Wer bei diesen Wohlgerüchen weiter auf das „wichtige“ Handy schaut, versteht nichts von gutem Essen. So einfach kommen einem fallweise die Erkenntnisse eingeschossen! In diesem Fall wurden sie vom Knoblauchsalami-Duft und einem feinen Käse-Stinkerl getriggert. Ort des Geschehens war Oliver Pozzobons Geschäft Tiboli im schönen Mödling. Ein paar Schritte vom Wohnhaus des verehrten Autors Albert Drach entfernt, wagt er hier eine Kombi, die in Zeiten des Ausschließens ungewöhnlich ist. Frankreich und Italien vereinen ihre Genusskompetenz im Laden mit angeschlossener Kosttheke. Wo wir uns einfanden, braucht wohl nicht weiter erläutert werden. Wohl aber, dass es um die Friulaner Gewächse ging, die Signore Pozzobon führt. Also keine Supertuscans oder Cuvées mit absehbarem Plot der Marke „Merlot-trifft-Cabernet“. Sondern so Feines wie Pignolo oder Refosco.
Eines seiner Lieblingsweingüter nennt sich La Magnolia und der schöne Blütenname soll aber nicht täuschen. Denn blumig ist hier gar nichts. Man lässt den einheimischen Trauben ihre Kanten, lediglich zu sperrig bei Gerbstoff und Säure soll es gemäß der Hauslinie nicht werden. Denn dieses Vorurteil, oft genug auch bestätigt im rustikaleren „Winemaking“, macht es den Weinen aus dem Nordosten Italiens teils immer noch schwer. Doch der erste Kostschluck, genippt, dann gekippt, vom Schiopettino der Lese 2019 zeigt schon, dass ein wenig Kellertechnik nicht gleich als Schminke das natürliche Antlitz der Rebsorte entstellen muss. Der Duft von Heidelbeeren und dunkle Kirschen bewegen sich mit etwas Standzeit – listig für Geplauder mit Gourmandisen-Kenner Pozzobon genutzt – in Richtung Preiselbeere und Nuss-Schokolade. Das lässt sich jedenfalls für einen 2019er schon recht spannend an!
Und in der Tat kleidet der Schiopettino den Mund aus wie in Seidenpapier gehüllte Erdbeeren. Die Säure ist nämlich gut kaschiert durch eine wunderbare Weichheit. Erst im Finale sprenkelt dann Grüner Pfeffer diesen Schwall aus roten Früchten. Und auch die Bitterschokolade traut sich wieder um die Ecke. Und rundet herb, aber sehr schmelzig diesen wunderbar leichtgängigen Wein ab. Diesen La Magnolia sollte man etwas angekühlt auf den Tisch bringen und dann zur Pasta mit Ragú oder Lamm-Bällchen servieren. Garantierter Erfolg!
Ein weiterer Roter von La Magnolia zeigt, dass die Sorten auch deutlich unterschiedlich reifen. Denn an sich ist auch der Refosco aus dem Jahrgang 2019, doch er lässt sich vergleichsweise noch etwas bitten. Dunkel Schokolade und Brombeere, beides keine leichtfüßigen Duftnoten, werden von einer ebenfalls herb-röstigen Maronischale begleitet. Feine Würze steuern Petersilien-Wurzel und frische, nicht getrocknete, Wacholder-Beeren bei. Doch das zweite Gesicht – in Form eines säurigen Mundgefühls voller Johannisbeeren und Weichseln – deutet unverkennbar zu uns: „Bitte, noch zuwarten“!
Damit wir nicht nur beim aktuellen Jahrgang, eben 2019, verharren, wird auch ein 2017er geöffnet, allerdings von La Magnolias Pignolo. Schwarze Nüsse, getrocknete Kirschen und schwarze Oliven stehen am oberen Ende einer ganzen Liste von Aromen, in der auch Veilchen, Lorbeer und Rosmarin ihren Platz finden. Dazu kommt eine markante Leder-Note. „Leder“ wie im Herrenparfüm, nicht wie in „Lederjacke“. Es ist also viel da. Und das bleibt so. Kirsche in allen Deklinationen findet sich im Mund wieder, feinstes Tannin erinnert an Assam-Tee und wird praktisch ohne Ansatz zum würzigen „Grip“ im Ausklang des Weines. Er erinnert an Schwarzen Pfeffer und zeigt die schwebende Leichtfüßigkeit großer Rotweine: Bei ihnen weiß man nie, wann dieses ätherische Flirren des letzten Geschmackshauchs wirklich endet. Wie Musik klingt er unmerklich aus, hinterlässt aber seine Emotion.
Nicht auszuriechen: Gigantes Refosco Riserva 2015
Wobei wir ja nicht mehr Refosco sagen können, ohne im Geiste ein „al pedunculo rosso“ als Echo zu hören. So sehr hat uns ein Friulaner Winzer-Freund darauf dressiert, immer die „roten Stiele“ der Sorte zu erwähnen. Und ergo hören wir dieses Echo auch, als Oliver den 2015er von einem anderen Weingut, Gigante aus Corno di Rosazzo, einschenkt. Schnell ist dieser Rebsorten-Tinnitus aber vergessen, denn dieser Refosco zieht einen rein wie ein Sog! Thymian und Traubendicksaft sind die ersten Eindrücke, dann wieder kommen Erdbeer-Düfte aus dem Glas. Minütlich ist hier mehr zu erschnuppern und wieder einmal gilt das Wort von einem Rotwein, die man nicht „ausriechen“ kann. Was daran liegen dürfte, dass dieser Wein auch im idealen Alter sein dürfte.
Das zeigt am Gaumen das bereits abgeschliffene Tannin, mit dem sich die saftigen „Frutti di Bosco“ vorstellen. Ein Schluck Espresso begleitet diesen Beeren-Mix. Und das Ganze in Zeitlupe – denn der 2015er bleibt lang und lässt sein herbes Rückaroma wie einen Muskel an- und abschwellen. Immer ist da noch Potential, aber viel Spaß macht dieser Refosco eindeutig auch schon im Jahre des Herrn 2021. „Rot-stängelig“ natürlich.
Bezugsquelle:
La Magnolia, Schiopettino 2019 ist um EUR 20,90 zu haben, der Refosco 2019 um EUR 18,90, während der Pignolo 2017 um EUR 23,90 angeboten wird;
Gigante, Refosco Riserva 2015 kostet EUR 19,90, alle bei „Tiboli“, www.tiboli.at