Immer wieder brechen wir eine Lanze für reifere Jahrgänge. Wer viel mit Weinfreunden unterwegs ist, kann auch gar nicht anders. Ein Winzer hat das einmal gut formuliert: „Ich will die Weine ja nicht als Pubertierende kennenlernen“. Es gibt aber einen Haken, wenn man sich nicht jeden Tag für eine (teure) Vertikal-Verkostung anmelden möchte oder keinen weitläufigen Keller samt Buch über seinen Inhalt pflegt: Man ist auf gereifte Weine im Handel angewiesen. Idealiter solche, die genau jetzt ihr Genuss-Plateau haben. Mittlerweile haben es viele Winzer verstanden, Platz zu schaffen und auch Abfüllungen am Weingut wegzulegen. Das Zauberwort schlechthin heißt dabei „late release“. Denn wie am Kunstmarkt auch gibt es beim – weit weniger kostspieligem – Weinraritäten-Kauf das Thema Nr. 1: die Provenienz.
Der herrlichste Altwein nützt nichts, wenn er zehn Jahre unter Neon-Sonne in einer Vinothek „reifte“ oder neben einem Kühlschrank im Restaurant gelagert wurde. Da sollte man lieber gleich von Endlagerstätte sprechen. Die gleichbleibenden Kellerbedingungen und das Vertrauen zum Winzer sind nicht zu schlagen, wenn es um Herkunft geht. Wobei es nicht immer um die zeitversetzte Präsentation bereits gefüllter Weine gehen muss. „Spätfüllung“ wäre ebenso eine Übersetzungsmöglichkeit für „late release“ und als solche kommt bei der Genossenschaft Domäne Wachau nun die Paraderiede Achleiten mit einem Veltiner auf den Markt.
Aus der Lese 2015 stammend, reifte dieser Wein mehr als fünf Jahre im großen Holzfass und wurde ohne Schönung und Filtration gefüllt. Bereits einmal, mit dem „Kellerberg“, hatte man eine Variante nach zehn Jahren im Keller vorgestellt. In diesem Fall wollten Weingutsleiter Roman Horvath und Kellermeister Heinz Frischengruber „das Potenzial eines Jahrgangs offenlegen“. Zum anderen sollte aber auch der Charakter der Riede Achleiten noch individueller herausgearbeitet werden“, so Roman Horvath, MW.
Die Weissenkirchner Riede mit ihrem kargen Boden bringt durch den stetig wehenden Wind auch in wärmeren Jahren gute Säure-Werte mit. Die Domäne Wachau ist mit ihren Winzer-Familien der größte Weingarten-Eigentümer; sechs Hektar Rebfläche teilen sich ziemlich gleich zwischen den Wachauer Regenten Riesling und Grüner Veltliner auf. Die Trauben für den ersten Wein der so genannten „Backstage“-Serie stammen von den oberen Parzellen der Lage. Doch ad vinum!
Jede Nuance des Duftbilds zeigt hier die Noblesse eines Smaragds: Pomelo, Gelber Apfel, etwas grillierte Ananas, Spuren von Traubenzucker und auch Mandelsplitter notierten wir. Ein leichter Pfirsich-Touch ließe in Blindverkostungen ev. auch an Riesling denken, doch das scheint eher dem Rebstock-Alter und dem Charakter der Riede geschuldet. „Die Ausprägung der Lage zeigt sich hier stärker als die der Rebsorte“, bestätigt Heinz Frischengruber, dass die Nase durchaus noch richtig funktioniert.
Alles ist da, nur kein „Alterston“. Falls das irgendwer befürchtet hätte nach „nur“ fünf Jahren. Der feine Fluss am Gaumen zeigt die dosierte Kraft eines reiferen, aber immer noch jugendlichen Veltliners an. Viel Fruchtausdruck ist auch da zu bemerken; von Apfelringen über etwas Mandarine bis zu Grüner Mango reicht das Spektrum. Zarte Salzigkeit liefert einen Gegenpol, der final noch von einem plötzlich einfallenden, leisen Rauch-Tönchen ergänzt wird. Im Grunde ist dieser Achleiten 2015 genau so, wie man sich das der Papierform nach erträumt hatte: In sich ruhend und aktuell in toller Form.
Leider gingen sich nicht mehr als 1.500 Flaschen des „Late Release“ oder „LR“ aus. Die gute Nachricht für Freunde trinkreifer Weißweine: Es soll nun jedes Jahr einen „LR“ der Domäne geben! Wozu man nur „RL“ – wie „Riesenlob“ – sagen kann.
Bezugsquelle:
Domäne Wachau, Grüner Veltliner Smaragd „Achleiten“ 2015 (LR) ist um EUR 33 im Webshop der Genossenschaft erhältlich, www.domaene-wachau.at