Wein erzählt auch mehr von der Sorte, die für den Aufstieg der Weine Bolgheris so wesentlich wurde: Die Gewürzpaprika-Düfte sind bei ihm so ausgeprägt, aber auch zwischen Pikanz, Säure und leichter Erdigkeit angelegt, dass man an feine Cornichons denkt. Dahinter ist die Frucht tiefgründig, aber eben nicht von dunklen Beeren-Tönen, sondern herb-säurigen Wald-Findlingen – vor allem Schlehe – geprägt.
Der auffälligste Punkt aber ist das Mundgefühl des aktuellen Jahrgangs, das man nur mit „seidig“ beschreiben kann. Der Gerbstoff ist fein zerstäubt und unterstützt einen ewig langen, aber auch unglaublich weichen Wein. Das ist angesichts des so würze-betonten Dufts eine kleine Überraschung. Vor allem aber zeigt es, welche Sensation dieser Wein bereits jetzt ist. Womit man voller Überzeugung dem Gastgeber zustimmen kann: „Lodovico“ 2019 ist der Wein für die lange Lagerung, während man den 2018er durchaus schon in den nächsten Jahren als großen Bordeaux-inspirierten Maremma-Blend genießen kann. Das nötige Geld für diese Rarität wird aber in beiden Fällen vorausgesetzt. Grazie, Marchese!
Bezugsquellen:
Tenuta del Nicchio, „Lodovico“ 2019 kostet EUR 499 im Versandhandel von Vinorama, www.vinorama.at
Tenuta del Nicchio, „Lodovico“ 2018 ist um EUR 450 bei Lobenbergs Gute Wine erhältlich, www.gute-weine.de