Die Aufregung vor einer Verkostung der weltbekannten maison de Champagne Krug ist immer hoch. In diesem Fall kam aber noch die Tücke der Technik dazu: Würde die Leitung nach Reims halten, wo der famose Olivier Krug die neuen Grande Cuvées kommentieren wollte? Schon nach wenigen Minuten sank man aber in die mit Kissen der Champagner-Marke ausstaffierten Sesseln im Genießerhotel Döllerer. Wie es sich für eine der „Botschaften“ – Krug nennt seine Gourmetlokal-Hochburgen „ambassades“ – des Hauses gehört, war klar zu verstehen, was es zum neuen Champagner zu sagen gab.
Wie immer war man transparent, was die komplexe Zusammensetzung aus dem dominierenden Jahrgang der „170ème Édition“ (es war 2014) und den Weinen der „Bibliothek“ an reiferen Weinen betrifft. Allein vom 2014er Pinot Noir als einer der drei verwendeten Sorten sind es 500 Einzelbeschreibungen, die Kellermeisterin Julie Cavil nach zwei Verkostungen mit ihrem Team vorliegen hat. Dieses Beispiel gab Marketingleiter Thibault Renard aus Reims, der selbst einsehen musste, dass seine Frage „Wie ist der Jahrgang 2014?“ vom chef du cave da nur schwer zu beantworten ist.
In Erinnerung bliebt die Ernte 2014, an sich kein übler Jahrgang, allerdings doch; denn sie war überschattet vom starken Auftreten der Kirschessig-Fliege in der Champagne. „Vor allem beim Pinot Meunier hat uns die so genannte Suzukii-Fliege viel gekostet“, erinnert sich Olivier Krug. Denn sie tritt so knapp vor der Ernte auf, dass befallene Trauben nur noch vernichtet werden können. Die Reaktion von Kellermeisterin Julie Cavil war daher naheliegend: Gegenüber der Vorgängeredition 169 (hier nachzulesen) wurde der Meunier-Anteil von 19 auf 11% reduziert, dafür ist der Antei älterer Jahrgänge, der Reserveweine, mit 45% der Assemblage deutlich höher. Bis 1998 reichen die Jahrgänge zurück, wenngleich dieser älteste Teil „vielleicht 0,5% ausmacht“, so Monsieur Krug. 195 einzelne Chargen aus 12 Jahrgängen sind es doch wieder geworden. Und vor allem ein Champagner, der sich wieder deutlich von den anderen „Nummern“ der internen Editionszählung unterscheidet.
Wie Ananas- oder Limetten-Baiser riecht der von Frische getriebene Krug, man denkt an Ei-Schnee, aber auch Goldginster. Unter den floralen Noten ragt dann auch Kirschblüte heraus. Doch die Komplexität dieses Luxus-Champagners zeigt sich bereits im Duft. Mit zehn Minuten im Glas ist auf einmal ein rauchiger Ton – man denke an Schwefelhölzer, die ausgeblasen wurden – da. Auch eine prononcierte Schokolade, an Kekse erinnernd, stellt sich auf einmal anstelle der Zitrusfrucht-getriebenen ersten Nase ein.
Ähnlich janus-köpfig kommt der sieben Jahre auf der Hefe gereifte Schaumwein dann am Gaumen zur Geltung. Das cremige Mundgefühl hat zugleich viel Druck, ein Zeichen für optimale Entfaltung der „bulles“, der Kohlensäure-Bläschen. Die feinen Zitrusnoten, diesmal mit klarer Neigung in Richtung Grapefruitzeste, werden von einer leichten Kräuter-Anmutung begleitet. Koriander und Melisse wären da zu nennen, final auch etwas frischer Salbei. Denn die engmaschige und jugendliche Grande Cuvée klingt mit einem leichten Gerbstoff-Ton aus. Er bündelt mit einer Erinnerung an Bitterorangen noch einmal alle Geschmackseindrücke dieses Jünglings aus Reims.
Apropos Jüngling: Erst seit 26 Editionen gibt es auch einen Rosé, „da hat sich mein Vater lange gewehrt“, plaudert Olivier Krug aus dem Nähkästchen der Familie. Doch der Markt wollte auch einen rosa Krug-Champagner, der mittlerweile als „26ème Édition“ ebenfalls einen komplexen Aufbau zeigt. Sieben Jahrgänge wurden vermählt, der älteste ist 2005, der Großteil (hier: 67%) stammen ebenfalls aus dem Jahr 2014, wobei der Pinot Noir mit 44 % der Assemblage den Ton angibt. „Es geht aber auch beim Rosé von Krug immer um Frische“, lautet die Devise. Und mit ihr feiert man einmal mehr die Vielfalt, was im direkten Vergleich mit anderen Rosé-Grande Cuvèes des Hauses deutlich wird.
Rosé zum Reh: „Grande Cuvée 26ème Édition“
Ermöglicht wird das analytische Riechen und Schmecken beim Champagnermenü Andreas Döllerers, bei dem es vor allem zu einem herrlichen Vergleich zwischen den Rosès der maison (Nr. 26 stand neben Vorgänger 25) zum Rauriser Rehrücken mit weißen Erdbeeren kam. Deutlich dunkler in der Aromatik, auch mit mehr Gerbstoff, bringt die „25ème Édition“ mit der Süße des Wildfleischs erst ihre säurige Seite zum Vorschein. Der „burgundische“ Nachfolger hingegen umspielt die unreifen Erdbeeren genau so – nur viel lebendiger – wie man es dem Pinot Noir als Stillwein ebenso nachsagt.
Denn bereits im Duft der „26ème Édition“ sind kühle Beerentöne da. Der relativ hochfärbige Rosé-Champagner, der 11% Rotwein enthält, schimmert in Rosé-Gold, die Nase meldet aber auch dezente Räucherstäbchen-Töne. Die Frische des weißen Anteils lässt auch Assoziationen an den japanischen Eistich Tamago zu, allerdings leicht geflämmt. Auch beim Rosé vollzieht sich dann eine Metamorphose mit etwas Standzeit im Glas – die erdbeerige Seite dreht deutlich in Richtung Pinot Noir-Duft. Schließt man die Augen, denkt man ausschließlich an diese Sorte. Dezenter mengen sich Pink Grapefruit und – man glaubt es kaum! – auch etwas Bitterschokolade ins Duftbild. Doch zur Harmonie gebrachte Widersprüche zeichnen schließlich große Weine aus.
Und diese „26ème Édition“ stellt zweifellos Rosé-Champagner der obersten Klasse dar. Das zeigt sich auch an der unerwartet saftigen, aber nie plumpen Frucht. Unmerklich schaltet der rosa Krug am Gaumen von roten Beeren auf Kirsche um. Sehr engmaschig ist er und vor allem „versteckt“ er den Gerbstoff der Rotweine recht elegant. Denn erst das Finale, das wunderbar trocken wirkt, zeigt, dass hier ordentlich Tannin da sein muss, das aber nie schmeckbar wird. Stattdessen kommt ein anderer Ton als Überraschung und Coda dieses zugänglichen Schaumweins hinzu: Final bringt eine zarte Chili-Würze noch eine weitere Note in die vielschichtige „26ème Édition“ ein. Sie lässt den Rosé dann etwa zum überaus würzigen Pilz-Fonds chez Döllerer, einer Umami-Bombe, glänzen. Und er bestätigte Olivier Krugs Einschätzung („Das ist kein Rosé zum Dessert, sondern konkurriert mit Pinot Noir zu Fleisch“) .Nur falls man nicht weiß, was man zu diesem Top-Rosé kochen sollte. Solo erfreut er aber genauso.
Bezugsquelle:
Champagne Krug, Grande Cuvée 170ème Édition kostet EUR 220, der Rosé „26ème Édition“ ist – ab 1. Juli – um EUR 305 zu haben, beide über Le Cru, https://shop. lecru.at