Das Wort Leidenschaft blinkt auf, wenn deutscher Riesling auf dem Tisch steht. Da können sie noch so auf VW hindreschen, beim Riesling stimmt das Klischée von der Wertarbeit bei unserem Nachbarn noch. Überhaupt, wenn Rheingau-Meister Gunter Künstler (anderswo würde in diesen Klammern jetzt stehen: „Nomen est omen“) ruft. Klar, ganz spurlos ging das mies-verregnete Jahr 2014 auch an den Rieslingen Künstlers nicht vorbei. Das Hochheimer Kirchenstück etwa, sein Kabinett Nr. 1, den wir aus dem Jahrgang verkosten, ist deutlich zitrisch geprägt. ,,Straff“, nennt man das im Weinspeak gerne. Der Zug ist da, aber die letzte Kraft am Gaumen geht ihm ab.
Hölle, Hölle, Hölle, ist der mineralisch!
Doch schon der zweite Kabinett, die Hochheimer Hölle, trotzte dem Jahr eine hohe Eleganz ab. Zitronenmelisse, mineralische Noten, aber auch unreife Marille riecht man, am Gaumen wirkt vor allem die Mineralik höchst ziseliert. Eine eleganter Wein, wie erwähnt, aber auch ein Vertreter der leisen Töne. Wie diese Lage, auch wenn wir nun auf das Grosse Gewächs umsteigen, das Gunter Künstler aus der Hochheimer Hölle gekeltert hat, schmecken kann, zeigt der 2013er. Reif schon im Duft, der vor Tropenfrucht und Honig strotzt, zeigt die „Hölle GG 2013“ sich schlicht als eine Art „Best of“ des Rieslings. Verführerisch süsser Tropenfrucht-Mix, dazu auch Nektarine, saftig und mineralisch zugleich, zwingt der Kostschluck zu einer Frage an den Winzer: Wieviel Restzucker hat dieser intensiv, fruchtsatte Wein? „Keine 5 Gramm“, lautet die Antwort. Und damit ist die Hochheimer Hölle nicht nur für deutsche Verhältnisse recht trocken, sondern muss auch unglaubliche Extraktsüsse mitbringen.
Wir liegen auf der (Weiß) Erd! Der Punkte-Sieger
Wirklich den Rest gibt uns Künstler aber mit einem 2012er Riesling. Das Grosse Gewächs Kostheim Weiß Erd zählt zu diesen Rieslingen, von denen ich gerne behaupte, sie wachsen so nicht in Österreich. Nicht, weil er – ähnlich wie der 2013er Hölle – einfach alles hat, sondern weil die Balance aus Süße und Mineralik nur in Deutschland so gemeistert wird. Zudem kommt hier auch schon eine gewisse Reife dazu, die ihn zusätzlich zu einem Großen macht. Gelbe Paprika, Ananas, Pfirsich und weisser Pfeffer (wo die Mineralik einsetzt), sind nur einige der Nuancen, auch Kräuter kann man der Reihe nach nennen. Was wir jetzt aber nicht tun, sondern den 2012er in seiner jetztigen Form eindeutig empfehlen. Auch wenn die Hochheimer Hölle bei den „Großen Gewächsen2 wertiger in der internen Bepreisung erscheint, der Trinkspaß spricht für den überkompletten 2012er Weiß Erd.
Bezugsquelle:
Weingut Künstler, Riesling Kabinett Hochheimer Kirchenstück 2014 kostet EUR 16,50, der Riesling Kabinett Hochheimer Hölle 2014 EUR 17,90, die Großen Gewächse Hochheimer Hölle 2013 bzw. Kostheim Weiß Erd 2012 sind um EUR 37,71 bzw. EUR 31,41 erhältlich, alle bei Vinorama, www.vinorama.at