Bevor das Jahr ganz um ist, sei noch ein Geburtstag aus 2019 nachgefeiert. Denn in diesem Jahr beging der Weinlaubenhof in Illmitz sein 60. Bestandsjubiläum. Gerhard Kracher erinnerte an die zwei Generationen vor ihm, vor allem seinen bis heute prägenden Vater Alois († 2007), als der Geburtstag mit dem Handelshaus Kastner gefeiert wurde. Zu den 15 Weinen, die bis ins Jahr 1981 zurückreichten, gesellte sich im Wien eine Rarität, die an Großvater Alois sen. erinnert. Doch davon später mehr.
Denn zu Beginn erklärte Gerhard Kracher den simplen Grund, warum es aus den ersten Jahren keine einzige Flasche mehr gibt: „Wir hatten kein Geld und auch keinen Platz“ – denn es war ein Wagnis, dass der Illmitzer mit seinem gesamten Ersparten einging. Der dritte Süßwein-Jahrgang, das war 1967, ist der einzige, von dem es noch ganze drei Flaschen im Keller gibt. Dass man heute ein Weingut von Weltruf darstellt, war in den Tagen von Pionier Alois Kracher senior († 2010) keineswegs absehbar. Erst sein Sohn „Luis“ trieb den Export voran wie kaum ein anderer Winzer der 1980er Jahre.
An bauernschlauen Anekdoten mangelt es nicht, einige gab Sohn Gerhard zum „60er“ auch zum Besten: Etwa, wie mit einer Verkostung der weltberühmten Süßweine von Château d’Yquem bei der London Wine Fair Journalisten lockte: „Nur ganz klein stand dabei „and Weinlaubenhof Kracher““. Und die teuren Franzosen hatte Luis Kracher extra für diesen Anlass zusammengekauft – dafür gab es reichlich von den Seewinkler Trockenbeerenauslesen (TBA) zum Vergleich.
An diese Tage erinnert auch das „Geburtstagsgeschenk“, das es zum Jubiläum für Süßweinfreunde gibt. Denn Gerhard Kracher (kl. Bild links) füllte ein 1.000 Liter-Fass mit der alten Etikette ab und das im für Süßwein ungewöhnlichen 0,75-Liter-Format. Die Welschriesling TBA stammt aus jenem Weingarten, den der Großvater angelegt hat und wurde seit Jahren nicht mehr „Parzellen-rein“ ausgebaut, wie das anfangs noch der Fall war. Die alten Rebstöcke ergaben 2017 einen Wein, der deutlich anders ist als die in der Regel aus allen Welsch-Anlagen der Krachers (40% macht die Sorte am Weinlaubenhof aus) cuvéetierten Abfüllungen.
„Dieser Wein ist eine Verbeugung vor der Arbeit meines Vaters und meines Großvaters“, meint Kracher, zumal auch sein Vater als Geburtsjahrgang 1959 heuer 60 Jahre alt geworden wäre. Die Holzkiste der Sonderfüllung zieren daher auch alle drei Generationen vom Weinlaubenhof. 889 Flaschen kamen in den Handel und das macht diese Rarität bei aller Nostalgie und den Untertönen heimischer Weingeschichte, die hier mitschwingen, natürlich auch zum Investment. Vor allem aber wurde die „60 Years Anniversary“-Bouteille ein grandioser Wein.
Ringlotten und Quitten-Käse sind der erste nasale Eindruck von dieser Rarität. Ein Touch Zitrusfrucht schwingt auch mit. Der Schweizer Wein-Guru René Gabriel formulierte es in seiner Kost-Notiz (zur Höchstbewertung 20 von 20 Punkten) als „frische Komponenten von Orangenblüten“. Uns erinnerte der Duft an rauchig unterlegte Yuzu. Doch das alles sind Momentaufnahmen, denn dieser Wein öffnet sich sekündlich mehr. Der intensive erste Schluck von der Welschriesling-TBA bringt ebenfalls diesen leicht rauchigen Touch mit, der noch zarte Gerbstoff schwingt im Hintergrund mit. Denn nun betreten rote Tropenfrüchte die Bühne, auch ein Ensemble von Gewürznelken hat seinen Auftritt.
Von 60 Jahre alten Welschriesling-Stöcken
Der auffälligste Ton für uns ist aber die leichte Chili-Schärfe, die Krachers beste Abfüllungen auszeichnet (die TBA von der Scheurebe hatte das z. B. auch). Dazu gesellen sich aber intensive Dosen-Pfirsiche – man denkt an ihren Saft, auch wenn die komplexen Bei-Noten hier weitaus weniger eindimensional ausfallen. Doch die Intensität dieses Prädikatsweins legt den Vergleich nahe, auch wenn ihn gleich ein neuer Schwall aus der Gewürzdose vom Seewinkel wegweht. Denn auch Piment gesellt sich zu den Steinfrüchten, die an Marillen „als frische Frucht, als Likör und als getrocknete Aprikosen“ (erneut sei René Gabriel zitiert) erinnern. Ein leicht salziger Touch rundet diese TBA als Seewinkler Signatur ab.
Ein Tipp noch, für alle, denen der Preis der „Jubiläumsflasche“ zu hoch ist. Eine herausragende Flasche aus dem Geburtstagstasting in der Wiener „Labstelle“ war die 2010er TBA No. 11 „Zwischen den Seen“, die noch im Handel ist. 351 Gramm Restzucker (denen nur 6% Alkohol gegenüberstehen) wurden hier in eine pikante Form gegossen, die einmal mehr zeigt, warum das verhalten aufgenommene Jahr 2010 großartigste Süßweine hervorbrachte. Salz-Zitronen wie von einer marokkanischen Oma, dazu der leichte Eisen-Ton eines Sauerbrunnen-Mineralwassers deuten die Janusköpfigkeit dieses Welschrieslings bereits an. „Nur süß“ ist hier gar nichts! Es dauert bei dieser pikanten Grundierung, bis sich die Frucht in den Vordergrund schiebt. Kühler Pfirsich und Grüner Apfel sind dann zu riechen, die nur bedingt auf die überaus druckvolle Art dieser TBA vorbereiten.
Auch im Mund beginnen die leicht scharfen Paprika-Noten, die zusammen mit der merklichen Säure des kühlen Jahrgangs eine Schneise schlagen, auf der die Früchte ihre Bahn ziehen können. Diesmal sind es vor allem Marillen und Blutorangen, die eine Seite des „sweet&sour“-Mix ausmachen. Die prickelnde Säure und vor allem das merkliche Salz der Seewinkler Lacken, das der Regen des 2010er Jahres reichlich auswusch, stemmen sich dagegen. Auch hier gilt: schwere Empfehlung unsererseits!
Bezugsquellen:
Weinlaubenhof Kracher, „60 Years Anniversary TBA“ (0,75 Liter-Flasche) ist in Restmengen um EUR 199,90 noch ab Hof bzw. im Webshop des Weinguts erhältlich, https://shop.kracher.at
Die Welschriesling TBA No. 11 „Zwischen den Seen“ 2010 ist um EUR 57,50 (0,35 Liter-Flasche) beim Salzburger Händler Rieger zu haben, www.rieger-weinshop.com