Die Kombination Rauch und Tabak kennt man seit langem, etwa vom im großen Stil zu Bamberg in Franken gepflegten Rauchbier. Ähnlich wie beim Whisky-Malz wurde früher auch die zum Keimen gebrachte Braugerste über offenem Feuer getrocknet. Das brachte die selchigen Aromen ins Bier. Doch Zigarren-Aromen im Bier sind neu. Neben der Berliner Kleinbrauerei Brewbaker – sie stellt ein Doppelbock mit (eher als dezent empfundenem) Rauchmalz für Zigarren-Importeur Noblego her – ist diese Nische italienisch besetzt. Birra del Borgo in Latium und der unermüdlich kreative Piemonteser Teo Musso führen jeweils „Kentucky“ am Label. Hä? Das liegt aber jetzt nicht in Italien, oder? Keine Angst, die Geographiekenntnis ist noch intakt, aber der aus Kentucky stammende Tabak ist die Basis der bekannten „Toscani“. Also jener langen, gerne auch in der Mitte zu teilenden Zigarren, die Clint Eastwood seinerzeit „Tuco“ Eli Wallach anbot („Mach ein paar kräftige Züge, dann kannst Du gut kacken“).
Beim Porter „KeTo“ muss man zwar wissen, dass das für KEntucky TOscano aus der italienischen Provinz Latio steht. Birra del Borgo hat seine Version eines Porter – das in der Brauerei „Re-Porter“ heißt – herangezogen, um den Tabak ins Bier zu bringen.
Im Duft erinnert mich das Porter an Cola-Zuckerl, ein deutlicher süßer Zug und kräutrige Noten („Ricola“, meint ein Mitverkoster) sind vorhanden. Mit etwas Zeit kommt auch der säurige Zug ein wenig stärk
er durch im Geruch, das wirkt dann wie gesüßte Himbeeren. Der Eindruck bleibt auch am Gaumen erhalten, die Süße dominiert zwar, doch immer wieder schleichen sich auch säurige Akzente dazwischen. Schön ist vor allem die Cremigkeit, die an Joghurt-Beeren-Desserts aus dem Kühlregal erinnert. Der Tabak bleibt unmerklich, doch als Zigarren-Begleiter – eine kräftige sollte es aber sein! – passt das für sich fast zu süß-malzige Porter aus Latio ganz gut, es saugt die herben Tabak-Noten förmlich auf in seinem üppigen Körper. Wobei es mit nur 5,2% deutlich leichter ist, als das reichhaltige Mundgefühl suggeriert.
Bei Baladin, der Craft Beer-Stätte Teo Mussos, steht hingegen groß „Kentucky“ auf der Holzbox, die den halben Liter Extrembier umhüllt. Mit vollem Namen „Xyauyù Kentucky“ genannt, zählt die Rarität zu den Sofa-Bieren – birre da Divano – weil sie weit jenseits der Kategorie Durstlöscher angesiedelt sind.
Technisch funktioniert das Bier über eine Infusion von Tabak in den Eichenfässern, die Musso der Makrooxidation aussetzt bei der Xyauyú-Reihe. Das 2011 abgefüllte Bier wurde 
mit Tabak aus dem Veneto von der 22 Hektar großen Anbaufläche Giancarlo Guzzos aromatisiert. Von einer Idee muss man sich aber lösen, nämlich, dass man den Tabak im Bier schmeckt wie in einer Zigarre.
Im konkreten Fall weist in der Nase wenig auf den Zusatzstoff hin; das dunkel-rotbraune „Kentucky“ weist die Kombination Nuss-Schokolade, Vanille und etwas Amarena-Kirsche auf. Vor allem letzteres weist auf den mit 14% doch beträchtlichen Alkohol hin. Am Gaumen stört diese Kraft aber kaum, denn die Süße des Xyauyú mit Tabak steht vom Beginn weg im Mittelpunkt. Lässt man das ohne Schaum und Kohlensäure recht intensive Bier länger über die Zunge rollen, entsteht ein an Caffé affogato erinnernder Eindruck: Vanille ist überreich vorhanden, auch etwas bittere Töne und eine Samtigkeit wie von Milchkaffee. Erst im Finish wird es etwas herber in der Aromatik, da kommen dann fast ledrige Noten durch, die sich vermutlich dem Tabak verdanken. Eines sollte noch erwähnt werden, da wir auch diesen Test – siehe kleines Foto – durchgeführt haben: Zur Zigarre, es war eine dominikanische „Matilde Oscura“, passt das „Kentucky“ bestens. Und es lässt sich auch die ganze Rauchdauer hindurch genießen, ja, legt noch zu, wenn man ihm Luft gewährt. Oder besser gesagt: Rauch.
Bezugsquellen:
Brewbaker x Noblego, „Maduro Imperial“ ist um EUR 9 (0,75 Liter) im Noblego-Rauchsalon in Berlin-Schöneberg erhältlich, www.noblego.de/zigarrenbier
Birra del Borgo, KeTo Re-Porter ist um EUR 3,50 (0,33 Liter) bei BeerLovers erhältlich, https://beerlovers.at
Birrificio Baladin, „Xyauyù Kentucky“ ist um EUR 34,90 (0,5 Liter) bei Barolista erhältlich, www.barolista.at
