Glaubenskrieg im Kaffehäferl: Kann Kaffee ohne Koffein schmecken? Am besten behält man da seine Meinung für sich, denn Argumente sind auf beiden Seiten („Geschmack braucht kein Koffein!“ versus „Kaffee ohne Koffein geht gar nicht!“) zu finden. Historisch hatten die Gegner des Koffein-Entzugs lange das bessere Ende für sich.
Denn es wird zwar seit Jahrzehnten entkoffeiniert, die Verfahren haben sich aber erst in jüngster Zeit verändert. Die rabiaten Lösungsmittel früherer Tage, die fast alle gesundheitsschädlich waren, wurden durch das direkte Verfahren und die Triglycerid-Methode abgelöst. Allerdings verwendet das oft als natürliches Entkoffeinieren bezeichnete direkte Verfahren Ethylacetat, das zwar aus Obst und Gemüse gewonnen wird, aber ebenfalls ein Lösungsmittel darstellt. Nespresso lehnt diese Methode ab, es dürfte als mit den Triglyceriden, also vereinfacht gesagt: Kaffee-eigenen Fetten, arbeiten. In jedem Fall sollte man sich zweier Dinge bewußt sein:
- 100% koffeinfreien Kaffee gibt es nicht
- Das Entziehen von Substanzen ist immer ein harter Eingriff
Dies sei vorausgeschickt, weil der sensorisch merkbare Einfluss von Koffein auf den Kaffee-Geschmack umstritten ist. In einigen Verfahren werden etwa die Sterine entzogen, eine Kategorie von Stoffen, die die Bohnen in der Natur quasi abschotten und vor Oxidation schützen – der „fertige“ Kaffee ohne sie raucht – laienhaft gesagt – also schneller aus.
Dazu spielt natürlich auch die Psychologie eine Rolle – wenn entkoffeniert draufsteht, wird gleich einmal gesucht, was denn ev. nicht so toll schmeckt. Beim Trinkprotokoll.at nahmen wir zwei der neuen Blends zum Anlass Tasse gegen Tasse aus der gleichen Maschine zu vergleichen.
Den Anfang machte der Arpeggio, der in der Ur-Version röstig duftet mit seinen Noten aus Kakao, Bockshörndl und Rum-Rosinen. Im Geschmack ist es ein nussig unterlegtes Kakao-Aroma, das neben einer leichten Säure den beliebten Kaffee prägt. Nun, der Kakao-Geschmack, von Nespresso selbst quasi als die DNA der südamerikanischen Kaffeemischung beschrieben („intensives Bouquet aus Kakao- und Röstnoten“), kommt deutlich weniger durch im entkoffeinierten Arpeggio. Denn der ist nicht nur in der Crema etwas heller, sondern auch „leichtfüssiger“ schon im Geruch: Röstiges Getreide wie bei den Cornflakes ersetzt die dunklen Noten des Koffein-haltigen Arpeggio. Dass die leichtere Gangart nicht nur negativ sein muss, zeigt der Geschmack, der durch ein Mehr an Säure auch frischer wirkt: Schlank und mit Mandel-Noten ist er – dort, wo normalerweise der Kakao sitzt, wirkt der Arpeggio decaffeinato wie aus einem Guss, also zarter.
Beim Vivalto Lungo stellt sich farblich der gleiche Effekt ein, ein wenig heller ist die Crema aus der entkoffeinierten Kapsel mit dem roten Punkt. Helles Butterkaramell krönt die Tasse. Allerdings wirkt er um einiges fruchtiger. Der Duft verliert in der Variante ohne Koffein die expressiv nussige Art, er erinnert an Haselnüsse und Butterkekse, wo der herkömmliche etwas röstiger war und mit dunklen Nussaromen punktete. Dafür wiederum kommt er am Gaumen fast röstiger als sein Vetter mit Koffein, zarte Marzipan-Noten und ein Säure-Gerüst, das erst kurz vor Schluß aufgebaut wird, geben dem „decaff“ die Struktur. Die Schokolade-Noten und das kräftig-röstige Finish mit der fast herben Note beim bewährten Vivalto wirkten da weniger elegant.
Deutlicher werden die Unterschiede mit etwas Milch. Während der dekoffeinierte Vivalto Lungo säurebetont wird, hält die kräftigere Note beim klassischen an. Die Gewichte verschieben sich also – wer den Espresso ohne Zugaben trinkt, findet eine elegante Variante ohne Koffein, die ein wenig leichter wirkt. Mit Milch bleibt der Klassiker vorne.
Bezugsquelle:
Nespresso, „Vivalto Lungo Decaffeinato“ ist um EUR 3,90 (10 Kapseln), der „Arpeggio Decaffeinato“ sowie der nicht getestete „Volluto“ ohne Koffein sind um EUR 3,70 (10 Kapseln) in den Nespresso Boutiquen sowie online erhältlich, www.nespresso.com