Der ehemalige Lehrer Mikkel Borg Bjergsø (Foto) ist eine echte Kultfigur in Europas Bierszene. Nach ersten privaten Brau-Experimenten in Kopenhagen entstanden die meisten der Biere, die er in den letzten acht Jahren lancierte, in „fremden“ Brauereien. Dieser als „Gypsy brewing“ bekannte Vorgang entspricht dem des Weinbauern ohne Weingärten (dem Négociant-Eleveur), wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Denn Mikkel fehlte ja der Keller, also die Brauerei. Mit den Freunden der belgischen Proef Brouwerij hat er einen Partner gefunden, doch längst entstehen nicht alle Biere hier.
Das erste in der Verkostung allerdings schon. Beim „It’s alive!“ zitieren die Dänen samt dem Rufzeichen die Erweckungsszene aus „Frankenstein“, doch meint das Lebendige hier die Hefestämme. Denn das so benannte Bier stellt ein belgisches Spontangärungsbräu – Lambiek heißt dieser Typus, der Wildhefen zur Gärung nutzt – dar. Allerdings eines, dass noch in Chardonnay-Fässern mit Mango-Einlage (!) nachreifte.
Der mostig-saure Geruch verrät das belgische Sauerbier, allerdings ändert sich diese eindeutige Zuordnung am Gaumen. Die Fassreifung gibt dem Bier eine Sattheit mit, die mit den 8% Alkohol einen kräftigen Akkord setzen. Was aber ist mit der Mango? Sie ist allemal im Nachklang schmeckbar, da aber eher auch an „pickled Mango“ vom Inder erinnernd durch die leichte Säure. Zweifellos hat das belgische Mikkeller aber einen Fruchttouch, der je nach Verkoster als Waldbeeren oder unfreife Kirsche beschrieben wird.
Koppi Barley Wine Gichathaini gehört zu jenen Bieren, mit denen Mikkeller seinen Ruf begründete. Kaffee und kräftige 10% Alkohol geben hier den Charakter. Der namensgebende Gichathaini aus Mittel-Kenia gilt unter Kaffeeliebhabern als besonders fruchtig, Beerentöne sind sein Markenzeichen. Geröstet wurde er in Schweden, bei Koppi (in Helsingborg von zwei Baristas geründet). Zwei skandinavische Start-ups des Genusses machten hier also gemeinsame Sache.
In der Nase macht sich neben der deutlichen Kaffee-Note auch frische Heidelbeere und ein Schuß Zigarettenrauch bemerkbar. Am Gaumen kommt eine dunkle, auch röstige, vielleicht sogar leicht verbrannte Note durch, die an Pekan-Nüsse (mit Schale) erinnert. Das Bitte der Nusschalen prägt den Geschmack, durch eine leichte Kohlensäure wirkt das „Koppi“ aber leichtfüßiger als Beschreibung und Alkohol vermuten lassen. Die Bittere und das röstige Kaffeearoma verbinden sich im Nachtrunk zu einem starken, an Espresso erinnernden Finish. Ein guter Einstieg in die Welt der Kaffee-Biere, der nicht nur von Schwere und Bitterkeit lebt.
Aber natürlich experimentiert Mikkel mit allen möglichen Bierstilen, ergo gibt es auch ein Porter aus Dänemarkt. Dunkel und mit beachtlicher Schaumbildung rinnt es aus der Flasche. Der erste Eindruck erinnert an Laugengebäck, recht salzig im Duft, man man auch von gerösteter Lachshaut sprechen. Auch am Gaumen findet sich diese rauchige Komponente, hier assozierten wir eher Rauchmandeln. Der Antrunk beginnt zwar süß, Lakritze und Schwarzbrot wären entsprechende Aromen, doch vor allem die rauchige Art unterscheidet die dänische Variante von anderen Porters. Für „Mikkeller“ aber fast eine zu brave Vorstellung.
Definitiv ein Bier für Fortgeschrittene hingegen ist das „Mexas Ranger“, in dem Avocadoblätter, schwarze Bohnen, Kakao und Mais für den Geschmack sorgen. Nicht zu vergessen der Chili, der die mexikanische Palette des Porters ergänzt, das fast erdöl-schwarz ins Glas rinnt. In der Nase wie am Gaumen setzt sich die Bitterschokolade in Szene, im Geruch nimmt man etwas Dosenmais wahr, aber auch eine leichte saure Note. Der erste Schluck fordert, so dicht ist das „Mexas Ranger“, das kaum Kohlensäure aufweist. Man läßt uns mit dem schokoladig-hopfigen Trank alleine. Dagegen ist nichts zu sagen, denn Schluck für Schluck verändert sich das Bier, das weit kräftiger als seine 6,6% Alkohol wirkt. Liegt wohl an der trockenen Art, zu der noch die Kakao-Bittere kommt. Deutlich merkbar und auch willkommen als Gegenpart wird im Finish der Chili.
Ohne die Etiketten von Keith Shore wären die Mikkeller-Range aber nicht das markante Avantgarde-Ding, das sie heute in der Craft-Szene darstellt. Ähnlich kultig bei Inhalt und Verpackung („Beer for Punks“ werben sie selbst) gehen es die Schotten hinter Brewdog an. Weshalb sich Bjergsø auch an ein sogenanntes „Collaboration Brew“ machte, also eine Gemeinschaftsproduktion zweier Brauereien. Das Ergebnis nennt sich „I Hardcore You“. Seine 9,5% Alkohol sprechen an sich eine deutliche Sprache, doch die Kohlensäure sorgt für einen guten Trinkfluss. Marzipan, Cranberry, Weichsel-Joghurt und etwas Ovomaltine machen neugierig auf den ersten Schluck.
Der kommt zunächst recht malzig, mit einem Gemisch aus Milchkaffee und Schwarzbrot auf den Gaumen, eher er sich immer mehr Richtung Bitterschoko bewegt. Von den in IPAs gerne gesuchten exotischen Früchten kommt am ehesten getrocknete Papaya und eine sehr braun gewordene Banane (Marke: Schulbankfach-Fund) durch. Die Balance und die dunklen Noten machen die dänisch-schottische Ko-Produktion zu einem guten Einstieg in die Craft Beer-Welt – oder eignet sich für jene, die besonders trockene IPAs bevorzugen.
Mikkeler „It’s Alive“ um EUR 12,50, das „Mexas Ranger“ und das „Porter“ um EUR 4,69, „I hardcore you“ um EUR 5,55 und das „Koppi Gichathaini“ um EUR 6,38 erhältlich in den Shops bzw. online bei Ammersin, www.ammersin.at