Álvaro Palacios ist das siebente von neun Kindern und er liebt es „erwachende Regionen wie das Bierzo“ zu präsentieren. Maßgeblich am Höhenflug des Priorats beteiligt, weilte der spanische Topwinzer in Österreich, um die Bandbreite seines Schaffens zu präsentieren.
New Rioja-Style: Zurück zu den Wurzeln
Aus dem Rioja, das man so gut zu kennen glaubt, schenkt er zunächst einen kräuterwürzigen modernen Typus ein. Garnacha statt Tempranillo lautet sein Geheimnis, doch die Art, wie Palacios Weine präsentiert, zeigt seinen Hang zum Hinterfragen gängiger Wege. So hat er es im Priorat gemacht, so hält er es auch hier. Etwa bei der Reifung des Weines: „Bevor man sich die Barriques im Bordeaux abgeschaut hat, nahmen wir Fässer mit 600, 200 oder 5000 Litern. Jetzt geht es wieder zurück zum überlieferten Stil“. Der schlägt sich beim „Propiedad“ , einem 100%-igen Garnacha aus dem „zauberhaften Jahr 2010“ in einer Kombination aus alten Reben und neuem Holz nieder.
Intensive Pilzaromatik nach Porcini und Champignon, wird von zart säurigem Holunder abgelöst – und der Nase wird noch mehr geboten. Kümmel, rote Rübe und Brombeere füllen den Koster-Zettel. Am Gaumen ist von den auseinanderstrebenden, aber interessanten Aromen nicht mehr viel da. Hoch elegante Tannine lassen langsam die Erdbeerfrucht in den Vordergrund treten, neben Beeren (auch Himbeere) erinnert der Garnacha an getrocknete Feigen und mit seinem kräuterwürzigen und eleganten Finale, das mehr verklingt als endet, erinnert das stark an Pinot Noir aus Meisterhand.
Garnacha aus Gratallopps – ein Schiefer-Denkmal
30 Hektar im Priorat reichten aus, um den Ruf Palacios‘ zu begründen. Mit dem aus sieben Weingärten stammenden Ortsblend Gratallopps hat er nicht nur der Ortschaft mit den markanten steinigen Weingärten ein Denkmal gesetzt, erstmalig durfte innerhalb eine Herkunftsbezeichnung (DO) auch ein Ortsname geführt werden. Der Wein macht dem Ort alle Ehre, die Nase registriert Vanille und Zwetschken-Röster. Der Blend aus 80% Garnacha und einer Kombination von Cariñena, Cabernet Sauvignon, Syrah und Picapoll zeigt mit Leder und Vanille die Sekundäraromen auf, Orangen, Gewürznelke und Kirsche machen zusätzlich neugierig, wie lebendig der 2011er aus der Höhenlage des Priorats schmeckt. Nun, zunächst ist da mehr Würze als eine definierte Fruchtaromatik. Zarter Pfeffer und ein merklicher Gerbstoff überlagern die roten Beeren. Hier findet das Terroir seinen Ausdruck in einer flirrend-mineralischen Art, die sich bis ins Finale steigert. Hier begeistert die Textur, nicht alles lässt sich benennen, aber die schwebende Art weist voraus, was einen noch erwartet aus der Paraderegion des Winzers, dem Priorat. Doch dazu später.
Beim Weinmachen sind 50 Jahre gar nichts.
Alvaro Palacios, Winzer
Senor Palacios legt dazwischen mit einem Wein nach, dessen Preis man zum Glück erst eine halbe Stunde später nachliest. „La Faraona“ ist pure Handarbeit; ein halbes Hektar in der erwachenden Region Bierzo hat er auf 900 Meter mit der Mencía-Rebe bestockt. Der Wein genießt vom ersten Augenblick an die volle Aufmerksamkeit, als sich wie bei der „écriture automatique“ die Zeilen füllen: „Intensiv nach Leder, dunklen Brombeeren, Teer, Zigarrentabak und Rum“, steht am Ende da. Und ähnlich intensiv-zupackend gestaltet sich der Kostschluck. Dunkle, dunkle Frucht, Holunder vor allem, dazu eine kräftige Basilikum-Note und immer wieder der Gerbstoff, der sich dazwischen deutlich zu Wort meldet. Kräftig ist ein Hilfsausdruck, über den man lange nachdenken kann. Denn der „La Faraona“ scheint nicht enden zu wollen im Nachhall. Dicht und dunkel gibt er sich prädestiniert für das nächste Wildgericht. Zumal da auch eine Dosis Wacholder und Lorbeer zwischen die ohnehin schon satten Noten gemischt wurde.
Alvaros Kultwein: Die Eleganz des Einsiedlers
Die besten Lagen im Priorat befinden sich anders als in den meisten Regionen in einer Nordlage, führt der Spanier dann schnell in das Gebiet ein, das ihn berühmt (oder das er berühmt?) gemacht hat. Der Kultwein „L‘Ermita“ stammt aus einer 1939 ausgepflanzten Anlage und der knapp 500 Meter hoch gelegene Weingarten gilt „als Eisberg im Priorat“. Gelesen wird nicht selten im November, für den 2010er etwa hat Palacios den 5. 11. als Lesedatum in Erinnerung.
Zum Glück bereitet Alvaro Palacios darauf vor, dass dieser Rote eine „erfrischende Flüssigkeit“ (fluido rinfrescante) ist, denn im Grunde duftet das wie weißer Schaumwein! Intensive Hefenoten und Ananas, aber auch Pink Grapefruit sind in diesem von Parker mit 99 Punkten versehenen Jahrgang da. Lediglich die an frisch gemahlenen Kaffee erinnernde Duftnote fällt ein wenig aus den Champagner-Anklängen heraus. Am Gaumen beginnt der L’Ermita fast ätherisch, ganz zart sind wieder Agrumen da, erst allmählich wie ein schärfer werdendes Trugbild kommt der Gerbstoff durch. Die Schnittmenge aus Zitrusfrucht und Bitterkeit, Grapefruitzeste, stellt den ersten fassbaren Eindruck dar.
Denn der Wein stellt sich so nobel dar, dass er sich konkretere Bezeichnungen fast verbittet – hohe Eleganz und ein fast ätherisches Finale, wie es nur ganz große Weine besitzen, stellen wir fest. Feinste Klinge und eine so ungewöhnliche Art, dass zwangsläufig klar wird, warum der Wein sich jenseits normaler Preisgefüge bewegt.
Bezugsquelle:
Álvaro Palacios, Garnacha „Propiedad“ 2010 ist um EUR 28, der „Gratallopps“ 2010 um EUR 39, der „La Faraona“ 2010 um EUR 600 und der Kultwein „L’Ermita“ 2010 um EUR 820 bei Getränke Wagner erhältlich, www.wagners-weinshop.com